Von Conversational zu Agentic AI: Der Schlüssel zu einem modernen Bürgerservice
Wie die Verwaltung der Zukunft bürgerfreundlich und effizient gestaltet wird
Trotz zahlreicher Digitalisierungsinitiativen kämpfen Verwaltungen weiterhin mit komplexen Prozessen, langen Bearbeitungszeiten und mangelnder Erreichbarkeit. Der Fachkräftemangel verschärft das Problem zusätzlich. Bis 2032 geht ein Viertel der Beschäftigten in den Ruhestand, und viele offene Stellen bleiben unbesetzt. In dieser Situation sind innovative Lösungen gefragt.
Conversational AI: Der neue Standard im Bürgerservice
Während die Privatwirtschaft bereits seit Jahren auf Künstliche Intelligenz setzt, um den Kundenservice zu automatisieren, Prozesse zu beschleunigen und Kunden individuell zu betreuen, steht die öffentliche Verwaltung noch am Anfang dieser Entwicklung. Dabei bietet gerade KI das Potenzial, Verwaltungsstrukturen spürbar zu entlasten und den Bürgerservice grundlegend zu verbessern und zugänglicher zu machen.
💻 Digitale Dialoge neu gedacht:
Ein erster Schritt in Richtung KI-gestützter Bürgerservice sind regelbasierte Chat- oder Voicebots, auch als Conversational AI bekannt. Sie ermöglichen es, menschenähnliche Unterhaltungen zu automatisieren. Chatbots können die Bürger*innen in unterschiedlichen Sprachen bei einfachen Anfragen unterstützen, unabhängig von Öffnungszeiten und barrierefrei. Gerade mit Blick auf das Onlinezugangsgesetz (OZG), das eine flächendeckende Digitalisierung von Verwaltungsleistungen fordert, bieten solche KI-gestützten Abläufe einen echten Mehrwert – sie automatisieren komplexe Prozesse, verkürzen Bearbeitungszeiten und entlasten Fachkräfte. Ein Beispiel für den Einsatz von Chatbots in der Verwaltung ist der Wuebot der Stadt Würzburg, der als digitaler Empfang fungiert.
Damit ist aber das Potenzial der KI aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Bei komplexen oder mehrstufigen Vorgängen stoßen diese an ihre Grenzen. Hier kommt Agentic AI ins Spiel, die nächste Stufe der Automatisierung.
Agentic AI: Mehr als ein smarter Chatbot
Agentic AI beschreibt KI-Systeme, die eigenständig Aufgaben priorisieren, Informationen einholen, lernen und eigenständig ganze Abläufe übernehmen. Im Gegensatz zu reaktiver Conversational AI agiert Agentic AI also aktiv. Typische Einsatzbereiche sind die Vergabe von Terminen und die Bearbeitung von Anträgen, aber auch komplexere Multi-Step-Prozesse bei denen sie Dokumente anfordert, Abläufe koordiniert und Entscheidungen vorbereitet.
Konkrete Anwendungsszenarien von KI-Agenten im Bürgerservice
Je nach Komplexität der Aufgabe kommen zukünftig verschiedene Typen von KI-Agenten zum Einsatz:
Funktionale Agenten übernehmen klar definierte, regelbasierte Tätigkeiten zuverlässig und ohne menschliches Zutun. Dazu zählen die bereits erwähnten Chatbots oder virtuelle Assistenzen, die Bürgeranfragen beantworten, Termine buchen oder Formulare ausfüllen. Die Stadt Gelsenkirchen hat in diesem Bereich bereits ein vielversprechendes Pilotprojekt gestartet, das beispielhaft für den künftigen Bürgerservice in einer 270.000-Einwohner-Stadt steht. Doch das ist erst der Anfang: Perspektivisch eröffnen sich zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten.
Kollaborierende Agenten bieten Bürger*innen personalisierte Unterstützung, indem sie auf Echtzeitdaten zugreifen und individuelle, kontextbezogene Antworten liefern. So sind sie in der Lage, Probleme frühzeitig zu erkennen und passende Lösungen vorzuschlagen – etwa bei komplexen Anträgen wie Sozialleistungen oder bei fehlenden Unterlagen.
Orchestrierende Agenten koordinieren mehrstufige Prozesse, integrieren Fachverfahren und binden bei Bedarf gezielt menschliche Unterstützung ein. In E-Government-Plattformen übernehmen sie zentrale Aufgaben – etwa die Bearbeitung von Steuererklärungen, Fördermittelanträgen oder Wählerregistrierungen – und beschleunigen Verwaltungsprozesse spürbar. Insbesondere mit Blick auf das Onlinezugangsgesetz (OZG) leisten solche Agenten einen relevanten Beitrag zur flächendeckenden digitalen Bereitstellung von Verwaltungsleistungen.
Als nächsten Entwicklungsschritt optimieren automatisierende Agenten ganze interne Verwaltungsprozesse. Dabei analysieren sie eingehende Anliegen, priorisieren diese nach Dringlichkeit und Komplexität und schaffen so Freiräume für Mitarbeitende, um sich auf anspruchsvollere Aufgaben zu konzentrieren. Auch im Ressourcenmanagement übernehmen sie perspektivisch eine zentrale Rolle – etwa bei der Überwachung von Beständen, der Terminplanung oder der Einhaltung gesetzlicher Fristen. Ziel ist es, Ressourcen effizienter zu nutzen und eine moderne Verwaltung, die schneller, nutzerfreundlicher und resilienter agieren kann.
Chancen und Herausforderungen: Ethische und gesetzliche Hürden
Trotz der offensichtlichen Vorteile gibt es auch Herausforderungen. Es stellen sich Fragen zu fehlerhaften Entscheidungen und Haftungsfragen: Was passiert, wenn eine KI eine falsche Entscheidung trifft, und wer trägt die Verantwortung? Datenschutz und Sicherheit sind ebenfalls kritische Aspekte. Verwaltungen verarbeiten oft sensible Bürgerdaten. Daher müssen KI-Systeme höchste Sicherheitsstandards erfüllen und DSGVO-konform arbeiten. Auch die Akzeptanz bei Mitarbeitenden und Bürger*innen ist ein wichtiger Faktor: Sie könnten eine zu starke Automatisierung als „kalte Bürokratie“ wahrnehmen. Daher sollten Verwaltungen Wege finden, ihre Angestellten und Bürger*innen aktiv in den Wandel einzubeziehen. Darüber hinaus spielen rechtliche und ethische Fragen eine wichtige Rolle. Der EU AI Act wirft die Frage auf, welche Vorgaben Kommunen für den Einsatz von Agentic AI in öffentlichen Institutionen beachten müssen.
Behörden müssen ihre Prozesse transparent gestalten, um die Nachvollziehbarkeit von KI-Entscheidungen zu gewährleisten. Schließlich müssen Kommunen sorgfältig abwägen, in welchen Bereichen der Mensch weiterhin die finale Entscheidungsgewalt behalten sollte. Diese Balance zwischen Automatisierung und menschlichem Urteil ist eine der größten Herausforderungen bei der Integration von KI in den Bürgerservice.
Integration in bestehende Systeme: Der Weg zur KI-gestützten Verwaltung
Um Agentic AI erfolgreich in bestehende Systeme zu integrieren, sollten Behörden mehrere wichtige Schritte beachten. Zunächst gilt es, eine solide Datengrundlage zu schaffen, indem Verwaltungen ihre Daten strukturieren und für KI-Systeme nutzbar machen. Vor der KI-Integration sollten Behörden ihre Abläufe analysieren und optimieren. Die direkte Anbindung an Fachverfahren durch offene APIs und Interoperabilität ist entscheidend für eine nahtlose Integration.
Dabei sollten sie auf souveräne KI setzen, bei der die verarbeiteten Daten im Eigentum der Behörde bleiben, die diese kontrolliert und speichert. Um sich vor Cyberbedrohungen zu schützen, müssen sie umfassende Sicherheitsvorkehrungen treffen. Außerdem sollten sie ein durchdachtes Change-Management-Konzept mit Schulungen und klarer Kommunikation entwickeln, um die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden zu fördern. Auch Bürger*innen müssen in den Prozess einbezogen werden. Denn laut dem aktuellen Trendmonitor Deutschland sind 56 Prozent der Verbraucher*innen noch skeptisch gegenüber Chatbots und 51 Prozent wünschen sich eine unkomplizierte Übergabe an menschliche Mitarbeitende.
Umdenken statt blinder Automatisierung
Agentic AI adressiert viele Herausforderungen der öffentlichen Verwaltung – vorausgesetzt, Behörden setzen sie durchdacht und strategisch ein. Deshalb lautet die Devise: KI übernimmt Routinetätigkeiten, während der Mensch komplexe Anliegen löst – ein Zusammenspiel, das den Bürgerservice der Zukunft prägen wird. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine kluge Integration, klare gesetzliche Rahmenbedingungen und ein Umdenken in der Verwaltungsstruktur, statt blinder Automatisierung.
Mit diesem ganzheitlichen Ansatz kann Agentic AI den Weg zu einer effizienteren, bürgerfreundlicheren und zukunftsfähigen Verwaltung ebnen – zum Nutzen aller Beteiligten.