„Es braucht einen Mentalitätswandel!“
Organigramme aufbrechen, Service-Gedanken etablieren / Interview mit Yannick Haan
„Verwaltung der Zukunft“: Gibt es ein Amt, ein Ministerium oder eine andere Behörde, die sie an dieser Stelle einmal richtig loben möchten?
Haan: Als durchaus positiv empfand ich den Umgang mit dem Flüchtlingszustrom. Obwohl darüber sehr viel negativ berichtet wurde und natürlich vieles auch nicht gut lief, hat die Verwaltung hier versucht, Probleme immer wieder auch unbürokratisch zu lösen. Das habe ich nicht nur als ehrenamtlicher Helfer erfahren, sondern auch als Politiker: Viele Behörden haben mit der Zivilgesellschaft ziemlich agil und flexibel zusammengearbeitet, obwohl es dafür oft kaum Pläne oder Grundlagen gab – ein Umstand, der die Verwaltung sonst vielfach lähmt.
Viele Behörden haben mit der Zivilgesellschaft ziemlich agil und flexibel zusammengearbeitet, obwohl es dafür oft kaum Pläne oder Grundlagen gab.
VdZ: Was haben Sie in den vergangenen Jahren in einer Verwaltung vielleicht erlebt, dass Sie geärgert hat und Grund zur Sorge gibt?
Haan: Hierzulande fehlt oft noch die „Dienstleistungsmentalität“. Meines Erachtens ist in einigen Behörden noch verankert, dass der Bürger doch bitte zur Verwaltung zu kommen hat – letztlich als „Bittsteller“. Das entspricht nicht mehr der heutigen Zeit, das müssen wir ändern! Außerdem ist die Verwaltung noch sehr stark von Hierarchien geprägt. Das verhindert gerade diesen Service-Gedanken genauso wie Innovationen insgesamt, die wir in der Digitalisierung dringend brauchen.
VdZ: Was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an eine „Verwaltung mit Zukunft“ denken?
Haan: Sicherlich eine digitale Verwaltung: Ich denke, wir brauchen tatsächlich eine Plattform, auf der die Verwaltungen ihre Leistungen online stellen. Darin müssten sich auch Anwendungen wiederfinden, die Privatleute oder Initiativen erarbeitet haben und die einen Nutzen im Umgang mit Behörden erbringen. Es geht darum, Bürger-Services so einfach und nutzerfreundlich wie möglich darzustellen.
Ich glaube, dass wir im Zuge der Veränderungen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst mehr Verantwortung zuteil kommen lassen sollten.
Die Digitalisierung ist im öffentlichen Sektor leider noch nicht so angekommen, wie in der Gesellschaft insgesamt. Auch im Vergleich mit anderen Staaten und deren Verwaltungsapparaten hinken wir hinterher. In der Digitalisierungspolitik müssen wir deshalb sichtbarere Schritte nach vorne gehen!
VdZ: Wie wird sich die Verwaltungsarbeit in den nächsten fünf Jahren verändern?
Haan: Ich glaube, dass wir im Zuge der Veränderungen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst mehr Verantwortung zuteil kommen lassen sollten. Gerade, wenn man gut ausgebildete und motivierte junge Leute ansprechen möchte, muss man ihnen auch eigene Projekte geben. Die neuen Generationen besitzen hier andere Ansprüche als früher. Das gilt auch mit Blick auf die angesprochenen Hierarchien. Organigramme spielen bei jungen Menschen keine große Rolle mehr und verhindern eben auch Innovationen – im Gegensatz zu Transparenz. Ich hoffe, dass mehr Open Data und ein anderer Umgang mit den Informationen der Bevölkerung wie etwa in Estland in den kommenden Jahren auch bei uns dazu führen, dass dem Staat wieder eine positiv-gestalterische Rolle zukommt.
Wir werden es nicht schaffen, die Digitalisierung in unseren Behörden anhand der bestehenden Organigramme voranzutreiben.
VdZ: Wo sehen Sie in der deutschen Verwaltungslandschaft den größten Nachholbedarf? Was ist aktuell die größte Herausforderung?
Haan: Wir werden es nicht schaffen, die Digitalisierung in unseren Behörden anhand der bestehenden Organigramme voranzutreiben. Es braucht einen Mentalitätswechsel! Es bedingt sich: Wir müssen einfach ran an unsere tradierten Strukturen, um die nachwachsenden Talente für den Staat zu gewinnen und um wiederum die Modernisierung mit neuen Ideen umsetzen zu können.