Boris Palmer
© Wegweiser Media & Conferences GmbH/Simone M. Neumann

Staatliche Nicht-Reaktion beenden

OB Palmer: Unzureichende Kooperation zwischen Staat und Kommunen in Asylfragen / Städten wieder mehr zutrauen

Es ist kein Geheimnis: In Sicherheitsfragen hat es in der Vergangenheit oft an Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern gemangelt. Aber auch der Austausch zwischen kommunalen Ämtern und staatlichen Sicherheitsbehörden sei in seiner Stadt nicht ausreichend institutionalisiert, erklärt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Um Nährboden zu entziehen, müssten Polizei und Sozialarbeiter gerade im Umfeld von Asylbewerbern stärker kooperieren.
Die Probleme vor Ort lösen: Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer legte den Finger in die Wunde der häufigen "Nicht-Zusammenarbeit" zwischen Kommunen und Sicherheitsbehörden.
© Wegweiser Media & Conferences GmbH / Simone M. Neumann

Für ihn sei es eine erstaunliche Erkenntnis, dass die Sozialarbeiter in der neu aufgebauten Abteilung Flüchtlingshilfe in Tübingen die Hälfte ihrer Zeit damit verbringen, Asylbewerber dahingehend zu beraten, wie sie von anderen Institutionen mehr Geld bekommen. „Ich habe mich belehren lassen“, so Palmer, „dass das offenbar alle so machen, weil die Verteilung der Ressourcen so kompliziert ist, dass man nur mit der Hilfe eines deutschen Sozialarbeiters an die entsprechen Mittel kommt.“ Ein Umstand, der für sich genommen schon sehr bürokratisch anmutet. Vor Ort aber nur die Spitze staatlich ineffizienten wie ineffektiven Handelns ausdrückt.

Keine Information an den Sozialarbeiter

 „Wenn nun Flüchtlinge in meiner Stadt mit der Polizei in Konflikt geraten – und das sind immerhin zehn Prozent –, erfolgt keine Information an den zuständigen Sozialarbeiter.“ Konkret kann das laut Palmer so aussehen: Mittags gerät eine Person an die Polizei, zum Beispiel wegen Versprühens von Pfefferspray. Daraufhin geht es für anderthalb Stunden auf die städtische  Wache – und  am nächsten Morgen sitzt derjenige dann einmal mehr beim zuständigen Sozialarbeiter, der dabei hilft, an Sozialgelder zu kommen. „Das heißt, die Reaktion des Staates besteht darin, eine kurze Gesichtskontrolle vorzunehmen und am nächsten Morgen wieder freundlich zu sein.“ Was soll jemand daraus lernen?

»

Ich glaube, dass das eine Art sanktionsfreier Pädagogik ist, die ganz zwangsläufig auf die schiefe Bahn führt.

«

Wissen, auf wen zu achten ist

„Ich glaube, dass das eine Art sanktionsfreier Pädagogik ist, die ganz zwangsläufig auf die schiefe Bahn führt!“ Gemeinsam mit dem städtischen Ausländeramt und der Polizei arbeite Palmer nun darauf hin, dass Sozialarbeiter künftig davon Kenntnis nehmen, damit zumindest die Möglichkeit einer Ansprache und Reaktion vorhanden ist. Und damit einhelliger wird, auf wen stärker zu achten ist. Der Grünen-Politiker sieht noch mehr Probleme – insbesondere mit Blick auf Leistungen und Umfeld der Asylbewerber. 

»

Ich stelle fest, dass es keine Belohnung für Leistung gibt und keine Bestrafung für Fehlverhalten.

«

Leistung spielt keine Rolle

„Ich stelle fest, dass es keine Belohnung für Leistung gibt und keine Bestrafung für Fehlverhalten.“ Flüchtlinge könnten dringend gesuchte Pfleger im Altenheim werden und arbeiten, sie würden trotzdem ausgewiesen. Gleiches gelte für Bäckerlehrlinge, die um drei Uhr morgens aufstehen. „Und selbst wenn der Bäckermeister sagt, dass er noch nie einen so guten Auszubildenden hatte, spielt das keine Rolle, weil es das falsche Land ist – die Ausweisung kommt!“ Man könne sich "anstrenge" und "schaffe" wie man wolle, es nütze nichts.

Schulschwänzer und Drogen im Park

Umgekehrt sieht der Oberbürgermeister allein in seiner Stadt rund hundert junge Flüchtlinge, die eigentlich in der Schule sein müssten, aber fehlten. Eigentlich sei das Ordnungsamt für die „Zuführung“ zuständig – wenn es denn etwas davon erfährt. Viele Lehrer hätten aber durch die Abwesenheit weniger Stress und auch der Landrat hielt das Ganze offenbar nicht für so wichtig. Dabei geht es laut Palmer um viele Jugendliche, die im Stadtpark Drogen verkauften. Rechne man die Zahl hoch, könnte es in ganz Baden-Württemberg um rund 7.000 Schulpflichtige gehen, die nicht zu Schule gehen.

Markt vor dem Rathaus: Tübingens Stadtoberhauptf Boris Palmer will Asyl-Politik vor Ort aktiver gestalten.

In einem Gespräch mit der zuständigen Landesministerin habe er das kürzlich angesprochen: „Wir versuchen dem jetzt systematisch nachzugehen.“ Palmer sieht aber weiteren Handlungsbedarf. Leistung und Engagement von Flüchtlingen für die Gesellschaft müsse nicht nur belohnt werden. Das Stadtoberhaupt möchte wieder mehr eigene Kompetenzen vor Ort besitzen, um differenziert auf verschiedene Situationen reagieren zu können.

Kommunen mehr zutrauen

„Der Bäckerlehrling muss einen Antrag stellen, dass er sich bewährt und die deutsche Sprache gelernt hat, dass er morgens aufsteht und schaffen geht, gebraucht wird und die Gesetze geachtet hat.“ In einem solchen Fall müsse es egal sein, ob er vor fünf oder drei Jahren Asyl beantragt hat und woher er komme, so Palmer. Früher hätten Kommunen in diesem Punkten noch etwas zu entscheiden gehabt. „Trauen Sie uns das in den Städten und Gemeinden wieder zu!“

»

Trauen Sie uns das in den Städten und Gemeinden wieder zu!

«

Wenigstens Antrag beim Innenminister stellen dürfen

Wenigstens gehe es darum, beim Innenminister wieder ein Antragsrecht zu erhalten, um nicht mit leeren Händen dazustehen, sondern fleißigen Leuten etwas in Aussicht stellen zu können. Genauso umgekehrt: „Ich finde, wir müssen die bösen Buben in unseren Städten nicht mit den gleichen Leistungen versorgen wie die friedlichen. Auch hier muss es die Möglichkeit geben, beim Innenminister zu sagen, dass derjenige die Stadt zerlegt.“ Weiterhin heißt das:  Flüchtlinge, die sich hierzulande nicht an die Regeln halten und kriminell werden, sollten nicht weiter zusammen mit denjenigen untergebracht werden, die arbeiten, zu Schule gehen und sich entsprechend gesellschaftlich bewähren.