Erste Ergebnisse des Zukunftspanels Staat und Verwaltung: Prof. Dr. Hammerschmid (Hertie School) im Interview
Die Langzeitstudie "Zukunftspanel Staat und Verwaltung" wurde 2001 von Wegweiser begonnen, damals unter dem Namen Monitoring eGovernment, und erzielt stets hohe Rücklaufquoten. Dieses Jahr wurde auch die Entwicklung einer Zukunftsvision für die Verwaltung erörtert. Prof. Dr. Hammerschmid leitet seit 2013 gemeinsam mit Wegweiser das Panel und hat VdZ zu den ersten Ergebnissen der Befragung geantwortet.
Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid ist Professor für Public and Financial Management an der Hertie School of Governance und wissenschaftlicher Leiter des Instituts für den öffentlichen Sektor. Er baute als Programmdirektor den berufsbegleitenden Executive Master of Public Management der Hertie School auf und war Projektleiter des bisher größten EU-Forschungsprojektes über Verwaltungsreformen in den europäischen Verwaltungen, zudem ist er wissenschaftlicher Leiter des Instituts für den öffentlichen Sektor e.V.
Verwaltung der Zukunft: Wie bewerten aktuell die Führungskräfte in den deutschen Verwaltungen die Performance von Staat & Verwaltung?
Hammerschmid: Die vorläufigen Ergebnisse unseres aktuellen Zukunftpanels Staat und Verwaltung bestätigen eine doch stark kritische, gleichzeitig aber auch unterschiedliche Einschätzung der Führungskräfte. Rund 45 % der befragten Führungskräfte (44,6 %) sehen den Staat in Bezug auf seine Aufgaben und Probleme bereits als überfordert. Und über ein Drittel der Befragten nehmen eine geringere Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes im Vergleich zu den letzten Jahren wahr, während nur etwas über 20 % eine Verbesserung wahrnehmen. Gleichzeitig sehen wir, dass dem auch eine fast gleich große Gruppe Führungskräfte gegenübersteht, die die Performance von Staat und Verwaltung deutlich positiver sehen.
Am kritischsten wird die Performance im Hinblick auf folgende fünf Handlungsfelder gesehen: (1) Bekämpfung von Desinformation und Polarisierung in der Gesellschaft, (2) leistbarer Wohungs- und Immobilienmarkt, (3) digitale Transformation von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, (4) Fachkräftemangel sowie (5) Neuausrichtung des Schul- und Bildungssystems. Für all diese Bereiche sieht eine klare Mehrheit der Befragten nur eine ungenügende Fähigkeit von Staat und Verwaltung, diese erfolgreich und nachhaltig anzugehen.
Besonders hoch ist auch weiterhin die Unzufriedenheit mit dem Fortschritt der Verwaltungsdigitalisierung. Fast 70 % der Befragten erachten den aktuellen Fortschritt bei der Digitalisierung auf Bundes- und Länderebene als nicht ausreichend.
VdZ: Wie bewerten die Führungskräfte den Anstoß zu einer breiteren Debatte für ein „Zielbild Verwaltung 2030?“
Hammerschmid: Die Idee einer breiteren Debatte für ein neues Zielbild für die Verwaltung wird sehr unterschiedlich gesehen. Etwas über ein Drittel (35,6 %) sehen das klar positiv als eine Möglichkeit, der Verwaltung eine strategische Ausrichtung zu geben und grundlegende Verbesserungen anzugehen. 14 % stehen der Idee sehr kritisch gegenüber und betrachten das Zielbild als Zeitverschwendung. Und eine knapp Mehrheit der Befragten finden die Idee insgesamt gut, zweifeln aber an deren Wirksamkeit.
Ganz klar an der Spitze mit einer Zustimmung von über 50 % stehen da eine konsequente Digitalisierung aller Aufgaben des öffentlichen Dienstes sowie eine Aufgabenkritik, um die Verwaltung von Aufgaben zu entlasten.
VdZ: Welche Inhalte sollte ein solches Zielbild aus Sicht der Führungskräfte haben?
Hammerschmid: Auch dazu gibt das Panel Informationen. Zum einen wurde gefragt, welche Veränderungen die Führungskräfte am relevantesten finden, um die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der Verwaltung zu sichern. Ganz klar an der Spitze mit einer Zustimmung von über 50% stehen da eine konsequente Digitalisierung aller Aufgaben des öffentlichen Dienstes sowie eine Aufgabenkritik, um die Verwaltung von Aufgaben zu entlasten. Aber auch Entbürokratisierung und Verringerung der Bürokratielasten für die Unternehmen, eine Reform des Föderalismus, die das Ziel hat, klare Verantwortlichkeiten sicherzustellen, eine Verbesserung der Personalrekrutierung und -einstellung, eine Stärkung der kommunalen Verwaltungsebene sowie Programme zur Stärkung von Investitionen in die öffentliche Infrastruktur sollten ein solches Zielbild aus Sicht der Führungskräfte beinhalten, genauso wie Personalthemen und Dienstrecht. Im Hinblick auf die eigene Behörde sind für die Führungskräfte folgende Handlungsbedarfe prioritär und sollten bei der Entwicklung eines Zielbildes auch mitberücksichtigt werden: demografischer Wandel bei den Beschäftigten, Attraktivität der Verwaltung als Arbeitgeber, budgetärer Druck und Einsparungen, Verwaltungsdigitalisierung (hier vor allem die E-Akte und das Datenmanagement) sowie die Stärkung der IT-Sicherheit.
VdZ: Was ist Ihr ganz persönliches Zielbild für die „Verwaltung 2030“?
Hammerschmid: Für mich geht es vor allem darum, ein Zielbild zu entwickeln, das die Verwaltung auch in Zukunft für junge Menschen attraktiv macht und das Verwaltung nicht nur auf Digitalisierung und Dienstleistung reduziert, sondern die gesamte Breite der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit und die Rolle von Staat und Verwaltung etwa auch als Regulator mitberücksichtigt.