Holzbau wächst auf 24 Prozent – enormes Potenzial für die öffentliche Beschaffung
Dr. Denny Ohnesorge über Chancen beim öffentlichen Holzbau, Holzverfügbarkeit, Preismythen und Vergabe
Impulse liefert die Arbeitsgruppe „Bauen mit Holz in Stadt und Land“ der Charta für Holz 2.0 – einem Dialogprozess des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH). In der AG engagieren sich Fachleute aus Holzbaupraxis, Holzwirtschaft, Architektenschaft, Wissenschaft, Behörden und Forstwirtschaft, mit dem Ziel, Hemmnisse abzubauen und Know-how zu bündeln. Zwei neue FNR-Handreichungen zur Holzbauvergabe wurden auf Initiative der AG entwickelt und bei der Beschaffungskonferenz am 22. September 2025 in Berlin erstmals vorgestellt.
Am Rande der Konferenz sprach Ute Papenfuß (FNR) mit Dr. Denny Ohnesorge – Geschäftsführer des Deutschen Holzwirtschaftsrates (DHWR) und Vorsitzender der AG Bauen in Stadt und Land der Charta für Holz 2.0 – über Materialverfügbarkeit, Preismythen und die Bedeutung einer praxisnahen Vergabestrategie.
Ute Papenfuß: Herr Dr. Ohnesorge, warum sollten sich öffentliche Auftraggeber gerade jetzt mit dem Bauen mit Holz befassen?
Dr. Denny Ohnesorge: Die öffentliche Hand sollte sich schon lange intensiver mit dem Holzbau beschäftigen – nicht zuletzt wegen der seit Jahrzehnten bestehenden Klimaziele. Gerade im Gebäudesektor brauchen wir klimafreundlichere Bauweisen. Holzbau ist hier ein Schlüssel – er verbindet hohe CO₂-Einsparpotenziale mit schneller, präziser Bauweise.
Hinzu kommt: Es gibt einen enormen Bedarf, insbesondere bei Schulen, Kitas oder Verwaltungsgebäuden. Holzbau – vor allem serieller, vorgefertigter Holzbau – bietet genau dafür effiziente Lösungen. Im Wohnungsbau ist der Trend schon deutlich sichtbar: Der Holzbauanteil ist von 16 % im Jahr 2015 auf rund 24 % im Jahr 2024 gestiegen. Das zeigt: Holz ist längst in der Breite angekommen.
Papenfuß: Ein häufiger Vorbehalt: Gibt es überhaupt genug nachhaltig produziertes Holz – gerade vor dem Hintergrund der Waldschäden?
Dr. Ohnesorge: Diese Frage ist nachvollziehbar – viele Menschen sehen die Waldschäden und fragen sich, ob der Rohstoff noch in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Um das zu beantworten, muss zunächst klar sein, wie viel denn in Holz gebaut werden soll. Wir gehen nicht davon aus, dass wir 100 Prozent der Gebäude in Holz bauen werden. Schon aus technischen, gestalterischen oder architektonischen Gründen werden unsere Gebäude immer Mischbauten aus unterschiedlichen Materialien bleiben. Wenn wir uns auf ein Ziel für 2050 und 50 Prozent Holzbau in der Gebäudekonstruktion verständigen, dann sage ich ja, wir haben genug nachhaltig produziertes Holz für eine stärkere Nutzung im Bau.
Wichtig ist, die Frage in den Kontext unserer Klimaziele zu setzen. Wenn wir bis 2045 klimaneutral sein wollen, brauchen wir Baustoffe, die CO₂ einsparen – und Holz ist hier ein idealer Kandidat. Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum zeigt: Im Mehrfamilienhausbau lassen sich allein durch den Einsatz von Holz in der Tragkonstruktion bis zu 50 % der Treibhausgasemissionen reduzieren.
Was die Mengen betrifft: Wir haben mit Blick auf die kommenden 20 Jahre – also bis 2045 genug Holz, um einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können. Selbst wenn wir die Holzbauquote im Ein- und Zweifamilienhausbau sowie im Mehrgeschossbau verdoppeln würden, bräuchten wir jährlich nur etwa 4 Mio. m³ zusätzlich. Das ist machbar – z.B. indem wir Holz, was bislang exportiert wird, vermehrt im Inland verwenden; aber auch wenn wir die Holzmengen betrachten, die bei dem geplanten klimaresilienten Waldumbau anfallen dürften. Überalterte und instabile Nadelholzbestände müssen in den kommenden Jahren aufgelichtet und verjüngt werden. Dieses Holz sollten wir bevorzugt im Inland nutzen – insbesondere im Bauwesen, wo es langfristig Kohlenstoff speichert.
Perspektivisch wird das für den Holzbau wichtige Nadelholz allerdings weniger. Deshalb beschäftigen wir uns in der AG Bauen auch mit dem Thema Kreislaufwirtschaft und neue innovative Produkte aus Laubholz. Hier gibt es sicher Potentiale, die noch erschlossen werden können und müssen.
Papenfuß: Was ist mit dem Preis? Ist Holzbau tatsächlich teurer als konventionelles Bauen?
Dr. Ohnesorge: Holzbau ist nicht grundsätzlich teurer – aber er wird es oft, wenn falsch geplant oder ausgeschrieben wird. Die öffentliche Vergabepraxis ist häufig noch auf konventionelle Bauweisen ausgerichtet.
Holzbau ist vorgefertigt, modular, integriert viele Gewerke in einem Bauelement. Wenn man die Planung und Vergabe nicht entsprechend auf diese Bauweise anpasst, entstehen Reibungsverluste: etwa durch doppelte Planung und nachträgliche Umstellungen. Im schlimmsten Fall werden durch nicht angepasste Ausschreibungen Bewerbungen von Holzbauunternehmen von vorherein ausgeschlossen.
Ein weiterer Kostentreiber: Holzbauprojekte werden als Pilotvorhaben besonders nachhaltige Projekte geplant und bisweilen „übererfüllt“ – mit vergleichsweise sehr hohen Ansprüchen, etwa an Zertifizierungen, Regionalität, Holzarten und oft Sonderausstattungen. Getreu dem Motto „Wenn schon, denn schon“. Höhere Kosten haben dann oft weniger mit der Bauweise zu tun als mit einer überzogenen Erwartung an das „besondere“ Holzgebäude.
Hier möchte ich auf die neuen Handreichungen der FNR hinweisen, die auf Initiative unserer AG Bauen entwickelt wurden. Sie zeigen ganz konkret, wie Holzbau sinnvoll und wirtschaftlich ausgeschrieben werden kann.
Papenfuß: Die beiden Handreichungen sind aus der AG „Bauen mit Holz in Stadt und Land“ der Charta für Holz hervorgegangen, die Sie leiten. Welche Bedeutung hat dieses Gremium? Welche Impulse möchten Sie setzen?
Dr. Ohnesorge: Seit ihrer Gründung im Rahmen der Charta für Holz 2.0 hat die AG zahlreiche Vorschläge für bessere Rahmenbedingungen im Holzbau erarbeitet – insbesondere im Bereich Regulatorik. Dazu zählen Empfehlungen zur Überarbeitung der Landesbauordnungen oder zur Einführung einer Musterrichtlinie für das Bauen mit Holz. Dass diese Musterrichtlinie nun bereits in der zweiten, überarbeiteten Version vorliegt und das mehrgeschossige Bauen mit Holz erleichtert, ist ein bedeutender Erfolg vieler Akteure. Gleichzeitig zeigt dieser lange Prozess aber auch, wie viel Beharrlichkeit notwendig ist, um Veränderungen im Bausektor anzustoßen.
Neben diesen Erfolgen treten immer wieder neue Herausforderungen auf. So erschweren beispielsweise strenge oder missverständlich ausgelegte Emissionsbewertungen flüchtiger organischer Bestandteile des Holzes (VOC) den Einsatz bestimmter Holzarten – insbesondere Kiefernholz. Auch der Einsatz nachwachsender Dämmstoffe ist regulatorisch noch nicht durchgängig möglich. Solche Hürden führen dazu, dass klimafreundliche und funktional geeignete Materialien häufig ungenutzt bleiben.
Ein weiterer Punkt betrifft das Vergaberecht. Wenn wir schneller und effizienter bauen wollen – und zwar klimafreundlich –, dann müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen das besser als bislang ermöglichen. Das Vergaberecht ist dabei ein zentraler Hebel. Gerade vorgefertigte, serielle Bauweisen, die den Holzbau prägen, stoßen derzeit an Grenzen, weil die strikte Fachlosvergabe solche integrierten Baukonzepte benachteiligt.
Öffentliche Auftraggeber brauchen mehr Flexibilität, um Gesamtvergaben oder losübergreifende Lösungen zuzulassen, wenn sie wirtschaftlich oder technisch sinnvoll sind. Ohne eine Reform in diesem Bereich wird der vielbeschworene „Bau-Turbo“ nicht zünden können.
Deshalb haben wir den Fokus der AG in den letzten Jahren erweitert: Neben regulatorischen Fragen geht es zunehmend um Wissenstransfer – also darum, öffentliche Bauherren, Planende und Vergabestellen zu befähigen, Holzbau fachgerecht umzusetzen.
Papenfuß: Was geben Sie öffentlichen Entscheidungsträgern abschließend mit auf den Weg?
Dr. Ohnesorge: Fangen Sie an. Machen Sie sich vertraut mit den besonderen Anforderungen des Holzbaus – gerade bei der Planung und Ausschreibung. Nutzen Sie die Erfahrungen aus der Praxis.
Wir haben in Deutschland hervorragende Beispiele für gelungenen öffentlichen Holzbau. Wenn wir Hemmnisse abbauen – bei Ausschreibung, Normung, Bauordnungen –, dann wird Holzbau zur echten Chance für kommunale Klimaziele, Qualität und Tempo im Bau.
Download-Tipps:
Beide FNR-Handreichungen stehen kostenfrei in der Mediathek der FNR bereit:
- Planungsleistungen bei Holzbau-Vergaben https://mediathek.fnr.de/vergabe-planungsleistungen-holzbau.html
- Losbündelung bei Holzbau-Vergaben https://mediathek.fnr.de/zusammenfassung-einzellose-holzbau.html
Online-Datenbank mit Holzbau-Praxisbeispielen aus ganz Deutschland:
- FNR Architekturführer Holzbau: https://architekturfuehrer.fnr.de/
Veranstaltungshinweis:
Die Online-Seminarreihe „Auf Zukunftskurs – Öffentliches Bauen mit Holz“ zeigt deutschlandweit erfolgreiche Praxisbeispiele für Holzbauprojekte: https://veranstaltungen.fnr.de/holzbau/