Verwaltungshandeln als Standortfaktor
MdB Ronja Kemmer: „Manche Bedenken müssen zukünftig schneller ausgeräumt oder entschieden werden können, damit wir endlich in die Pötte kommen“
Verwaltung der Zukunft: Gibt es ein Amt, ein Ministerium oder eine andere Behörde, die sie an dieser Stelle einmal richtig loben möchten?
Kemmer: In meinem Wahlkreis ist die Stadt Ulm sehr gut aufgestellt. Mit der Geschäftsstelle Digitale Agenda gibt es dort eine zentrale Ansprechstelle, die die Digitalisierungsprojekte der Stadt mitbegleitet. Da geht es nicht zwangsläufig um Verwaltungsmodernisierung, sondern um einen Prozess, der Ulm zur Zukunftsstadt 2030 macht und darin Verwaltung wie auch Stadtgesellschaft einbindet. Dass Ulm dafür auch erneut Bundesmittel bekommt, zeigt dass es Erfolg hat.
Es ist ein Kulturwandel der öffentlichen Verwaltung, dass das Portal in seiner Betaversion und mit wenigen Dienstleistungen online gegangen ist.
VdZ: Was haben Sie in den vergangenen Jahren in einer Verwaltung vielleicht erlebt, dass Sie geärgert hat und Grund zur Sorge gibt?
Kemmer: In den letzten Jahren hat sich die Sichtweise von Verwaltung auf den Bürger sehr verändert. Meine Gespräche mit Unternehmern zeigen, dass die Effizienz von Verwaltungshandeln ein Standortfaktor bzw. auch ein Wachstumshemmnis für eine Region sein kann. Wenn ich weiß, dass eine Kommune Baugenehmigungen nur mit extremer Zeitverzögerung bescheidet, dann wird der Unternehmer drüber nachdenken, ob er sich dort ansiedelt.
VdZ: Was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an eine „Verwaltung mit Zukunft“ denken?
Kemmer: Verwaltung der Zukunft ist eine Verwaltung, die die vollständige Bürgerorientierung umsetzt. Dienstleistungen werden digital zur Verfügung gestellt und weitestgehend automatisiert bearbeitet. Der Bürger wird seine Lebenszeit nicht mehr mit nervigem Schlange stehen vergeuden.
Der Bürger wird seine Lebenszeit nicht mehr mit nervigem Schlange stehen vergeuden.
VdZ: Wie wird sich die Verwaltungsarbeit in den nächsten fünf Jahren verändern?
Kemmer: Ein wichtiger Baustein ist das Bürgerportal. Es ist ein Kulturwandel der öffentlichen Verwaltung, dass das Portal in seiner Betaversion und mit wenigen Dienstleistungen online gegangen ist. Der klassische Weg wäre gewesen, ewig zu warten, um dann festzustellen, dass man den Termin doch nicht halten kann. Bevor eine Dienstleistung online zur Verfügung gestellt werden kann, muss eben erst der gesamte Prozess digitalisiert werden. Das ist eine enorme Herausforderung für die Länder und Kommunen. Von daher ist es gut, dass wir sukzessive vorgehen und die Verwaltung so insgesamt schneller wird.
VdZ: Wo sehen Sie in der deutschen Verwaltungslandschaft den größten Nachholbedarf?
Kemmer: Die größte Herausforderung ist der Kulturwandel, der die Digitalisierung auch für die Verwaltung bedeutet. Wichtig ist daher ein gutes Change-Management, das alle Mitarbeiter mitnimmt. Mit Blick auf andere Staaten haben wir eher eine schlanke und effiziente Verwaltung. Darauf können wir stolz sein, aber uns auch nicht darauf ausruhen. Manche Bedenken müssen zukünftig schneller ausgeräumt oder entschieden werden können, damit wir endlich „in die Pötte“ kommen.