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Vom Aktenschrank zur digitalen Aktenführung

Die Stadt Aachen setzt mit dem Großprojekt »egov multidigital« den Grundstein für eine ganzheitliche und prozessorientierte Digitalisierung der Stadtverwaltung.

Was macht eine moderne Stadtverwaltung aus? Diese Frage beschäftigt so ziemlich alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Die Antwort ist simpel: Sie ist digital. Doch der Umstieg von analogen auf digitale Workflows ist nicht so einfach – neben der Digitalisierung von Papierpost sowie der elektronischen Vorgangsbearbeitung und Aktenführung müssen auch Faktoren wie Datenschutz, IT-Sicherheit und Rechtsnormen berücksichtigt werden. Die Stadt Aachen hat mit dem Großprojekt »egov multidigital« den Grundstein für eine ganzheitliche Digitalisierung der Stadtverwaltung gelegt und damit die Basis für eine zeitgemäße und zukunftsfähige Arbeitsweise ihrer Mitarbeitenden geschaffen.

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Weltoffenheit ist in der Stadt Aachen eine Selbstverständlichkeit. In der Nachbarschaft zu Belgien und den Niederlanden leben mehr als 250.000 »Öcher« alltäglich grenzüberschreitend. Wechselweise in einem der drei Länder zu arbeiten, zu wohnen, einzukaufen oder die Freizeit zu verbringen, das ist hier Alltag. Aachen ist ein Zukunftslabor. 60.000 Studierende aus aller Welt prägen das Bild der Stadt. Die Hochschulen stehen für technologische Innovation und gesellschaftlichen Fortschritt. Mit dem RWTH Aachen Campus entsteht zurzeit eine der größten Forschungslandschaften Europas. Auch für die Stadt Aachen ist Innovation eines der großen Themen. Folgerichtig ist sie eine von fünf Modellkommunen für Digitalisierung des Landes NRW. Die Maßnahmen reichen vom komfortablen Serviceportal für städtische Dienstleistungen über den Breitbandausbau bis zu neuen Mobilitätskonzepten.


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Ins Leben gerufen wurde »egov multidigital« im September 2019 als Digitalisierungsprojekt des Förderprogramms »Digitale Modellregionen Nordrhein-Westfalen« der Landesregierung. Heute steht das Projekt, das als Best Practice für andere Kommunen dienen kann, kurz vor dem Abschluss. Umgesetzt wurde es in den zwei Pilotfachbereichen »Personal, Organisation, E-Government und IT« sowie »Umwelt und Klima«. »Unser Ziel war es, durch die Einführung digitaler und vor allem medienbruchfreier Workflows und die damit verbundene Reduzierung von Papier und Lagerfläche für Aktenbestände eine effiziente und nachhaltige Arbeitsweise zu etablieren«, erläutert Norbert Dödtmann, Projektleiter und Leiter des Informations- und Kommunikationsmanagements bei der Stadt Aachen.

Anlass für den Projektstart war neben der geforderten Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ein bevorstehender Umzug der Stadtverwaltung und der damit verbundene Wunsch, die Papieraktenbestände durch eine digitale Lösung zu reduzieren. »Dabei war es uns wichtig, Voraussetzungen zu schaffen, um die Arbeitsprozesse im Zuge der Digitalisierung durch technische Standards und Schnittstellen zu Fachverfahren zu optimieren und somit auch zu beschleunigen«, erklärt Dödtmann. Neben der technischen Umsetzung bildeten die Projektorganisation sowie die interne Kommunikation wesentliche Schwerpunkte. Teammeetings, ein virtueller Projektraum und umfassende Projektdokumentationen unterstützten dabei, ein zentrales Wissensmanagement für das Projekt aufzubauen und Sachstände regelmäßig auszutauschen.

KDN Projektgrafik egov multidigital
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»egov multidigital« gliedert sich in mehrere Teilprojekte: Die Einführung eines zentralen Posteingangs inklusive Scanstation, die Einrichtung eines Dokumentenmanagementsystems inklusive eines eigenen Berechtigungsworkflows für personelle und organisatorische Veränderungen, die Etablierung eines Personalratsmanagementsystems sowie die Umsetzung eines SAP Organisationsmanagements und der Aufbau einer SAP Office Integration. Bei der Auswahl der einzuführenden Produkte hat das Projektteam auf bewährte Grundlagen aus der Aachener Systemwelt zurückgegriffen, die etwa schon im Steuerbereich oder im städtischen Ratsinformationssystem im Einsatz sind. Technisch unterstützt wurde die Stadt Aachen von ihrem kommunalen IT-Dienstleister, der regio iT GmbH.

Das Herzstück des Projektes ist das Dokumentenmanagementsystem (DMS), das als zentral strukturierte und revisionssichere Ablage von Dokumenten fungiert. »Was früher der Aktenschrank war, ist heute das DMS. Es ist fest im Arbeitsalltag der Mitarbeitenden in den Pilotbereichen verankert und ermöglicht ihnen einen digitalen Zugriff auf ihre Arbeitsinhalte – auch aus dem Homeoffice heraus« erklärt Karl Krumbach, Leiter des DMS-Dienstes. So ist es zum Beispiel möglich, auf die zentral digitalisierte Post zuzugreifen, digital Vorgänge zu bearbeiten und Akten zu führen oder Umlaufmappen zu organisieren. Durch Schnittstellen zu Fachverfahren wie eRechnung, zum Mitarbeiterportal und zur Mailsoftware ist es möglich, Arbeitsabläufe innerhalb des Systems zu vereinfachen. Auch die Zusammenarbeit zwischen Fachbereichen wird zukünftig deutlich verbessert.

Die DMS-Einführung in den beiden Pilotbereichen für rund 270 User:innen wurde im Mai/Juni 2022 abgeschlossen. Nun wird das Basissystem, das anschließend um die jeweiligen fachlichen Anforderungen ergänzt wird, auf die gesamte Stadtverwaltung ausgerollt. Ziel ist, in diesem Jahr noch vier weitere Fachbereiche anzuschließen. »Der schrittweise Rollout auf einzelne Fachbereiche bietet mehrere Vorteile: Er schont Kapazitäten, ermöglicht eine intensive Beschäftigung mit den jeweiligen fachlichen Anforderungen und schafft Akzeptanz bei den Mitarbeitenden«, so Krumbach. Indirekt profitieren zukünftig auch Aachener Bürger:innen vom DMS-Rollout, da die notwendigen Dokumente für Services digital vorliegen.

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Der KDN – Dachverband kommunaler IT-Dienstleister fördert die Zusammenarbeit seiner Mitglieder, die zusammen rund 18 Millionen Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen versorgen. Bei der Verwaltungsdigitalisierung ist der KDN Partner der Kommunen, ihrer IT-Dienstleister und des Landes, indem er innovative Digitalisierungsprojekte mitgestaltet und dabei die Entwicklung und Bereitstellung von nachhaltigen IT-Lösungen vorantreibt. In seinen Medien informiert der KDN regelmäßig über Neuigkeiten rund um den kommunalen, digitalen Wandel in NRW.


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Das elektronische Personalratsmanagementsystem (EPRM) ist bereits seit September 2021 in der gesamten Stadtverwaltung und in den Eigenbetrieben eingeführt. Damit ist es möglich, Geschäftsprozesse digital sowie übersichtlich und intuitiv abzuwickeln – etwa die Erstellung und Verteilung von Vorlagen und Tagesordnungen oder die Vor- und Nachbereitungen von Sitzungen. Die Kommunikation zwischen der Dienststelle und dem Dienststellenpersonalrat wird dadurch vereinfacht und beschleunigt, da Wegezeiten bei Unterschriftserfordernissen wegfallen und durch die Sichtbarkeit der Bearbeitungsstände mehr Transparenz hergestellt wird. »Ein Jahr Praxiserfahrung hat gezeigt, dass das neue System von den Mitarbeitenden im Personalbereich und von den Personalräten sehr gut angenommen wurde und es regelmäßig im Arbeitsalltag genutzt wird«, zieht Katja Johnen, Leitung EPRM, ein positives Fazit.

Bereits im Jahr 2022 wurden ca. 2.900 Vorlagen erstellt und 136 Sitzungen organisiert. Um den Nutzungskomfort und die Effizienz in den papierlosen Sitzungen zu steigern, wurden allen Personalratsmitgliedern zudem mobile Endgeräte für die Dauer ihrer Wahl bereitgestellt.

Blaupausen für Kommunen

Doch mit dem Großprojekt gingen auch einige Herausforderungen einher. Diese reichten von organisatorischen Fragestellungen wie der Einrichtung von Berechtigungen oder der Analyse von Anforderungen bis hin zur technischen Anbindung von Fachverfahren. Da das Projekt neben dem Tagesgeschäft umgesetzt wurde, waren auch Ressourcen wie Personal und Zeit teilweise knapp und Auslastungen hoch. »Umso wichtiger war die Aufgabe im Bereich der Projektsteuerung, jederzeit die Fäden zusammenzubringen«, resümiert Norbert Dödtmann. Die Mitarbeitenden der Fachabteilungen wurden von Anfang an in das Projekt einbezogen, etwa bei der Erstellung der Anforderungsprofile oder bei Softwaretests. Wichtige Informationen wurden zudem in Workshops, Schulungen und Erklärvideos vermittelt, die dauerhaft im Mitarbeiterportal verfügbar sind.

Die Stadt Aachen unterstützt auch andere Kommunen beim digitalen Wandel, indem sie organisatorische Hilfsmittel aus dem Projekt »egov multidigital« als Blaupausen bereitstellt. Dazu zählen Konzepte, Anforderungsprofile, Pflichtenhefte und Handbücher.

Zur Autorin

Lisa Flieger arbeitet seit Januar 2020 als Beraterin für Kommunikation und Marketing im Kompetenzzentrum Digitalisierung des KDN und betreut in dieser Funktion die Öffentlichkeitsarbeit des Dachverbandes. Sie hat mehrjährige Erfahrung im journalistischen Arbeiten und ist auf die Bereiche Kultur und Digitalisierung spezialisiert. Ihr Presse-Volontariat hat sie im Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn absolviert.