Symbolbild Lehren aus der Corona-Krise

Welche Lehren lassen sich aus der Corona-Krise ziehen?

Was jetzt anders werden muss: Erkenntnisse und Empfehlungen

Zeit, Bilanz zu ziehen: Was haben wir aus der Corona-Krise gelernt? Welche Baustellen haben sich aufgetan, wo liegen die Schwachstellen? Und wie können wir den Digitalisierungsschub mit in die nächsten Monate nehmen? Im Gespräch mit Florian Breger (IBM) gaben Dr. Ariane Berger (Deutscher Landkreistag), Dr. Markus Richter (BMI) und Dr. Gottfried Ludewig (BMG) Antworten auf die Frage, was sich jetzt verändern muss.

Trotz mancher Missstände, für die erst nach vielen Wochen Lösungen gefunden wurden, ist Deutschland verhältnismäßig gut durch die Corona-Krise gekommen. Jetzt im Sommer 2021 kehrt eine gewisse, wenn auch angespannte, Normalität zurück. Und auch wenn wir weiterhin mit der Impfthematik beschäftigt sind, Hygienemaßnahmen einhalten und die Delta-Variante den Großteil der Neuinfizierungen ausmachen: Die Lockerungen sind vielfältig und lassen einen sehr viel normaleren Alltag zu.

Ohne die Schwächen beim Managen der Corona-Krise verschweigen zu wollen, sei hier der Blick fast ausschließlich auf die Frage gerichtet: Was haben wir gelernt in den letzten eineinhalb Jahren, in denen Deutschland ein riesiges Reallabor war und quasi in Echtzeit auf jede neue Herausforderung reagieren musste? Und wie retten wir den Digitalisierungsschub, der deutlich zu spüren war, in die Zukunft? 

Raus aus den Silos

Dr. Markus Richter fasste die Lehren der letzten Monate so zusammen: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie kann konkret dazu beitragen, Teilhabe zu ermöglichen und Leistungen der Verwaltung abzurufen. Vor diesem Hintergrund sei es richtig, dass die Bundesregierung ein Konjunkturpaket mit 3 Milliarden Euro aufgesetzt habe. Auch sei es das erste Mal in der Geschichte der Republik, dass so viel Geld für die Digitalisierung der Verwaltung in die Hand genommen wurde. „Deswegen fühlen wir uns alle verpflichtet, einschließlich der CIOs der Länder, gemeinsam mit den Kommunen die Digitalisierung Wirklichkeit werden zu lassen“, betonte Dr. Richter. 

Wo aber sieht der CIO des Bundes offensichtliche Schwachstellen? Ganz viele neue Technologien warten darauf, erschlossen zu werden. Sie schlummern immer noch in Silos. Gemeint sind damit beispielsweise Künstliche-Intelligenz-Silos oder Blockchain-Silos. Wir müssen diese aus der Nerd-Ecke rausholen und dafür sorgen, dass sie von den Fachseiten selbst betrieben werden kann. Denn sonst, so Dr. Richter weiter, könnten wir den Anschluss verpassen. 

Eine Datenplattform für Bund, Länder und Kommunen 

Dr. Ariane Berger vom Deutschen Landkreistag griff die Themen Daten, Kooperation sowie Bürokratie und Föderalismus auf. Den Landkreisen, Kommunen und öffentlichen Gesundheitsämtern bescheinigte die Referentin für Digitalisierung  eine gute Arbeit in ihrer jeweiligen Landkreisumgebung – auch digital.

Was jedoch besser werden muss, ist zum einen der interne Backend-Bereich, die E-Akte, medienbruchfreie Prozesse – das gilt auch für die Umsetzung des OZG, so Dr. Ariane Berger. Zum anderen sei die Kooperation über die Kreis- und Kommunalgrenzen hinaus in den letzten Jahrzehnten nicht geübt worden. Das habe die Corona-Pandemie deutlich vor Augen geführt. Wir brauchen in Zukunft einen Bevölkerungs- und Gesundheitsschutz, der Daten unterstützt, die kreisübergreifend erhoben werden. Der Deutsche Landkreistag sei da bereits mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) und dem Bundesinnenministerium in verschiedenen Gesprächen. Die Frage, um die sich alles dreht, ist: Können wir Datenplattformen so schaffen, dass alle föderalen Ebenen auf diese Daten zugreifen können? Hier sei man jedoch noch am Anfang aber die Pandemie habe auf jeden Fall bewirkt, dass mehr Drive in dieses Thema komme. 

Baustelle Zusammenarbeit

Als weitere Lehre aus der Corona-Krise sieht Dr. Ariane Berger den Ausbau von Kooperationen: Wie schaffen wir es, über die Ebenen hinweg zusammenzuarbeiten? Bund und Kommunen, Bund und Landkreise sind sich häufig von der Bewertung der datengestützten Verwaltung sehr nah. Wir haben aber nicht immer die verfassungsrechtlichen und kulturellen Strukturen, um diese Nähe auch entsprechend auszuspielen und müssen die Länder entsprechend mitnehmen.Aus ihrer Sicht ist der IT-Planungsrat ist ein gutes Gremium, aber es brauche mehr. 

Raus aus der Komplexitätsfalle!
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Die Dresdner Forderungen machen handfeste Vorschläge für die Öffentliche Verwaltung, aber auch Unternehmen kämpfen mit allzu komplexen Prozessen

Verhältnis zu Daten überdenken

Dr. Gottfried Ludewig vom BMG hinterfragte das Verhältnis zur Datennutzung. Er verwies sowohl auf den technischen als auch den datenschutzrechtlichen Aspekt, die dabei zu betrachten wären. Aus technischer Sicht stelle sich die Frage: Welche Form von Prozessen haben wir, um Daten zu standardisieren? Welche Formen von Vorgaben können wir machen, um Daten besser auszutauschen, also sowohl Datenformate wie Datenschnittstellen?

Bei der Frage nach dem Datenschutz bescheinigte der Abteilungsleiter Digitalisierung den bundesrepublikanischen Debatten eine defensive Note: „Die meistens Debatten starten mit der Frage: Was könnte an Missbrauch mit Daten passieren? Es wird nicht gefragt: Was könnte Gutes passieren?“ Dabei ginge es doch darum, Verwaltungsprozesse für Bürgerinnen und Bürger einfacher zu gestalten. Oder eine Behandlung im Gesundheitswesen zu verbessern oder ein Medikament zu entwickeln, das unheilbare Krankheiten heilen kann. Wenn wir dieses Mindset in unserer Debatte nicht ändern, dann haben wir tatsächlich ein großes Problem und laufen Gefahr, den Anschluss zu verlieren.

Vom Perfektionismus verabschieden

Als zweite Lehre aus der Corona-Pandemie sprach sich Dr. Ludewig für den Abschied vom Perfektionismus aus. Ich glaube, wir bekommen Prozesse nur gut aufgesetzt, wenn wir sie im Sinne eines Minimal Viable Product (MVP) in der Wirklichkeit ausprobieren. Als Beispiel nannte Dr. Ludewig das Register für die Intensivbetten. Hätte ich das in einem normalen Verwaltungsprozess aufgesetzt, dann würden wir vielleicht jetzt eine Ausschreibung starten. Im Jahr 2025 wüssten wir, wie viele Intensivbetten in Deutschland stehen. Stattdessen wurde das Register mit der Hilfe von ganz vielen Akteuren es ist keine BMG-Leistung innerhalb von wenigen Wochen aufgesetzt. Am Anfang wurden Daten in Krankenhäusern teilweise noch händisch eingegeben. Aber im nächsten Iterationsschritt wurden die Krankenhausinformationssysteme integriert und das Register Schritt für Schritt verbessert. Das Register war innerhalb von nur drei bis vier Monaten aufgebaut, eine enorme Leistung. Ich würde mir wünschen, dass wir diese Leidenschaft für ein MVP, also dieses Schritt-für-Schritt-Vorangehen, uns beibehalten. Damit wir Digitalisierung hinbekommen.

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