Digitalisierung: Eine Mitarbeiterin zeigt einem Kollegen etwas am Bildschirm
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Open Source aus Sicht eines kommunalen IT-Dienstleisters

Open Source Software (OSS) verspricht eine Beschleunigung bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes

Sowohl Bund und Länder als auch Kommunen beschäftigen sich intensiv mit der Open Source Thematik. Anders als andere IT-Trends wie Blockchain oder KI ist Open Source Software keine neue Technologie oder eine neue Form der Softwarearchitektur, sondern ein viel weitergehendes Themenfeld. Open Source Software ist vorrangig kein technisches Thema, sondern bewegt sich wesentlich stärker in einem rechtlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Kontext. Welche Chancen, aber auch welche Herausforderungen entstehen durch Open Source für die öffentliche Verwaltung und somit auch für kommunale IT-Dienstleister?

OSS ist Software, deren Quellen veröffentlicht werden und von anderen genutzt werden können. Das bedeutet nicht, dass die Software „out of the Box“ lauffähig sein muss. Es bedeutet auch nicht, dass die Nutzung grundsätzlich zwingend kostenfrei ist.

Welche Vorteile bringt Open Source Software mit sich?

OSS schafft digitale Souveränität. Es gibt keine Abhängigkeit von einzelnen Herstellern. Es besteht die Möglichkeit, dass Fehlerbehebung oder Weiterentwicklung von den Kommunen selbst oder von unabhängigen Dritten, sprich von der „Open Source Community“, durchgeführt werden. Für das krisensichere Funktionieren der öffentlichen Verwaltung ist dies eine maßgebliche Voraussetzung. Eine eng damit verbundene Eigenschaft von Open Source Software ist der Sicherheitsgewinn. Im Gegensatz zu proprietärer Software können Sicherheitslücken schnell festgestellt und beseitigt werden. Ungewünschte und intransparente Datenflüsse sind nicht möglich. Open Source Software unterliegt einer laufenden und umfassenden Qualitätssicherung der Community. Aus den Erfahrungen und Ereignissen der letzten Jahre sind der Sicherheitsaspekt und die Souveränität der digitalen Verwaltung eine zwingende Voraussetzung für die Kontinuität staatlichen Handelns.

Neben diesen grundlegenden Vorteilen bietet OSS auch wirtschaftliche und organisatorische Vorteile. Open Source Software ist in aller Regel lizenzkostenfrei. Das bedeutet nicht, dass der Einsatz von OSS nicht mit Kosten verbunden wäre. Es besteht aber eine höhere Flexibilität wie, wann und wo die Kosten anfallen. Bei proprietärer Software kann man sich in aller Regel nicht entscheiden, wer beispielsweise die Wartung und Pflege übernimmt. Das ist in aller Regel der Hersteller der Software. Er verfügt ja über den Quellcode. Noch weiter geht die Alternativlosigkeit für die Kommunen bei proprietären Software-as-a-Service (SaaS) Angeboten. Hier ist der Nutzer dem Anbieter fast komplett „ausgeliefert“.

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Open Source schafft hier Entscheidungsfreiheit. Der Nutzer und damit die Kommunen können beispielsweise entscheiden: Wer pflegt die Software? Wer betreibt die Software? Wer erweitert die Software?

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Und hier schließt sich der Bogen zu einem Thema, das die Kommunen derzeit stark beschäftigt: Wie kann die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) gelingen? Das OZG fordert, dass die Kommunen alle Leistungen digital anbieten müssen. Der Bund fördert die Umsetzung von Online-Diensten, wenn verschiedene Kriterien erfüllt werden. Eine Forderung ist, dass ein Bundesland zentral Online-Dienste entwickelt und allen anderen Ländern zur Nachnutzung zur Verfügung stellt (Einer-für-Alle-Prinzip). Die Nachnutzung wurde auch noch als Software-as-a-Service definiert. Leider wurde nicht bedacht, dass es dabei zu lizenzrechtlichen und vergaberechtlichen Herausforderungen kommen kann. Jetzt wird versucht, mit ambitionierten juristischen Konstrukten diese Probleme in den Griff zu bekommen. Open Source könnte nach Meinung vieler Experten diese komplexen Herausforderungen in großen Teilen auflösen.

Was bedeutet Open Source für die öffentlichen kommunalen IT-Dienstleister?

Es gibt immer wieder Stimmen, die mit Open Source Software das Ende der kommunalen IT-Dienstleister verbinden. Doch mit Blick auf moderne, zukunftsfähige und vernetzte E-Government-Strukturen in Deutschland ist genau das Gegenteil der Fall: Open Source Software deckt sich mit der grundsätzlichen Aufgabenstellung von öffentlichen IT-Dienstleistern. Das Handeln öffentlicher Dienstleister bewegt sich im Rahmen einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung und nicht unter dem Diktat der Gewinnmaximierung. Unabhängig davon ist bei kommunalen IT-Dienstleistern ein interner Transformationsprozess erforderlich. Open Source Software zwingt die Akteure dazu, in einer Community zu agieren und mit anderen Herstellern partnerschaftlich zu handeln. Auch werden Projektgeschäft und Dienstleistungen immer mehr in den Vordergrund treten.

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Open Source Software ist keine Technologie. Es ist eine Philosophie, wie Software verteilt wird, welche Abhängigkeiten bestehen und wer in welcher Art und Weise Software nutzen kann.

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Für die öffentlichen kommunalen Dienstleister ist Open Source Software eine große Chance. Die Zusammenarbeit der kommunalen Familie kann wesentlich partnerschaftlicher gestaltet werden, weil auch Entwicklerressourcen effektiver genutzt werden können.

Fazit

Damit das Konzept von Open Source Software gelingen kann, müssen gewisse Rahmenbedingungen geschaffen werden. Für Softwareprojekte der öffentlichen Verwaltung muss Open Source Software verpflichtend sein. Weiterhin muss noch die Überzeugungsarbeit innerhalb der Verwaltung geleistet werden, dass Open Source Software kein Sicherheitsrisiko darstellt, sondern vielmehr einen Sicherheitsgewinn bringt. Die kommunalen IT-Dienstleister wiederum müssen ihren internen Transformationsprozess intensivieren. So kann Open Source Software einen maßgeblichen Anteil an der Digitalisierung Deutschlands leisten, die Souveränität der Behörden erhöhen und somit das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen stärken. Dies zu unterstützen, ist eine der ureigensten Aufgaben kommunaler IT-Dienstleister.

Dieser Artikel ist am 31.03.2022 in der Fachzeitschrift Kommune 21 erschienen.

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