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Die freiwillige ex-ante-Bekanntmachung

Fachanwalt Andreas Haak erklärt die Möglichkeiten des vergaberechtlichen Instruments.

Die sogenannte „freiwillige ex-ante Bekanntmachung“ wird von öffentlichen Auftraggebern in der Vergabepraxis bislang eher selten genutzt – dabei bietet sie ein attraktives vergaberechtliches Instrument, um der Unwirksamkeit von Direktvergaben wirksam zu begegnen.

Geregelt in der EU-Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG und lange Zeit nicht in das deutsche Vergaberecht umgesetzt, fristet die freiwillige ex-ante-Bekanntmachung rund fast fünf Jahre nach ihrer Implementierung in § 135 Abs. 3 GWB immer noch ein Schattendasein. Vielen öffentlichen Auftraggebern ist die Norm überhaupt nicht bekannt. Um von den Vorteilen der ex-ante Bekanntmachung profitieren zu können, sollten die Auftraggeber jedoch mit Inhalt und Reichweite der Norm vertraut sein.

Das Ausgangsszenario: Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb

Grundsätzlich sind öffentliche Aufträge im Wege eines förmlichen Vergabeverfahrens zu vergeben und der Wettbewerb ist über die Auftragsvergabe zu informieren. Der Verzicht auf die Durchführung eines Vergabeverfahrens, die sogenannte Direktvergabe, ist nur im Ausnahmefall zulässig. Aus diesem Grund sehen sich öffentliche Auftraggeber im Falle der Direktvergabe regelmäßig mit mitunter langwierigen Nachprüfungsverfahren konfrontiert: Denn nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB sind Verträge, die ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens an ein Unternehmen vergeben werden, von Anfang an unwirksam, wenn die Unwirksamkeit in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist. 

Die Unwirksamkeitsfolge soll sicherstellen, dass öffentliche Aufträge nicht am Wettbewerb vorbei vergeben werden.

Die Idee hinter der freiwilligen Ex-ante-Bekanntmachung

Mit § 135 Abs. 3 GWB enthält das seit April 2016 geltende Vergaberecht an eher versteckter Stelle eine gewichtige Ausnahme von der Unwirksamkeitsfolge. Öffentliche Auftraggeber sollen Direktvergaben unter Zuhilfenahme der freiwilligen ex-ante-Bekanntmachung rechtssicher vergeben können, ohne dass Bieter gänzlich von der Möglichkeit zur Einleitung eines Nachprüfungsantrags abgeschnitten wären. Durch § 135 Abs. 3 GWB werden Auftraggeber in die Lage versetzt, einen Auftrag möglichst schnell und unkompliziert ohne Durchführung eines EU-weiten Wettbewerbs zu vergeben. Auf der anderen Seite behalten die interessierten Unternehmen die Möglichkeit, gegen die sie benachteiligende Direktvergabe im Wege eines Nachprüfungsverfahrens vorzugehen. Die Vorschrift des § 135 Abs. 3 GWB stellt demnach einen angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Auftraggebern und Unternehmen her.

Voraussetzungen der freiwilligen Ex-ante-Bekanntmachung

Damit die Privilegien der freiwilligen ex-ante-Bekanntmachung greifen und der geschlossene Vertrag nicht rückwirkend von einer Vergabekammer für unwirksam erklärt wird, müssen nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der öffentliche Auftraggeber muss der Ansicht sein, dass die Auftragsvergabe ohne vorherige Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zulässig ist.
  • Diese Absicht muss im Wege einer ex-ante-Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gegeben worden sein.
  • Der Vertrag darf nicht vor Ablauf einer Frist von 10 Kalendertagen gerechnet ab dem Tag der Bekanntmachung der EU-Veröffentlichung geschlossen werden.

Als Ausnahmevorschrift vom Grundsatz der Unwirksamkeit ist § 135 Abs. 3 GWB eng auszulegen. Der Auftraggeber trägt für das Vorliegen des für ihn vorteilhaften Ausnahmetatbestands die Beweislast – dabei legt die Rechtsprechung strenge Maßstäbe an.

Besonders relevant und damit Gegenstand strenger Prüfungen der Nachprüfungsinstanzen ist der Nachweis, dass der Auftraggeber tatsächlich der Ansicht ist, dass der Auftrag ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens vergeben werden darf. Prüfmaßstab ist nach der Rechtsprechung, ob die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers aufgrund der konkreten Umstände in sachlicher und rechtlicher Hinsicht vertretbar ist. Dazu muss der öffentliche Auftraggeber den seiner Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt sorgfältig, nämlich vollständig und zutreffend, ermitteln.

Im Falle einer Überprüfung würdigen die Nachprüfungsinstanzen eingehend, ob der öffentliche Auftraggeber aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Überzeugung war, den Auftrag ohne vorherige Ausschreibung vergeben zu dürfen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12. Juli 2017, VII-Verg 13/17). Unbeachtlich ist hierbei, ob die Entscheidung vergaberechtskonform oder vermeidbar war.

Der Inhalt der freiwilligen ex-ante-Bekanntmachung

Welche Angaben die freiwillige ex-ante-Bekanntmachung beinhalten muss, regelt § 135 Abs. 3 S. 2 GWB: Danach muss die Bekanntmachung „den Namen und die Kontaktdaten des öffentlichen Auftraggebers, die Beschreibung des Vertragsgegenstands, die Begründung der Entscheidung des Auftraggebers, den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zu vergeben, und den Namen und die Kontaktdaten des Unternehmens, das den Zuschlag erhalten soll, umfassen.“

Klarer Vorteil auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers ist die schnell gewonnene Rechtssicherheit in Form von „Bestandskraft“. Bereits nach Ablauf von 10 Kalendertagen erlangt der Auftraggeber Rechtsicherheit und darf den Vertrag abschließen – ohne dass er ein anschließendes Nachprüfungsverfahren befürchten muss. Der geschlossene Vertrag ist rechtswirksam. Das bringt vor allem eine erhebliche Beschleunigung des Vergabeverfahrens mit sich.

In den Fällen, in denen die Voraussetzung des § 135 Abs. 3 GWB nicht vorliegen, entfaltet auch die vorsorglich vorgenommene ex-ante-Bekanntmachung keine Rechtswirkungen. In diesen Fällen muss der öffentliche Auftraggeber die Unwirksamkeitserklärung des erteilten (Direkt-)Auftrags durch eine Vergabekammer befürchten. Damit ist klargestellt: § 135 Abs. 3 GWB eröffnet keine Möglichkeit zur Umgehung des Vergaberechts. Sämtliche Anforderungen an die ex-ante-Bekanntmachung müssen in jedem Einzelfall vorliegen – dies gilt im Besonderen für das Tatbestandsmerkmal der Berechtigung zur Vornahme einer Direktvergabe („Ansicht“). Darüber hinaus hat der öffentliche Auftraggeber dafür Sorge zu tragen, dass er den Vertrag möglichst unmittelbar nach dem Ablauf der Wartefrist von 10 Kalendertagen abschließt. Denn ansonsten besteht die Gefahr, dass der Vertragsschluss nicht mehr zustande kommen darf: Wenn ein Wettbewerber erst nach Ablauf der Wartefrist ein Nachprüfungsverfahren einleitet, der Vertrag aber – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht zustande gekommen ist, kann sich der Auftraggeber auf die Wirkung der ex-ante-Bekanntmachung nicht mehr berufen (vgl. VK Rheinland, Beschluss v. 20.02.2019 - VK 52/18-L). Trotz des Ablaufs der zehn Kalendertage wäre der vom Wettbewerber bei der zuständigen Vergabekammer gestellte Nachprüfungsantrag zulässig und kann – dessen Begründetheit unterstellt – erfolgreich sein und den beabsichtigten Vertragsschluss verhindern.

Die freiwillige ex-ante-Bekanntmachung ist kein Freibrief für öffentliche Auftraggeber, aber ein attraktives Instrument, um Klarheit und vor allem Rechtssicherheit zu schaffen!

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