ZUKO-TT22 Broemme
© Wegweiser Media & Conferences GmbH/ Simone M. Neumann

Projektmanagement im Spiegel von Erfolg und Scheitern (Refresh)

Nachgedanken von Albrecht Broemme (THW)

Ist es möglich, ein gutes Projektmanagement in die bestehenden Strukturen der öffentlichen Verwaltung zu implementieren und besteht darin eine Notwendigkeit? Dies war einer der vielen Fragen des 1. Zukunftskongress-THINKTANK am 30.08.2022.
In einer agilen und regen Diskussionsrunde wurde über diese Themen debattiert und sich ausgetauscht. Auf einen wichtigen Punkt müsste die öffentliche Verwaltung aber vorbereitet sein: Projekte können scheitern.

Damit Projekte erfolgreich gelingen, muss in der Vorbereitung und Planung auf einige Punkte geachtet werden:

Albrecht Broemme
© Albrecht Broemme

Zunächst sollte sich das Projektmanagement eine genaue Zielvorgabe geben und die Verantwortlichkeit klären. Denn eine ungewisse Zuständigkeit birgt die Gefahr einer Verantwortungsdiffusion. Die Vorbereitung für ein erfolgreiches Projekt kostet Zeit und Geld, meistens auch geschultes Personal. Dieses Personal sollte heterogen aufgestellt sein, aus fünf bis neun Personen und einem Teamleader bestehen.  Außerdem sollte schon vor der Umsetzung die juristischen Themen (Datenschutz, Genehmigungsverfahren), die Belange des Klimaschutzes und der Energieeffizienz beachtet werden.

Fehler passieren, aber was ist die Konsequenz?

Der Projektverlauf sollte zunächst von erfahrenen Planern skizziert werden. Erfahrung, die aus vergangenen Projekten gesammelt wurde, sollte stets berücksichtigt werden. Es kommt dennoch ständig vor, dass Erkenntnisse nicht mehr aufgegriffen werden oder einfach vergessen wurden (Erfahrungsdemenz).
Bei Abweichungen des Projektverlaufs sollte konsequent gehandelt werden. Ein Beispiel für eine Abweichung eines Projektverlaufs ist hierbei der BER. Fehlschläge und Erfolge passieren, zu selten wird aus diesen gelernt. Das liegt auch an der "Fehler-Kultur" in Deutschland.

 

Aufgrund seiner einschlägigen Erfahrung in über fünfzig Jahren haupt- und ehrenamtlichen Arbeit im Katastrophenschutz stellt Albrecht Broemme folgende zehn Punkte zur Diskussion:

 

1. Projekte scheitern, wenn das Ziel unklar ist

 

Es kostet viel Mühe, das eigentliche Ziel klar zu beschreiben. Solange dies unklar ist, sollte kein Projekt starten. Das Oberziel hat zur Folge, dass weitere Ziele untergeordnet werden.

Die Qualität von Projektergebnissen hängt nicht vom Umfang der Lastenhefte, der Pflichtenhefte und der Feinziel-Beschreibungen ab – deren Erstellung kostet Ressourcen, die häufig in keinem Verhältnis zum Projekt stehen.

Beispiel: Individualverkehr

  • Soll der Individualverkehr insgesamt minimiert werden?
  • Sollen Verbote und Gebühren den Individualverkehr unmöglich machen?
  • Soll der Individualverkehr mit privaten Kfz minimiert werden?
  • Sollen alle privaten Kfz ausschließlich Elektroantriebe haben?
  • Soll der Individualverkehr möglichst klimafreundlich sein?
  • Je nach Fragestellung ergeben sich völlig unterschiedliche Lösungen!
     

2. Projekte scheitern, wenn nach Projektstart Änderungen erfolgen

 

Sofern ein Ziel einmal richtig gesetzt ist, sollte man daran festhalten, auch wenn es zwischendurch Zweifel oder gar neue Einfälle gibt. Wenn ein Projekt scheitert, war meistens das ursprüngliche Ziel nicht richtig gesetzt.

Beispiel: Umplanungen am Flughafen BER

  • Nachträglich musste die Abfertigung des Airbusses A380 bzw. der Boeing 747 eingeplant werden, dies erforderte maßgebliche Planänderungen bei den Abläufen und beim Baukörper. Noch vor Fertigstellung des BER stand fest, dass diese Großflugzeuge den BER nie anfliegen werden.
     

3. Projekte scheitern, wenn Zusammenhänge nicht beachtet werden - „Prinzip der kommunizierenden Röhren“

 

Gute Planer haben den „360°-Blick“. Systemisches Denken ist zwingend erforderlich. So müssen Belange des Klimaschutzes, des Umweltschutzes, der Energieeffizienz sowie rechtliche Belange (Datenschutz, Genehmigungsverfahren) stets von Anfang an mit bedacht werden.

Juristischer Sachverstand wird gelegentlich als störend empfunden, obwohl er bei rechtzeitiger Einbindung hilft, „Klippen zu umschiffen“.

Beispiel: Erzeugung elektrischer Energie

  • Welche Erzeugungsmethode ist im Hinblick auf den Klimaschutz tatsächlich die zweckmäßigste?
  • Welche Erzeugungsmethode ist im Hinblick auf den Naturschutz tatsächlich die zweckmäßigste?
  • Welche Erzeugungsmethode ist die wirtschaftlichste?
  • Welche dieser Erzeugungsmethoden ist tatsächlich realisierbar?
  • Kann der Bedarf an elektrischer Energie reduziert werden oder steigt er weiterhin an?  
  • Je nach Fragestellung ergeben sich unterschiedliche Lösungen. Bei allen Fragen muss zwingend die Gesamt-Bilanz ermittelt werden, also von der Rohstoffgewinnung über die Produktion der Bauteile über den Bau über den Betrieb bis zum Rückbau.
     

4. Projekte scheitern, wenn Aufgaben und Verantwortlichkeiten unklar sind

 

Detaillierte Zuständigkeiten erzeugen nur eine scheinbare Transparenz. Zu starke „Verästelungen“ ermöglichen die „Verantwortungsdiffusion“. Vielmehr muss klar sein, welche Person persönlich die Ergebnisverantwortung trägt. Die sogenannte „Mitzeichnungsleiste“ sollte idealerweise nicht mehr als „eine Handvoll“ Stellen umfassen, diese müssen das Projektziel mit verfolgen.

Beispiel: Errichten von zusätzlichen Hochwasserpegeln

  • Die Unwetterschäden 2021 haben u.a. gezeigt, dass die Wasserpegel auch in Bächen und kleinen Zuläufen beobachtet werden müssen. Dies kann erfolgen durch…
    … den Bau von Hochwasserpegeln nach EU-Standard (Kosten je Pegel rund 200.000 EUR)
    … den Bau von einfachen Hochwasserpegeln, die ggf. auch ausfallen dürfen (Kosten je Pegel rund 200 EUR)
    … die Auswertung der Wasserpegel aus der Luft
    … die Auswertung der Wasserpegel aus dem Weltraum
    … die Auswertung akustischer Signale
    … sonstige noch zu erforschende Methoden
     
  • Es muss (in der Verwaltung) genau eine Stelle geben, die dafür verantwortlich ist, dieses Vorhaben unverzüglich zu planen, zu finanzieren und umzusetzen.
  • Sofern die Priorisierung feststeht (siehe Punkt 1), muss das Ziel konsequent und unverzüglich angesteuert werden.
     

5. Projekte scheitern, wenn der Weg nicht funktionieren kann

 

Erfahrene Planer müssen beim Start eines Projektes den Projektverlauf grob skizzieren und festhalten. Sofern eklatante Abweichungen (insbesondere bei Fristen und Kosten) erkennbar sind, muss logisch und konsequent gehandelt werden. Im Zweifelsfall muss „die Reißleine gezogen werden“.

Immer wieder werden einschlägige Erfahrungen (eigene oder anderer) nicht berücksichtigt. Sie sind unbekannt oder werden nicht hinreichend gewürdigt („Erkenntnis-Ignoranz“).

Erschreckend ist die Geschwindigkeit des Vergessens („Erfahrungsdemenz“): häufig ist nach einem Jahr die Hälfte vergessen, nach einem Jahr nahezu alles. Aktuelle Beispiele sind Unwetterschäden und Corona.

Das Lernen aus Fehlschlägen und Erfolgen erfolgt viel zu selten, zu unsystematisch und zu „unehrlich“. Dagegen wird – auch unter Druck der Öffentlichkeit – viel Energie für die Suche nach „den Schuldigen“ verwendet. Das liegt u.a. an einer schlechten Fehler-Kultur in Deutschland. 

Beispiel: „Energiewende“

  • Was ist das eigentliche Ziel der „Energiewende“?
  • Sind sämtliche Auswirkungen auf das Klima, die Umwelt, die Natur, den Einsatz von Ressourcen, die Kosten und die Betriebssicherheit ermittelt?
  • Muss der Strombedarf weiterhin stark ansteigen oder kann er begrenzt oder reduziert werden?
  • Sind transkontinentale Netze insgesamt sinnvoller als regionale / lokale Netze?
  • Welche Netze haben welche Leistungsreserven? welche Netze müssten ausgebaut werden?
     

6. Projekte scheitern, wenn die erforderlichen Ressourcen fehlen

 

Planung und Umsetzung eines jeden Projektes kosten Zeit und Geld, meistens auch geschultes (zusätzliches) Personal. Hier wird immer wieder „tiefgestapelt“, um ein Projekt besser „an den Start zu bringen“. Sofern geeignetes Personal fehlt, muss es angeworben oder eingekauft werden.
 

7. Projekte scheitern, wenn das Team falsch zusammengesetzt ist

 

Das ideale Team ist heterogen (interdisziplinär, Männer und Frauen, Erfahrene und Neulinge) zusammengesetzt. Diese müssen vom Projektziel überzeugt sein. Sie sollten selbstbewusst, aber teamfähig sein. Ein erfolgreiches Team besteht aus fünf bis neun Personen mit einem Teamleader. Selbstverständlich können bestimmte Aufgaben Sub-Teams übertragen werden (Beispiel: Architekt – Fachplaner – Bauleiter).
 

8. Projekte scheitern, wenn es an Vertrauen mangelt

 

Erforderlich ist das interne sowie das externe Vertrauen (auch das öffentliche!). Dies muss erarbeitet werden. Es kann schnell beschädigt werden. Dann kommt es – insbesondere bei Projekten der öffentlichen Hand – zum öffentlichen Anprangern des (vermeintlich) Schuldigen.

Beispiel: Klimaschutz

  • 197 Staaten der Welt haben sich 2015 in Paris auf das 1,5-Grad-Ziel verständigt. 56 (!) dieser Staaten haben das Abkommen ratifiziert. Es wird behauptet, dass dieses ambitionierte Ziel ganz wesentlich durch die Reduktion des CO2-Ausstoßes erreichbar sei. Radikale „Klima-Aktivisten“ versuchen mit diversen Aktionen, dieses Ziel allgemein und politisch zum Schwerpunkt unseres Handelns zu machen.
  • Wie stark ist der Anteil des durch Menschen verursachten Klimawandels an den natürlichen Klimaschwankungen?
  • Was wären andere Methoden, um den durch Menschen verstärkten Klimawandel zu reduzieren?
  • Welches andere Ziel wird gesetzt, wenn das 1,5-Grad-Ziel offensichtlich nicht, wie 2015 vereinbart, erreichbar ist?

Beispiel: überforderte Bezirksverwaltungen in Berlin

  • Die Wahlen in Berlin für den Deutschen Bundestag, das Landesparlament und die Bezirksparlamente waren mangelhaft vorbereitet und somit fehlerhaft. Daher muss die Wahl größtenteils rund ein halbes Jahr später wiederholt werden. Dies führt zum weiteren Vertrauensverlust in die Fähigkeiten der Berliner Verwaltung zum geordneten Handeln.
  • Das Warten auf eine Sterbeurkunde bis zu zwei Monaten verursacht bei den Hinterbliebenen Kosten und Verdruss. Sofern (einzelne) Standesämter tatsächlich überlastet sind, müssten andere Verwaltungen temporär aushelfen.
  • Kann das Vertrauen in die Verwaltung durch eine andere Politik zurückgewonnen werden?
     

9. Projekte scheitern, wenn sie losgelöst von der „Linie“ arbeiten

 

Sofern es gute Gründe gibt, eine Aufgabe nicht „in der Linie“ sondern als „Projekt“ zu erledigen, muss „die Linie“ dennoch so eng wie möglich eingebunden werden. Sie muss zumindest gut informiert werden. Die Kommunikation spielt also eine entscheidende Rolle. Spätestens die Umsetzung des Projektes ist stets eine Regel-Aufgabe der Linie, die auf Akzeptanz stoßen muss.

Beispiel: Vorbereitung auf Engpässe bei der Energieversorgung

  • Engpässe bei der Energieversorgung betreffen letztlich alle Bereiche unserer Gesellschaft. Deshalb müssten sich die Verwaltungen, Betriebe, die Wirtschaft und die Bevölkerung darauf einstellen. Ziel ist die Verbesserung der Resilienz.
    Sofern diese gesamtheitliche Aufgabe einem kleinen „Krisenstab“ übertragen wird, werden Engpässe bei der Energieversorgung zu großen Problemen führen. Der Krisenstab muss daher wie „die Spinne im Netz“ alle möglichen Fäden ziehen, um gemeinsam die Resilienz zu verbessern.
     

10. Projekte scheitern an vier typischen Hürden

 

Folgende Schlagworte werden regelmäßig benutzt, um Projekte scheitern zu lassen, zu verzögern oder zu verteuern:

  • Datenschutz
  • Brandschutz
  • Naturschutz
  • Denkmalschutz