Gruppenfoto der KI macht Zukunft
© HMD

KI ist kein Hexenwerk

Wie Prof. Sinemus mit ihrem Bürgerdialog Ängste abbaut und Chancen aufzeigt

Mit dem Bürgerdialog „KI macht Zukunft – Hessen spricht über Künstliche Intelligenz" hat das Team um Prof. Dr. Kristina Sinemus nun bereits zweimal die Bürger*innen in Hessen zusammengebracht, um über die Chancen und Herausforderungen der digitalen Zukunft zu diskutieren. Prof. Sinemus teilt ihre Erkenntnisse und Erfahrungen aus diesen Dialogen, während sie die Bedeutung des direkten Austauschs betont.

Verwaltung der Zukunft: Was hat Sie dazu motiviert, den Bürgerdialog „KI macht Zukunft“ zu starten?

Prof. Dr. Kristina Sinemus ist seit Januar 2019 Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung und stellvertretendes Mitglied des Bundesrates.
© HMD

Prof. Dr. Kristina Sinemus: Künstliche Intelligenz erfährt nicht erst seit ChatGPT große Aufmerksamkeit. KI steckt bereits in vielen Dingen, die wir täglich nutzen. Smartphones, Navis im Auto oder bei uns zu Hause. Wir wollen mit unserer Dialog-Tour den Bürgerinnen und Bürgern die Chancen und den Nutzen von Künstlicher Intelligenz im Alltag aufzeigen. Dies geht am besten im direkten Gespräch und anhand von praktischen Beispielen. Denn Bedenken entstehen meist durch das Unbekannnte, Unbegreifbare. Durch unsere Tour wollen wir KI greifbarer machen. Eine App, die Parkinson-Erkrankten bei der Therapie unterstützt, ein Verkehrswarnsystem, das in Echtzeit vor Kollisionen warnt oder ein „sprechender Kopf“, der unterschiedliche Sprachen beherrscht und selbständig Auskunft zu Fragen gibt. Dies sind nur einige Beispiele zu Anwendungen, die auf Künstliche Intelligenz zurückgreifen – und die alle in Hessen entwickelt wurden.

VdZ: Vor allem der DRK-Roboter „Pepper" schien die Besucher*innen zu begeistern. Warum kam Pepper so gut an?

Prof. Sinemus: „Pepper“ ist ein humanoider Roboter, der darauf programmiert ist, Menschen und deren Mimik und Gestik zu analysieren und auf diese Emotionszustände entsprechend zu reagieren. „Pepper“ kann sprechen, aber auch Spiel- oder Tanzangebote machen. Beim DRK kommt der Roboter in sechs Seniorenzentren in und um Fulda zum Einsatz und unterstützt die Betreuungskräfte bei der Beschäftigung. Und was bei den Seniorinnen und Senioren gut ankommt, kam bei unserer Dialog-Tour auch gut an, besonders bei den Kindern, die ihm die Hand geschüttelt haben oder ein Spiel mit ihm gespielt haben. Sicherlich ist es für die meisten der Besucherinnen und Besucher – egal welchen Alters – auch eine Premiere, mit einem humanoiden Roboter zu interagieren. Etwas, das man sonst nur aus den Medien kennt, gibt es hier plötzlich live vor Ort. Das ist etwas Besonderes.

Das Team von "KI macht Zukunft" mit Pepper, dem beliebten DRK-Roboter.
© HMD

VdZ: Welche unerwarteten Fragen oder Erkenntnisse gab es im Dialog auch für Sie persönlich? Was haben Sie mitgenommen?

Prof. Sinemus: Wir stellen immer wieder fest, dass es oft an genauen Kenntnissen mangelt, also kaum Vorwissen vorhanden ist. Im Gespräch oder gerade anhand von den gezeigten Exponaten bei unserer Dialog-Tour gibt es dann oftmals Aha-Effekte. Da wird aus der vermeintlich theoretischen KI auf einmal gelebte Praxis und viele stellen fest, dass sie im Alltag bereits mehr Berührungspunkte mit KI haben als sie dachten. Und dass es kein Hexenwerk ist, sondern sogar für jeden Einzelnen durchaus nützlich sein kann.

VdZ: Oftmals gibt es eine gewisse Vorsicht bei der Nutzung von KI aufgrund von verschiedenen Ängsten, wie Datenschutz oder mögliche Fehler. Welche Unterstützung wünschen sich die Bürger*innen dabei konkret? Was ist Ihre Erfahrung, wie Bedenken am effektivsten ausgeräumt werden können?

Prof. Sinemus und der „sprechende Kopf“ Furhat, eine KI zur kommunikativen Interaktion, inklusive modischer Kopfbedeckung.
© HMD

Prof. Sinemus: Die beobachtete Zurückhaltung wird auch durch Umfragen bestätigt. Beispielsweise sahen in einer Umfrage für die Deutsche Presse-Agentur jüngst 30 Prozent für sie persönlich mehr Risiken als Chancen in Künstlicher Intelligenz. 39 Prozent waren unentschieden oder gaben an, die Frage mangels klarere Vorstellung von KI nicht beurteilen zu können. Je jünger die Befragten, desto eher hatten sie selbst KI schon einmal ausprobiert. Hier waren es mehr als 50 Prozent, in der Gesamtgruppe nur 36 Prozent. Diese Zahlen und unsere Erfahrungen zeigen, dass wir informieren und bürgernahe Beispiele aufzeigen müssen. Denn wer – wie zuvor erwähnt – sieht, dass KI kein Hexenwerk ist und diese nicht so fern vom täglichen Leben ist, wie viele glauben, bekommt mehr Verständnis dafür. Das ist auch ein Grund, warum wir unsere Dialog-Tour initiiert haben. Wir wollen direkt mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen und Beispiele aufzeigen. Dann kann man am besten Fragen beantworten, Hintergründe erläutern und oftmals auch Bedenken ausräumen.

Wir haben bei unseren ersten beiden Stationen der Dialog-Tour mitgenommen, dass KI fasziniert, es aber auch Bedenken gibt, ob sie menschliche Arbeit oder Interaktion irgendwann in Zukunft ersetzen wird. Wenn aber die Menschen sehen, welchen Nutzen KI gerade in Zusammenarbeit mit den Menschen hat, sind sie oftmals begeistert. Ein Beispiel ist eine Familie, die von ihrer Oma erzählte, die sich sicher so einen Roboter oder auch KI-gestützte Assistenzsysteme, die der Sicherheit und Sturzprävention dienen, wünschen würde. Oder eine andere Besucherin, die mögliche Anwendungsmöglichkeiten der flexiblen Sprachausgabe zum Beispiel für ankommende Flüchtlinge ansprach.

VdZ: Wie werden Sie nun die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Dialog weiterverarbeiten? Werden Sie regelmäßig solche Dialoge veranstalten?

Prof. Sinemus: Wir hatten jetzt zwei Stationen mit unserer KI-Tour, in Hanau und in Gießen. Aufgrund der äußerst positiven Resonanz sind wir an der Planung von weiteren Orten. Die Termine werden wir rechtzeitig auf unserer Homepage digitales.hessen.de sowie auf unseren Social Media-Kanälen bekannt geben. Darüber hinaus fließen die Erkenntnisse, Rückmeldungen und Wünsche in unsere tägliche Arbeit auf unterschiedliche Weise ein.

VdZ: Zusatzfrage: Das hessische Digitalministerium bietet außerdem einen Digitalcheck an, bei dem die eigenen digitalen Kompetenzen eingeschätzt und in einem Wissensquiz abgefragt werden können. Welche Ziele werden mit diesem Check verfolgt?

Prof. Sinemus: Digitalisierung findet inzwischen in sämtlichen Lebensbereichen statt. Dies bringt die Notwendigkeit mit sich, sich mit Computern, Internet, Videokonferenz-Tools oder Soft- und Hardware auseinanderzusetzen. Dies bedeutet, dass die digitalen Kompetenzen immer wichtiger werden. Damit alle Menschen von den Chancen der Digitalisierung profitieren können, wollen wir die Kompetenzen gezielt stärken. Mit dem Digitalcheck, der online unter www.wie-digital-bin-ich.de abgerufen werden kann, bieten wir einen kostenlosen und niedrigschwelligen Test an. Im ersten Teil geht es um die Selbsteinschätzung, im zweiten Teil um Wissen. Direkt nach dem Test gibt es dann Hinweise auf hessische Weiterbildungsangebote.