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Register modernisieren? Verwaltung digitalisieren!

Ein Kommentar des AKDB-Vorstandsvorsitzenden Rudolf Schleyer

Die Digitalisierung der Verwaltung ist ein politisches Top-Thema. Milliarden fließen in Megaprojekte wie das OZG oder die Registermodernisierung. Aber anstatt Prozesse grundsätzlich digital zu denken, werden einfach analoge Abläufe digitalisiert. Beim OZG haben wir gesehen, wohin das führt. Bei der anstehenden Registermodernisierung müssen wir daraus lernen und Neues wagen – auch wenn das heißt, erstmal klein anzufangen.

Was ist Digitalisierung? Bei der Verwaltung bedeutet Digitalisierung das Ersetzen von Post und Papier. Klingt harmlos, ist es aber nicht. In der Papierzeit haben Sie als Bürgerin oder Bürger der Verwaltung problemlos auf Papier geschrieben. Papier ist ein universeller Datenträger, der von freundlichen bis fröhlichen Worten alles trägt und über alle Fachlichkeiten hinweg funktioniert, von der Geburt über Auto und Bauantrag bis hin zum Sterbefall. Dieser Datenträger kann seit Jahrtausenden überall gelesen und verarbeitet werden.

Welche Stolpersteine sich beim Ersetzen von Papier ergeben, haben wir alle vor Augen. Auch im privaten Bereich ist der Schritt in die Papierlosigkeit schwierig, weil wir bisher kein digitales Papier haben, das in allen Lebensbereichen genutzt werden könnte. Die bisherige Lösung sind vielfach Bilder von Dokumenten als Datei: das ist zwar ohne Papier, aber noch lange nicht digital. Wenn wir also in die Digitalzeit eintreten, sollten wir ohne Funktionsverlust das Papier digital ersetzen. Hierfür bietet sich für die Verwaltung ein universeller Datenstandard an, der schlank und von allen les- und schreibbar funktioniert. Ebenso brauchen wir zum Transport des Papiers die Post, die in Briefen Papier mit allen erdenklichen Inhalten sicher und sogar datenschutzkonform transportiert. Diese Transportlogistik ist für jeden Bürger und jede Behörde untereinander und in allen Kombinationen einfach nutzbar. Lediglich Papier, Stift und ein Umschlag sind erforderlich.

Rudolf Schleyer
Vorstandsvorsitzender, AKDB

Die Anforderungen an die Infrastruktur digitaler Verwaltung sind damit beschrieben. Leider sind sie aber bisher nicht umgesetzt, obwohl die öffentliche Hand allein in Deutschland mehrere Milliarden für Digitalisierung ausgegeben hat. Warum ist das so und wie lässt sich das ändern?

Ein gutes Beispiel ist die Registermodernisierung. Für ein erstrebenswertes Ziel, nämlich zunächst die einfache Beantragung von sehr häufigen Verwaltungsleistungen, sollen digitale Voraussetzungen für den Bürger geschaffen werden, so ist das in der Single-Digital-Gateway-Verordnung der EU festgehalten. In Deutschland haben wir deshalb den Zielgedanken, dass Bürgerinnen und Bürger vom Sofa aus digital Verwaltungsleistungen einschließlich der erforderlichen Nachweise beantragen können, in ein Big Picture gekleidet: Alle Register sollen so miteinander verknüpft werden, dass digital alles geht. Das Ergebnis ist ein komplexes Großprojekt mit fehlendem Verantwortlichen, dafür viele Milliarden teuer. Es heißt Registermodernisierung. Sie stellt die Register ins Zentrum. Daraus resultiert sofort ein hohes Maß an Abstraktheit und Komplexität. Zudem ist damit verbunden, dass aktuelle Verwaltungspraxis – auch dort, wo sie so nicht erforderlich wäre – beibehalten wird. Das Argument der Registermodernisierer lautet: Das Projekt ist so groß, dass einzelne Fachprozesse erst einmal nicht geändert werden können. Deshalb ist der derzeitige Plan der Registermodernisierung, dass alle bestehenden Prozesse, so wie sie sind, elektrifiziert werden. Sie fühlen sich bei der Analyse an ein anderes Großprojekt erinnert, das den Namen Onlinezugangsgesetz trägt und das bis Ende des Jahres 2022 abgeschlossen werden sollte? Das ist leider kein Zufall. In diesem Zusammenhang wird ein weiteres Problem der bisherigen Digitalisierungsbemühungen sichtbar: Heute treten neben die analogen Verwaltungsprozesse die Online-Prozesse, wodurch sich eine Verdopplung des Aufwands ergibt. Im Rahmen der derzeit geplanten Registermodernisierung wurde schon eine gewaltige Apparatur ersonnen, die alle Register miteinander verbinden soll. So wird der durch das OZG verdoppelte Aufwand mutmaßlich quadriert, und zwar für lange Zeit.

Was also tun? – Zurück zum Start und klein beginnen, groß denken und auf vorhandenen echt digitalen Ansätzen aufbauen! Wenn wir wissen, dass wir generell und universell Papier und Post ersetzen müssen, können wir die etwa 20 Prozesse aus der SDG-Verordnung echt digital umsetzen und dabei einen ersten Versuch unternehmen, dort Papier und Post zu ersetzen. Wir werden nach der echt digitalen Umsetzung dieser wenigen Prozesse wahrscheinlich auf der Suche nach digitaler Post und digitalem Papier viel schlauer sein als heute. Parallel dazu können wir eine Inventur unserer digitalen Infrastruktur machen. Dabei können wir feststellen, dass jede Bürgerin und jeder Bürger mit dem Personalausweis einen Schlüssel zur BundID in der Tasche hat. Das daran geknüpfte Postfach stellt einen Schatz dar, über den Bürger und Behörden sicher, zuverlässig und einfach kommunizieren können. Damit haben wir einige Funktionalitäten digitaler Post, die wir auch für digitale Verwaltung (bisher Registermodernisierung) brauchen. Weiterhin verfügen viele Behörden untereinander über eine fachspezifische digitale Kommunikation, die sich täglich millionenfach bewährt. Hier können wir bei den ersten Leistungen der SDG-Verordnung noch bis zum Ende dieses Jahres eine Umsetzung erreichen, wenn wir es klug anfangen. Ein weiteres Element für eine gelingende Verwaltungsdigitalisierung könnte darin bestehen, die im Melderegister ohnehin gespiegelten zahlreichen Informationen als Grundlage künftigen digitalen Verwaltungshandelns zu machen. Diese Register enthalten schon jetzt alle Grundinformationen für viele Verwaltungsprozesse, sind dezentral und damit resilient organisiert und auf Länderebene gespiegelt in Echtzeit zugänglich. Der Bürger könnte dabei – wie heute in Papier – der Verfügungsberechtigte über die Informationen sein, indem er die digitalen Informationen in einem gesonderten Bereich seines Speicherplatzes der BundID liegen hat und sie von dort aus einsetzen kann. Erfolgreich ist Digitalisierung nur dann, wenn es nachher einfacher und besser ist. Deshalb sollten wir das Blatt Registermodernisierung, bei dem wir uns verzettelt haben, aus dem Block reißen. Auf dem nächsten Blatt digitalisieren wir einige Leistungen richtig und arbeiten parallel an digitaler Post und digitalem Papier.