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Skandal! Echt, jetzt?

Bauerndemos mit Traktoren schlagen Wellen in sozialen Medien

Je aufgeheizter die Atmosphäre, desto wilder die Parolen. Ok, das ist nicht wirklich neu, das hat schon fast Tradition. Leider, sollte man hinzufügen, denn gerade dann, wenn die Wellen – wieder einmal – hochschlagen, sollte man sich klugerweise um mehr Besonnenheit und eine betont ruhige, sachliche Argumentation bemühen. Aber auch hier gilt wohl: Je wilder die Behauptungen, je abstruser die Thesen, auf desto mehr Interesse stoßen die Texte, umso höher sind die Klickzahlen.

Und da die Demonstrationen der Landwirte gegen die durch die Ampelkoalition geplanten Subventionskürzungen nun schon seit Wochen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen, ist es kein Wunder, dass sich die Wahrheit wieder einmal gegen allerlei Falschmeldungen behaupten muss.

Natürlich kann man sich darüber streiten, ob es sich bei den Themen Kfz-Steuerbefreiung und/oder Ermäßigungen beim Agrardiesel für landwirtschaftlich genutzte Fahrzeuge tatsächlich um eine ungerechtfertigte „Privilegierung” handelt oder aber um ausgleichende Gerechtigkeit, weil nur so das Verursacher-Kosten-Prinzip gewahrt wird (Traktoren, Mähdrescher und Co. fahren nun mal zu 90% nicht auf öffentlichen Straßen) und auch darüber, ob der „Fall Schüttsiel” den Bauern eher genutzt oder geschadet hat – das aber soll hier nicht das Thema sein.

Hier ist von Interesse, mit welchen Mitteln versucht wird, die Proteste der Bauern zu de-legimitieren. Eine neue, ganz aktuelle Masche besteht darin, einfach zu behaupten, dass sich Bauern, die mit ihren landwirtschaftlichen Fahrzeugen an Demos teilnehmen, der Steuerhinterziehung schuldig machen. O-Ton aus vielen sozialen Netzwerken „Lies: Wer damit zu ner Demo fährt begeht faktisch Steuerhinterziehung durch Zweckentfremdung eines steuerlich speziell gestellten Fahrzeugs” (Rechtschreibfehler wurden belassen, da Originaltext). Na, da waren die Kritiker der Bauerndemos aber vielfach regelrecht euphorisiert. Insbesondere jene, für die Kritik an der Politik der Ampel gleichbedeutend ist mit Kritik an der Demokratie. Oder: Wer die Politik der Ampel kritisiert, der muss „rechts” sein.

Allerdings hat die Sache einen Haken: Die Behauptung der Steuerhinterziehung ist sachlich schlicht falsch! Und das nicht nur nach Meinung des Autors, sondern nach der Rechtsansicht der zuständigen Behörde und das ist der Zoll. Dieser teilte noch vor kurzem –  wenn auch quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit – wortwörtlich mit: „Eine Teilnahme an Protestaktionen bzw. Demonstrationen zu land- und forstwirtschaftlichen Themen oder der Energiepolitik ist mit steuerbefreiten Fahrzeugen im Rahmen der steuerUNschädlichen Verwendung des § / Nr. 3 KraftStG ZULÄSSIG.”

Darunter fallen also auch Traktoren, die üblicherweise für land- und forstwirtschaftliche Arbeiten im Einsatz sind – aktuell aber als fahrbarer Untersatz zur Teilnahme an einer Demo genutzt werden. Diese Rechtslage wurde vom Zoll zuletzt noch einmal am 8.1.24 auf X (vormals Twitter) ausdrücklich bestätigt, was aber die Produzenten von Fake News natürlich nicht daran hindern dürfte, weiterhin das Gegenteil zu behaupten.

Allerdings: Die hier erwähnten Demos müssen einen Kontext zu landwirtschaftlichen Themen haben, was bei den aktuellen Protesten ganz zweifellos der Fall ist. Wer zu Corona-Protesten mit dem Mähdrescher angerollt ist, wird demgegenüber einen Zusammenhang zu landwirtschaftlichen Themen nur schwer begründen können.

Wir lernen: Ein Blick ins Gesetz erleichtert auch hier die Rechtsfindung und Fake News müssen nicht unbedingt immer nur von rechts kommen.