Der Trend geht zum "Sonderseminar"
Qualitätsmanagement der Akademien und Entwicklungen in der Fortbildung
Der Erziehungswissenschaftler Wolfgang Schulenberg hat Kriterien für die Weiterbildung in der Erwachsenenbildung aufgestellt. Demnach muss eine Weiterbildung die Anpassungsfähigkeit an neue gesellschaftliche Entwicklungen gewährleisten sowie die Möglichkeit beherbergen, fachliche Kenntnisse auszubauen und an andere Bildungsbereiche anzuschließen. Die Teilnehmer der Weiterbildung können die Lehrmodule zeitlich und räumlich flexibel absolvieren. Schulenberg sieht die Verantwortlichkeit in der Schwerpunktsetzung beim Lernenden. Eine gute Weiterbildung orientiert sich an der Nachfrage aus Bildung und Arbeitsmarkt und findet dort eine hohe Akzeptanz.
Inzwischen ist das lebenslange Lernen eine unverzichtbare Voraussetzung für die dauerhafte Leistungsfähigkeit des Einzelnen und der Verwaltung insgesamt geworden.
Modernes Fortbildungsangebot in Zeit ständiger Veränderung
Kontinuierlich zu lernen sei schon immer Bestandteil des Berufslebens im öffentlichen Dienst gewesen, erklärt Dr. Udo Heyder von der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV): „Inzwischen ist jedoch das lebenslange Lernen eine unverzichtbare Voraussetzung für die dauerhafte Leistungsfähigkeit des Einzelnen und der Verwaltung insgesamt geworden.“ Aufgrund der zunehmenden Globalisierung wird die deutsche Verwaltungslandschaft immer mehr von europäischen und internationalen Bezügen durchdrungen, so Heyder. Zudem müsse man dem gewandelten Staatsverständnis und den wachsenden Qualitäts- und Serviceansprüchen der Bürger gerecht werden. „Die größten Veränderungen hängen allerdings mit der rasanten Entwicklung der Kommunikations- und Informationstechnik zusammen“, unterstreicht der Lehrgruppenleiter.
Die größten Veränderungen hängen allerdings mit der rasanten Entwicklung der Kommunikations- und Informationstechnik zusammen.
Um die Veränderungsprozesse zu bewerkstelligen, orientiere die BAköV ihr Fortbildungsangebot immer stärker an den Zukunftsstrategien der Behörden. Hier zeigt sich ein Trend: das Sonderseminar. In dieser Form bereitet die Bundesakademie die Lehrinhalte für die speziellen Bedarfe einzelner Behörden auf. Von 2014 auf 2017 sei die Zahl der Sonderseminare um rund 70 % gestiegen.
Soziale und organisatorische Kompetenzen immer relevanter
Der Projektbeirat „Berufliche Bildung im Öffentlichen Dienst“ hat im Januar 2018 Empfehlungen für die Berufsausbildung und –weiterbildung formuliert, um den aktuellen Anforderungen zu entsprechen. Vor allem menschliche Fähigkeiten seien in der Weiterbildung vermehrt zu stärken. Verwaltungsmitarbeiter sollen beispielsweise in Selbstmanagement, kritischer Selbstreflexion, Resilienz sowie Informationsaufnahme und -verarbeitung geschult werden. Die BAköV spricht hier von „Schlüsselkompetenzen“, deren Vermittlung die Bundesakademie innerhalb des gesamten Fortbildungsangebots berücksichtigt.
Es wird zu einem radikalen Wandel der ganzen Verwaltungskultur kommen.
„Der Digitalisierungsprozess hat die Aufgabenbereiche und Arbeitsweisen des öffentlichen Dienstes bereits erheblich verändert und wird dies in viel stärkerem Ausmaß noch weiter tun. Es wird zu einem radikalen Wandel der ganzen Verwaltungskultur kommen“, erklärt Heyder. Die Arbeitsprozesse würden immer stärker durch Informationstechnik geprägt. Um deren ständige Veränderung zu meistern braucht es nicht nur Fachkenntnis, sondern auch organisatorische und soziale Kompetenzen.
Neue Herausforderungen und die Spezialisierung der Fortbildungsangebote zeichnen sich auch in der Anzahl der Seminare ab: „In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die Zahl der Fortbildungsveranstaltungen der BAköV glatt verdoppelt“. Allein von 2014 bis 2017 sei die Anzahl der Seminare um 37 Prozent gestiegen.
Erwerb umfassender Handlungskompetenz
Das Qualitätsziel der Fortbildungsangebote der BAköV sieht Heyder in dem Erwerb einer umfassenden Handlungskompetenz. Diese beinhaltet neben der kognitiven Fähigkeiten die Motivation, Energie, Disziplin, emotionale Einstellung und das praktische Urteilsvermögen im Arbeitsalltag souverän zu agieren. „Wenn das Gelernte daher als Handlungskompetenz ins praktische Verhaltensrepertoire eingehen soll, dürfen die Lernenden keine passive Konsumentenrolle einnehmen, sondern müssen aktiv am Lerngeschehen beteiligt sein.“
Wenn das Gelernte daher als Handlungskompetenz ins praktische Verhaltensrepertoire eingehen soll, dürfen die Lernenden keine passive Konsumentenrolle einnehmen, sondern müssen aktiv am Lerngeschehen beteiligt sein.
Um die Qualität ihrer Fortbildungen zu messen und zu sichern wird jede Veranstaltung eingehend evaluiert. Die Seminarteilnehmer füllen anonym einen Evaluationsbogen aus, welcher die Bewertung der inhaltlichen Konzeption, der didaktischen Gestaltung und der Organisation der Unterrichtseinheiten beinhaltet. „Auch die Dozentinnen und Dozenten bewerten aus ihrer Sicht die Motivation und die Aktivität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, sagt Heyder.
Qualitätsmanagement der BAköV
In einem Abschlussgespräch werden die festgelegten Lernziele der Seminarleitung mit den tatsächlichen Lernerfolgen der Teilnehmenden verglichen und in einem Abschlussbericht festgehalten: „Dieser Bericht durchläuft alle für die Konzeption, die Dozentenauswahl und die Organisation zuständigen Stellen, die je nach Bedarf die erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung treffen.“
Eine erneute Bewertung der Fortbildung wird einige Wochen nach dem Seminar bei den Teilnehmern abgefragt. Da die Zielsetzung der Seminare sich vor allem auf den Transfer des Gelernten in den Berufsalltag bezieht, gehört eine Evaluation der Umsetzungserfahrungen zum Qualitätsmanagement der BAköV.
Bereits bei der Konzeption der Lehrangebote werden verschiedene Qualitätsmaßnahmen vorgenommen. Die Bundesakademie führt vor dem Beginn eines Seminars Erwartungsabfragen bei den Teilnehmenden durch, um das Seminar ggf. zu adaptieren. Die Lernziele der Seminare werden gemeinsam mit den Dozenten erarbeitet. Der Unterricht ist durch die Lehrenden nach Vorgabe möglichst abwechslungsreich zu gestalten, der Einsatz verschiedener Methoden und Medien ist gefordert sowie eine ständige Rückkopplung mit den Seminarteilnehmern.
Fortbildung „Digital Leadership“
Heyder sieht für die Zukunft Führung und Teamarbeit über räumliche Distanz als ein großes Thema, welches innerhalb der Fortbildungen aufgegriffen werden sollte. Das mobile Arbeiten sei ein anwachsender Trend. Diesen hat auch die Führungsakademie Baden-Württemberg erkannt.
Die Führungsakademie ist eine Einrichtung für die Fortbildung von Beamten im höheren Dienst, welche ihre bereits erworbenen fachlichen Kenntnisse durch Schlüsselkompetenzen erweitern können, erklärt Gabriele Fröhlich, Leiterin für Qualifizierung und Projekte.
Alle Beamten des höheren Dienstes in Baden-Württemberg sind dazu verpflichtet, an den Qualifizierungsangeboten der Führungsakademie in Form einer Einführungsqualifizierung bzw. einer Führungskräftequalifizierung zur Referatsleitung teilzunehmen.
Die Seminare befassen sich mit verschiedenen Perspektiven der Führung, dienen der Reflektion des beruflichen Handelns und greifen Themen wie Change-Management, Personal-Management, Kommunikation und Europa. Baden-Württemberg hat sich außerdem konkret dem Thema Bürgerbeteiligung gewidmet, so Fröhlich.
Vor einigen Jahren sind die Themen Diversity und Gesundheit hinzugekommmen. In Zeiten der Telearbeit und E-Akte ist „Digital Leadership“ eines der wichtigsten Themen der Führungsakademie. Im Rahmen der Digitalakademie Baden-Württemberg entwickelt die Führungsakademie dazu neue Fortbildungsangebote.
Austausch der Länder und mit Fortbildungsreferenten
Neben IT-Knowhow wird auch das sektor-übergreifende Arbeiten in Zukunft immer relevanter werden, meint Fröhlich. Um die Qualität ihrer Fortbildungen zu gewährleisten, verfolgt die Akademie ein dreiteiliges Qualitätsmanagement. Neben einem Feedback-System via Evaluationsbögen, wie es bei der BAköV angewendet wird, überprüft ein Gremium der Fortbildungsreferenten inwiefern die Fortbildungen zeitgemäß sind. Alle drei Jahre evaluiert die Führungsakademie gemeinsam ihr gesamtes Fortbildungsprogramm.
Thematisch waren wir damit auch schon öfter zu früh dran.
In regelmäßigen Akademieleitertreffen auf Bundesebene kommt es außerdem zum Austausch zwischen den Ländern. Des Weiteren beobachte die Akademie dauerhaft die Entwicklung und Nachfrage des Marktes: „In Workshops mit Fortbildungsreferenten stecken wir ab ‚Was wird wichtig‘ – thematisch waren wir damit auch schon öfter zu früh dran“, erklärt Fröhlich.
Neue Lehrformate und informelles Lernen
In den letzten 20 Jahren habe sich neben Seminarinhalten auch die Länge der Veranstaltungen verändert. Lange Blockseminare, die sich oft über eine oder mehrere Wochen erstreckten, wurden durch kürzere ein- bis zweitägige Einheiten abgelöst. In Zukunft wird sich die Ausgestaltung der Lehrangebote immer mehr verändern, so Fröhlich. Sie glaubt, dass sich der Lehrtrend hin zu kurzen Workshops bewegt. Auch das eigenständige, „informelle“ Lernen wird immer wichtiger werden. Neben Präsenzveranstaltungen bemüht sich die BAköV deshalb auch um E-Learning-Maßnahmen, welche das Lernen am Arbeitsplatz unterstützen sollen. Aus Heyders Sicht wächst zudem die Bedeutung von Coaching. Softskills wie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit müssten nicht nur gelehrt, sondern auch im Team reflektiert werden. Die Angebote sind in diesem Zuge individueller und in noch stärker Zusammenarbeit mit den Lernenden auszugestalten.