Symbolbild Prozessmanagement

Mit Prozessmanagement fit für die Digitalisierung

Das Deutsche Patent- und Markenamt geht als gutes Beispiel voran

Voraussetzung für elektronische Workflows ist die Umsetzung effizienter Prozesse – wie man damit auch in der öffentlichen Verwaltung erfolgreich sein kann, erklärt Annette Kirchner, Leiterin der Stabsstelle Controlling, KLR, Qualitätsmanagement und Strategisches Geschäftsprozessmanagement beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA).

Deutschland sei „weiter abgerutscht“ und habe im internationalen Vergleich große Defizite, so hieß es kürzlich wieder in einem Bericht des Normenkontrollrats zur Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung. Solche Botschaften werden in den Medien gerne aufgegriffen und prägen die Wahrnehmung vieler Bürger beim so wichtigen Thema E-Government fast ausschließlich. Leider, muss man sagen. Denn so berechtigt manche Kritik am Tempo des mühsamen Modernisierungsprozesses ist, so sehr lässt ein einseitiges Bild das Engagement vieler Behörden außer Acht. Denn es gibt sie, die positiven Beispiele. Keimzelle und gleichzeitig Umschlagplatz des Fortschritts in dem Bereich ist etwa das Expertennetz Prozessmanagement in der öffentlichen Verwaltung, in dem sich Fachleute aller föderalen Ebenen zusammengeschlossen haben, auch um der Digitalisierung den Boden zu bereiten.

Was aber hat Prozessmanagement mit Digitalisierung zu tun?

Für Fachleute ist die Antwort klar, für viele Laien ist der Zusammenhang aber erklärungsbedürftig. Ein gutes Geschäftsprozessmanagement ist die grundlegende Voraussetzung für die Umstellung auf eine elektronische, papierlose Arbeitsweise. Denn nur wer über effiziente Prozesse verfügt, kann sein Handeln auch in elektronische Workflows überführen. Optimierte Geschäftsprozesse sind gewissermaßen die Baupläne für funktionierende IT-Systeme in der Verwaltung. Und sie zeigen auf, wie Schnittstellen nach außen am besten zu gestalten sind. Der lange Weg, um Bürgerbedürfnisse zu erfüllen, aber auch um den neuen gesetzlichen Anforderungen wie dem Onlinezugangsgesetz (OZG) gerecht zu werden, muss also zwingend damit beginnen, internes Verwaltungshandeln zu untersuchen und darauf folgend effiziente Geschäftsprozesse zu modellieren.

Prozessmanagement mithilfe von Prozessplattformen
Prozesse

Prozessmanagement mithilfe von Prozessplattformen

Mehr Agilität für Verwaltungen

Prozessmanagement beim DPMA: langjährige Erfahrungen

Im Expertennetz, in dessen Beirat ich tätig bin, erfahren wir bei jedem Treffen, wie wichtig gegenseitiger Austausch und die Orientierung an Best-Practice-Beispielen sind. Gerade weil wir uns aufwändige Umwege nicht mehr leisten sollten, sind die Erfahrungen anderer Experten so wertvoll. Ich möchte deshalb beschreiben, wie wir im Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) beim Geschäftsprozessmanagement vorgehen.

Vor fast 20 Jahren haben wir beim DPMA begonnen, uns für das Digitalzeitalter aufzustellen. Mit dem Prozessmanagement begannen wir in unserem Kerngeschäft: der Bearbeitung von Schutzrechtsverfahren für Patente und Gebrauchsmuster, später kam das Markenverfahren hinzu. In all diesen Bereichen laufen unsere Verfahren heute, dank optimierter Prozesse, vollständig digital – von der Anmeldung eines Schutzrechts über die Bearbeitung in elektronischen Akten bis hin zum elektronischen Versand digitaler Beschlüsse und Bescheide.

Unsere Prozesse werden anhand einer einheitlichen Methode erhoben, kontinuierlich verbessert und ab 2020 zentral in einem für alle Mitarbeiter zugänglichen Prozessportal veröffentlicht. Nach den Schutzrechtsverfahren kamen und kommen nach und nach weitere Bereiche hinzu. Durch die Prozessmodellierung lernen wir unsere Abläufe noch besser kennen. Und weil wir sie kennen, können wir sie kontinuierlich verbessern. Digitale Dienste entwickeln wir daraus soweit wie möglich universal und verwenden diese in verschiedenen Prozessen. Das Thema hat beim DPMA einen so großen Stellenwert, dass die Amtsleitung das strategische Geschäftsprozessmanagement im vergangen Jahr in einer Stabsstelle direkt der Leitungsebene zugeordnet hat.

Prozessmanagement beim Deutschen Patent- und Markenamt
© DPMA

Zwei Voraussetzungen für den Erfolg

Wie genau sollte man nun dabei vorgehen? Für die Optimierung mit Geschäftsprozessen sind zwei Vorarbeiten notwendig. Erstens: Man braucht die Übersicht über alle Arbeitsprozesse innerhalb der eigenen Organisation. Für eine wirklich tragfähige Lösung sollte man nicht nur einzelne Prozesse oder Prozessschritte betrachten, sondern die Prozesslandschaft im Ganzen mit allen Abhängigkeiten und Schnittstellen. Nur so kann man Medienbrüche, Doppelarbeiten und unterschiedliche Arbeitsweisen erkennen. Eine umfassende Prozessliste oder Prozesslandkarte hilft, den Überblick zu behalten und gibt gleichzeitig Anhaltspunkte zur Vereinheitlichung und Vereinfachung.

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Digitalisierung auf Basis von Geschäftsprozessen ist mehr als nur die Überführung in ein IT-System. Mit digitalen Workflows geht auch eine veränderte Arbeitsweise einher.

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Zweitens: Man sollte ein Ziel formulieren. Entscheidend ist hierbei die Strategie des Amtes. Welche strategischen Ziele werden gesetzt? Wenn klar ist, welches die wichtigsten Ziele sind und welchen Beitrag die einzelnen Prozesse zu ihrer Erreichung liefern, ergibt sich daraus auch die Priorität der Prozesse. Die wichtigsten Prozesse sollten möglichst gut unterstützt werden – zum Beispiel, indem man sie digitalisiert. Abgeleitet aus der Hausstrategie sollten für jeden Arbeitsprozess Ziele gesetzt werden. Die Erreichung der Ziele wird dann anhand von Kennzahlen gemessen.

Digitalisierung auf Basis von Geschäftsprozessen ist mehr als nur die Überführung in ein IT-System. Mit digitalen Workflows geht auch eine veränderte Arbeitsweise einher. So ist es zum Beispiel möglich, dass mehrere Bearbeiter gleichzeitig auf Dokumente einer elektronischen Akte zugreifen. Der daraus folgende Kulturwandel ist eine große Herausforderung. Denn er muss sich auch in den Köpfen der Mitarbeiter vollziehen: weg von der streng funktionalen Sicht- und Arbeitsweise hin zu einer prozessorientierten Betrachtung. Der Blick muss sich über den eigenen, streng abgegrenzten Funktionsbereich hinaus erweitern und die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum Bürger/Kunden erfassen. Das stellt hohe Ansprüche an Mitarbeiter und Führungskräfte. Man lernt aber auch, den Wert der eigenen Arbeit, den Beitrag zum großen Ganzen, besser zu erkennen. Wenn man weiß, wo die eigene Verantwortung zur Erreichung eines Zieles liegt, kann dies motivierend wirken, selbst wenn viel verlangt wird.

Geeignete Beschreibungssprache und Anwendergruppen

Eine weitere Herausforderung ist die Auswahl der geeigneten Beschreibungssprache für Prozesse. Sie muss nicht nur ausreichend formal und trotzdem für jeden Fachbereich les- und nachvollziehbar sein, sondern auch alle notwendigen Informationen beschreiben können (zum Beispiel zu erledigende Arbeitsschritte, ausführende Rollen, genutzte technische Systeme, benötigte Dokumente und Formulare, unterstützte strategische Ziele, Messgrößen). Kurz gesagt: Sie muss leicht verständlich sein, wenig Interpretationsspielraum bieten und gleichzeitig äußerst wortreich sein. Handelsübliche Prozessmanagementwerkzeuge eignen sich dafür meist gut. Sie bieten oft mehrere Modellierungssprachen an. Diese sind im besten Fall unproblematisch – wenn auch nicht ohne Aufwand – ineinander überführbar. Dies ist eben besonders dann von Vorteil, wenn Prozesse digitalisiert werden sollen. Die verwendete Sprache muss dann auch in eine technische Notation überführt werden können. Ist dies ohne allzu viel Aufwand möglich, spart man sich auch später Zeit, wenn digitalisierte Prozesse weiterentwickelt werden müssen – zum Beispiel im Fall von Gesetzesänderungen.

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Was man nie außer Acht lassen sollte, sind die Anwendergruppen.

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Was man nie außer Acht lassen sollte, sind die Anwendergruppen. Prozessmanagementprojekte beginnen oft in einem bestimmten, für einen Piloten geeigneten Bereich. Man sollte aber nicht vergessen, dass sie später in der Regel auch auf andere Bereiche ausgeweitet werden. Um die richtige Sprache zu finden, sollten alle künftigen Anwendergruppen mit bedacht werden. Wir im DPMA haben uns für eine geschäftsorientierte, weniger technische Modellierungssprache entschieden. Unserer Erfahrung nach erleichtert das die Zusammenarbeit gerade mit nichttechnischen Fachbereichen. Mitarbeiter können so viel besser angelernt werden. Außerdem können wir so nicht nur einzelne Prozesse beschreiben, sondern ein Abbild unseres Amtes im Kleinen schaffen. Damit haben wir eine umfassende Sicht auf Abläufe, Organisation, Strategie, Wissensressourcen und IT-Systeme.

Auch beim DPMA in München gibt es noch viel zu tun. Die Bereitschaft, die Herausforderungen der Digitalisierung anzupacken, ist aber groß.
© DPMA

Begonnen haben wir vor einigen Jahren bei unseren Schutzrechtsverfahren. In naher Zukunft sollen neben Patenten, Gebrauchsmustern und Marken auch Designs vollständig elektronisch bearbeitet werden. In unserem Kerngeschäft arbeiten wir dann vollständig digital. So sind wir in der Lage Bürgern, Unternehmen und internationalen Partnern digitale Dienstleistungen zu bieten.

Unsere Geschäftsprozesse erheben und optimieren wir wie erwähnt aber auch in allen anderen Bereichen des Hauses. Wann immer ein Projekt durchgeführt wird, eine Umorganisation stattfindet oder Aufgabenkataloge neu erstellt werden müssen, erheben und optimieren wir auch die dazugehörigen Prozesse. Unsere internen Abläufe werden dadurch für alle transparenter, was die Arbeit für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erleichtert. Zudem wird uns das kontinuierliche und konsequente Prozessmanagement auch bei zukünftigen Digitalisierungsschritten helfen.

Es bleibt viel zu tun. Aber die Ziele sind gesetzt und die Bereitschaft, künftige Herausforderungen anzunehmen, ist zumindest im DPMA groß. Und je mehr Behörden den Weg von Prozessmanagement und Digitalisierung zielgerichtet verfolgen, desto schneller wird sich auch die öffentliche Wahrnehmung in Sachen E-Government wandeln.