Kommunikation als Voraussetzung für Nachhaltigkeit
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„Ein fixer Zielzustand ist nicht das Ziel des Projektes“

Ein Interview mit Jennifer Rohde über ihre Erfahrungen als Fellow von Work4Germany im Bundeskanzleramt

Das Programm Work4Germany schafft den Rahmen dafür, dass Mitarbeitende in Bundesbehörden ihre Fähigkeiten weiterentwickeln, um sowohl persönlich als auch im Team souverän mit Herausforderungen und krisenhaften Situationen umzugehen. Im Interview mit VdZ sprach Jennifer Rohde über die Zusammenarbeit im Projektteam, das Vorgehen unter agilen Methoden und kleine Schritte, die viel bringen.

VdZ: Sie waren für sechs Monate Fellow des Programms Work4Germany im Bundeskanzleramt, und zwar im Projekt Mitarbeitermotivation stärken – Für ein starkes WIR“. Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt? Wie muss man sich die Zusammenarbeit zwischen Fellow und Verwaltungsmitarbeitenden vorstellen? 

Jennifer Rohde: Work4Germany ist ein Fellowship Programm, das methodenstarke Macher:innen aus der Wirtschaft mit engagierten Verwaltungsinnovator:innen zusammenbringt.  

Wir Fellows agieren in den Ministerien als Expert:innen für Transformation und Arbeitskultur, Impulsgeber:innen sowie Teamentwickler:innen. Wir geben Inspiration für neue Arbeitsweisen und neue Führungskultur, sind Sparrings-Partner:innen und Ratgeber:innen. Wir treiben gemeinsam mit den Mitarbeitenden in den Ressorts Innovationen voran. Wir unterstützen Teams dabei, neue Vorgehensweisen auszuprobieren und methodisch geprägtes Arbeiten kennenzulernen.  

Für unser Projekt haben wir ein sehr stark nutzerorientiertes Vorgehen gewählt. Dafür haben wir in einem breit angelegten, partizipativen Vorgehen die Mitarbeitenden im Kanzleramt in Workshops und in Interviews zu Motivations- und Zufriedenheitsfaktoren im Arbeitskontext befragt. Wir haben ihre Vorschläge und Ideen gesammelt, um ihre Bedürfnisse und Wünsche in den Fokus nehmen zu können. Dieses Vorgehen steht im Kontrast zur üblichen und erprobten Arbeitsweise: Die Fachabteilung erarbeitet eigenständig Maßnahmen und setzt diese um – ohne die Perspektive und konkreten Bedürfnisse der Mitarbeitenden umfassend einzubeziehen.  

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Die Zusammenarbeit im Projektteam folgte einem agilen Ansatz. Eine Neuheit für die Teammitglieder. Viele hatten noch keine oder nur theoretische Erfahrungen mit der Arbeitsweise.  

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Agil bedeutet, dass das Team einem klar strukturierten iterativen Prozess folgt. Die kurzen definierten Arbeitsphasen ermöglichen es, das Projekt inhaltlich immer wieder an den Bedürfnissen der Kolleginnen und Kollegen (der Kunden“) auszurichten. Neue Erkenntnisse und Arbeitsergebnisse werden umgehend einbezogen. In Planning- und Review-Terminen haben wir unser Vorankommen und unsere Prioritäten stetig überprüft und Themen und Aufgaben für die nächste Iteration geplant. Die Zusammenarbeit im Team haben wir regelmäßig im Format einer Retrospektive besprochen. Arbeitsabläufe und Prozesse konnten wir dadurch kontinuierlich weiterentwickeln und uns selbst den bestmöglichen Rahmen für die Projektarbeit geben. Der Weg der kleinen Schritte spiegelte sich im Arbeitsalltag schließlich auch in unseren Dailies wider. Kontinuierliche, strukturierte Kommunikation im Team stellte den Projektfortschritt und das frühzeitige Erkennen von Fragen und Hürden sicher. 

Work4Germany ist auf neue Arbeitsweisen und Methoden ausgerichtet, die die Fellows aus der Wirtschaft in die Bundesministerien bzw. ins Bundeskanzleramt mitbringen. Welche Veränderungen (auch im Mindset) verliefen besonders zögerlich? Mit welchen Vorschlägen haben sie eher „offene Türen eingerannt“? 

In den Bundesministerien gibt es unglaublich viele engagierte, motivierte Kolleg:innen, die nach dem passenden Handwerkszeug für die veränderten Rahmenbedingungen und neuen Herausforderungen suchen. Alle Work4Germany Fellows haben erlebt, dass das Interesse an neuem Arbeiten in den Häusern weit über das Kernteam der jeweiligen Projekte hinaus reichte. Diese Neugier war häufig Impuls für abteilungsübergreifende Lernformate, agile Sprechstunden oder Brown Bag Lunches. Ministeriumsweit konnten so alle vom Fellowship profitieren. 

Vorschläge für neue Impulse für die Zusammenarbeit in einem Referat oder Team wurden besonders gerne aufgegriffen. Dies waren zum Beispiel pragmatische Tipps, Termine und Besprechungen anders zu strukturieren und interaktiver zu gestalten. Methoden und Tools, die mit wenig Aufwand direkt selbst umgesetzt werden können, waren ebenfalls beliebt. Dazu zählt etwa die Einführung von Kanban Boards, ein Tool, das die Arbeitsorganisation unterstützt. 

Das Interesse an Arbeitsweisen und Methoden war immer dann besonders hoch, wenn die Dringlichkeit eines Themas zunahm und ein Team erkannt hat, dass herkömmliche“, das heißt bekannte und liebgewonnene Vorgehensweisen, nicht mehr zu einer tragfähigen Lösung führen. Ich persönlich habe direkt versucht mit methodisch passenden Schritten loszulegen, statt ein Vorgehen oder eine Methode zunächst umfassend zu erklären. Die Bereitschaft zum direkten Handeln ist hoch.

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Sobald einzelne Personen oder ein Team erste kleine Erfolge feiern können, öffnet sich die Perspektive. Es entsteht ein Verständnis dafür, dass anderes Arbeiten möglich ist, auch wenn die Mittel dafür noch unbekannt sind. 

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Der Weg bis zu dieser ersten Erfahrung erfordert ein gewisses Maß an Durchhaltewillen und Überzeugungskraft. Es ist für viele Kolleg:innen in der Verwaltung ungewohnt über das WIE, also über die Zusammenarbeit in einer Arbeitseinheit zu sprechen. Ich bin immer wieder auf Skepsis gestoßen, ob sich die Zeit, die dafür investiert werden muss, lohnt. Die Zeit, die nicht mit der Erledigung der Arbeit verbracht wird, wird zunächst als Zeitverschwendung betrachtet. Sobald sich erste spürbare Veränderungen einstellten, löste sich das Zögern zügig auf. 

Jetzt arbeiten Sie im Projekt 'Neues Arbeiten im Bundeskanzleramt', das aus dem erwähnten Work4Germany-Projekt entstanden ist. Ist es üblich, dass die Work4Germany-Projekte weitergeführt werden – oder eher eine Ausnahme? Welche Ziele verfolgt dieses Nachfolge-Projekt? 

Mit dem Projekt Neues Arbeiten führen wir die durch Work4Germany angestoßenen Veränderungen fort. Wir setzen Maßnahmen um, die sich positiv auf Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeitenden auswirken. Basierend auf den erhobenen Vorschlägen und Ideen aus dem Haus haben wir fünf übergreifende Handlungsfelder identifiziert. Dazu zählen unter anderem Arbeitsorganisation und Zusammenarbeit, Arbeitskultur und Personalmanagement. In diesen Bereichen entwickeln wir bestehende Abläufe und Prozesse stetig weiter und schaffen neue Angebote. Wir gestalten etwa den Onboarding-Prozess neu und bieten neue interne Lern- und Veranstaltungsformate an. Mit Pilotreferaten führen wir Retrospektiven durch, um konkret Zusammenarbeit in einzelnen Arbeitseinheiten zu verändern.  

Das übergeordnete Ziel der Fortsetzung ist, die Kolleg:innen zu befähigen, erfolgreich mit der sich verändernden Arbeitswelt und immer komplexeren Anforderungen umzugehen. Unsere einzelnen Maßnahmen setzen wirksame Impulse für eine moderne Arbeitskultur. Mit unseren Aktivitäten und unserer Vorgehensweise wollen wir dazu beitragen, dass neue Formen der Arbeit im Haus anerkannt werden und sich etablieren können.  

Ein fixer Zielzustand ist nicht das Ziel des Projektes. Wir wollen den Rahmen schaffen, der kontinuierliches Dazulernen und Entwickeln ermöglicht, um souverän und selbstbewusst mit Krisen, noch unbekannten Herausforderungen und Einflüssen umgehen zu können. 

Die Weiterführung der Projekte mit dem Fellow im Haus ist eher ungewöhnlich. Das Folgeprojekt hilft dem Bundeskanzleramt dabei, die neuen Formen der Arbeit nachhaltiger zu verankern. Das bedeutet aber nicht, dass andere Projekte nicht fortgeführt werden. Durch den Wissens- und Methodentransfer während des gesamten Work4Germany Projekts befähigen die Fellows ihre Tandempartner:innen, selbstständig die neuen Arbeitsweisen anzuwenden. In den teilnehmenden Referaten und Teams haben sich so neue Formen der Zusammen- und Projektarbeit etabliert, die über das Fellowship hinaus gehen. Andere Häuser nehmen mit Folgeprojekten am Work4Germany Programm 2022 teil und setzen die Arbeit mit einem neuen Fellow fort. 

Im Webinar „Agilität – Vom hippen Modebegriff zur Normalität“ haben Sie Praxistipps gegeben, etwa die Frage zu stellen: „Würden Sie das Meeting, an dem Sie gerade teilgenommen haben, weiterempfehlen?“. Haben Sie weitere Tipps für unsere Leser*innen, die ebenso leicht nachvollziehbar und gut umsetzbar sind, um sich im Team mit bestimmten Fragen auseinanderzusetzen? 

Erfolgreiche Ansätze, die ein Team zunächst dabei unterstützt, miteinander über die Zusammenarbeit ins Gespräch zu kommen, sind einfach gedacht. Das zeigt Ihr genanntes Beispiel.  

Eine Voraussetzung für die Teamentwicklung ist ein wertschätzender und vertrauensvoller Umgang miteinander. Einmal in der Woche können sich Teammitglieder bei einem (virtuellen) Kaffee 15 Minuten Zeit nehmen, um sich gegenseitig Feedback zu geben. Konkret kann das der Dank für die Unterstützung in der Zusammenarbeit sein, Anerkennung wie die Kollegin ein schwieriges Gespräch geführt oder eine herausfordernde Aufgabe gelöst hat. Häufig sind einem selbst diese kleinen Aspekte der eigenen Arbeit nicht bewusst. Die Fremdwahrnehmung unterstreicht, wie wertvoll jede:r für das Team ist. Diese Übung fühlt sich wahrscheinlich erstmal seltsam an. Das ist ganz normal. Es lohnt sich aber, dabei zu bleiben. Auf eine einfache Art und Weise entsteht eine offene Kommunikation im Team, jede:r fühlt sich wahrgenommen.  

Ein anderer Vorschlag ist eine Bedienungsanleitung über sich selbst zu schreiben und diese dem Team vorzustellen. In einem lockeren Format kann jede:r auf seine „Besonderheiten und „Eigenarten hinweisen. Für die Zusammenarbeit ist es zum Beispiel hilfreich zu wissen, wann Kolleg:innen ihre produktivsten Arbeitsphasen am Tag haben. Missverständnissen kann vorgebeugt werden, wenn ich weiß, dass mein Kollege ernst guckt, wenn er konzentriert arbeitet und keine schlechte Laune hat. 

Die Bedienungsanleitung kann regelmäßig aktualisiert und vorgestellt werden, etwa wenn neue Mitarbeitende ins Team kommen.

Jennifer Rohde hat eine Initiative für die moderne Verwaltung gegründet: 

#VerwaltungsHacksDas Mikrolernprogramm für die zukunftsfähige Verwaltung.  

Die Einladung zum Machen: Wir denken neue Arbeitsweisen pragmatisch und sofort anwendbar. In jeder Folge teilen wir in 35 Minuten einen #Hack, also unmittelbar umsetzbare Tools und Methoden, um Kommunikation und Zusammenarbeit im Team zu stärken