Eine Maske zum Schutz vor Corona
© Jordy Nijenhuis / Pixabay

„Wir sollten die Zeit nutzen und uns gut vorbereiten“

Interview mit dem Epidemiologen Prof. Dr. Ralf Reintjes zur Gefährlichkeit von Corona und welche Maßnahmen getroffen werden sollten.

Wie sollten sich große Organisationen auf die Pandemie vorbereiten? Welche Maßnahmen empfiehlt ein Experte? Fünf Fragen an den Epidemiologen Prof. Dr. Ralf Reintjes.
Ralf Reintjes ist Professor für Epidemiologie und Surveillance an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und hat eine Professur für Infektionsepidemiologie an der Universität Tampere, Finnland. Professor Reintjes war bereits als Berater für die WHO, die EU, die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) sowie weitere Organisationen in zahlreichen europäischen, afrikanischen und asiatischen Ländern tätig.
Er war Fellow des European Programme for Intervention Epidemiology Training (EPIET) beim Nationalen Institut für Volksgesundheit und Umwelt (RIVM) der Niederlande, Leiter des Referats für Hygiene, Infektionskrankheitenepidemiologie und Impfwesem beim Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (LÖGD) und Leiter der Emerging Risks Unit bei der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) in Parma, Italien. Er ist Verfasser zahlreicher Publikationen in den Bereichen Epidemiologie, Surveillance und Policy Research.

VdZ: Für wie gefährlich halten Sie das Corona-Virus SARS-CoV-2?

Reintjes: Laut Beschreibungen sind die klinischen Symptome bei Patienten mit Covid-19 recht unspezifisch und ähneln sehr denen bei einer Virusgrippe. Auffällig erscheint jedoch eine relativ hohe Sterberate unter bestätigten Krankheitsfällen. Dieses und die Tatsache, dass dieses Virus scheinbar neu als humanpathogenes Virus anzusehen ist und wir noch recht wenig über das Virus und mögliche Krankheitsverläufe wissen, macht es besonders.

VdZ: Wie sollten sich große Organisationen und Verwaltungen vorbereiten?

Reintjes: Wie alle anderen sollten sich große Organisationen gut vorbereiten, gute Hygienemaßnahmen verstärken und möglichst Kontakte mit möglicherweise infizierten Personen vermeiden. Wenn möglich sollte Home-Office eine Option sein.

VdZ: In einer Risikoanalyse zum Bevölkerungsschutz wurde 2012 der Verlauf einer Pandemie infolge der Verbreitung eines neuartigen Erregers durchgespielt. Als Beispiel wurde das SARS-Coronavirus (CoV) benannt; tatsächlich fallen Parallelen zwischen der Risikoanalyse und der aktuellen Entwicklung auf. Allerdings schockiert die Modellierung mit 78 Millionen erkrankten Menschen binnen drei Jahren und „mindestens 7,5 Millionen Toten als direkte Folge der Infektion“ – in Deutschland! Halten Sie so etwas für vorstellbar?

Reintjes: Das von Ihnen dargestellte Szenario bezieht sich Annahmen bei einem SARS-Ausbruch. SARS zeigte eine Sterberate von fast 10 Prozent. Glücklicherweise sehen wir das bei Corid-19 auf einem deutlich niedrigeren Niveau. 

VdZ: Welche konkreten Maßnahmen empfehlen Sie für den zwischenmenschlichen Umgang?

Reintjes: Hierzu gibt es deutliche Empfehlungen des RKI und des ECDC. Eine gute Hygiene und eine Reduktion von Kontakten, die zu einer Übertragung führen könnten, ist derzeit sehr anzuraten. Möglicherweise infizierte Personen sollten eine Quarantäne einhalten, um eine Weiterverbreitung zu vermeiden.

VdZ: Sind Sie mit der öffentlichen Sensibilität für die Problematik und den staatlichen Vorkehrungen zufrieden oder müssten wir mehr tun?

Reintjes: Bei SARS hatten wir in Europa viel Glück. Das neue Virus scheint sich offensichtlich effektiver zu verbreiten. Es ist damit zu rechnen, dass auch in Europa bald gehäuft viele Fälle auftreten werden. Wir sollten die Zeit bis dahin nutzen und uns gut vorbereiten.