Simone M. Neumann
© Simone M. Neumann

"Wir brauchen starke Auftragsgeber, die wissen, was sie wollen"

Interview mit Dr. Johann Bizer, Vorstandsvorsitzender von Dataport

Der 1. Digital Justice Summit liegt nur einen Monat zurück. Wir sprachen deshalb mit Dr. Johann Bizer, Vorstandsvorsitzender von Dataport, im Zuge dieses Kongresses über die Zentralisierung der IT und über die Position des CDOs & CIOs. Außerdem war es uns wichtig zu wissen, wie sich die föderale IT in der Justiz umsetzen lässt.

VdZ: Sehr geehrter Herr Dr. Bizer, können Sie kurz Ihr Unternehmen Dataport und Ihre Aufgaben dort beschreiben?

 

Bizer: Dataport ist einzigartig in Deutschland: Ein gemeinsamer IT-Dienstleister und Digitalisierungspartner der öffentlichen Verwaltung in sechs Bundesländern und der Kommunen in Schleswig-Holstein. Seit 2008 bin ich im Vorstand von Dataport und seit 2011 Vorstandsvorsitzender. Wir sind eine AöR und unterstützen und begleiten die Einrichtungen des öffentlichen Sektors bei ihrer digitalen Transformation das gilt auch für die Justiz. So betreiben wir beispielsweise das Data Center Justiz für die speziellen Fachverfahren der Justiz in vier Bundesländern – Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt. Dabei handelt es sich um einen abgekapselten Bereich in unserem Rechenzentrum, das vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert ist. Durch die Kooperation der Länder ergeben sich für alle Partner Vorteile: Mehr Wirtschaftlichkeit, ein gemeinsames hohes Sicherheitsniveau, gebündeltes technisches Know-how. 

Dr. Johann Bizer, Vorstandsvorsitzender von Dataport
© Dataport Presse

VdZ: Sie waren bei dem 1. Digital Justice Summit zu Gast. Was konnten Sie von der Konferenz mitnehmen und wo sehen Sie noch dringend Klärungsbedarf?

 

Bizer: Auch wenn es der eine oder die andere nicht gerne hören wird: Für die Digitalisierung der Justiz gelten keine anderen Bedingungen als bei der allgemeinen Verwaltungsdigitalisierung. Die Justiz musste bisher keine neuen Prinzipien erfinden, sondern hat zentrale Grundsätze der föderalen IT-Kooperation aufgenommen und für sich ausgeprägt: Übergreifende Strategien und Standards, Harmonisierung und Konsolidierung von Infrastrukturen.

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Zentralisierung muss nicht die Lösung aller Probleme sein.

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Gerade die Justiz zeigt, dass es in einem föderal ausgerichteten Staatsgebilde möglich ist, Digitalisierung übergreifend zu gestalten. Nur durch gemeinsames Handeln können wir auch mit den Risiken umgehen, welche die zunehmende Abhängigkeit von IT mit sich bringt. Denn Verwaltung muss auch im digitalen Zeitalter zuverlässig, krisenfest und digital souverän bleiben. Diese Herausforderung ist am besten gemeinsam und über die Kompetenz von Spezialisten zu lösen. Das gilt auch für die Justiz. Das lebt sie in weiten Teilen vor. 

 

VdZ: Denken Sie, dass eine zunehmende Zentralisierung der IT und der Rechenzentren zielführend ist? Wie lässt sich föderale IT durch Kooperation auch im Justizumfeld umsetzen?

 

Bizer: Zentralisierung muss nicht die Lösung aller Probleme sein. Auch ein kooperativer Ansatz ist zielführend. Dataport betreibt seit 2020 ein Data Center Justiz für mehrere Bundesländer. Zu Beginn war das noch umstritten. Mittlerweile ist es im Norden Gemeingut. Wer kooperiert, muss sich mit anderen einigen können. Das ist eine starke Leistung der Kooperation. Keines der am Data Center Justiz beteiligten Länder hat Steuerungskompetenzen verloren. Alle haben jedoch Betriebsstabilität und IT-Sicherheit gewonnen.

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Es geht im Wesentlichen um die Gestaltung von Abläufen in Organisationen, also um Prozesse.

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Was zudem allen hilft: Eine Kooperation in Form von Entwicklungsverbünden ist auch in kleineren Einheiten möglich. Diese Form von Kooperation kann noch weiter vorangetrieben und professionalisiert werden, auch im Rahmen eines Verbundes wie einem Data Center Justiz. Das Modell kann auch um eine gemeinsame Beschaffung erweitert werden, um auch auf diese Weise weitere wirtschaftliche Vorteile zu generieren.  

 

VdZ: Muss für eine erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung die Position eines CDOs oder CIOs in der Justiz geschaffen werden?

 

Bizer: Wenn es um Digitalisierung geht, wird vor lauter Reden über Technik oft ein Aspekt vergessen: Es geht im Wesentlichen um die Gestaltung von Abläufen in Organisationen, also um Prozesse. Es kommt nichts Gutes heraus, wenn bestehende Prozesse unverändert ins Digitale übersetzt werden. Um durch Digitalisierung Potenziale zu heben, müssen Abläufe anders organisiert und angepasst werden.

Das ist die klassische Aufgabe eines Chief Digital Officer, ob nun als Person oder als Einrichtung. Ein Chief Information Officer wird typischerweise als Fachkompetenz für den Einsatz von Informationstechnik gesehen. Generisch betrachtet, erlebt der CIO mit zunehmenden Anforderungen der Digitalisierung eine Transformation in Richtung CDO: Vom Experten für Technik zum digitalen Prozessgestalter. 

 

VdZ: Ein Blick in die Zukunft: Muss der Verantwortungsbereich der IT-Dienstleister gestärkt werden, damit eine effektivere und bessere Digitalisierung in Deutschland gelingen kann?

 

Bizer: Digitalisierung erfordert professionelles Management. Wir brauchen eine Strategie, starke Auftraggeber, die wissen, was sie wollen, und umsetzungsstarke IT-Dienstleister. Die IT-Dienstleister sorgen für einen sicheren IT-Betrieb und stellen die Programme bereit, die der elektronische Rechtsverkehr benötigt. Die besondere Rolle der öffentlichen IT-Dienstleister besteht dabei darin, dass sie die digitale Souveränität des Staates im Allgemeinen und die Funktionsfähigkeit des elektronischen Rechtsverkehrs im Besonderen operativ gewährleisten. Kurz gesagt, es gilt, uns vor riskanten Abhängigkeiten – von bestimmten Technologien oder einzelnen Herstellern – und vor Cyberangriffen bestmöglich zu schützen. Niemand darf und soll die Unabhängigkeit der Justiz gefährden, indem er beispielsweise den Zufluss an Software unterbindet oder den IT-Betrieb einfach einstellt.

Das Beispiel Dataport zeigt dabei, dass wir als öffentliches Unternehmen auch mehr können: Wir betreiben eine von uns entwickelte Plattform, über die unsere Kunden alle IT-administrativen Tätigkeiten revisionssicher nachvollziehen können. Damit haben wir eine Grundanforderung von Justiz und Datenschutz bereits vor Jahren erfüllt. Wir gehören zu den ganz wenigen öffentlichen Rechenzentren mit einer vollständigen IT-Grundschutz-Zertifizierung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Wir haben bereits vor Jahren ein Kompetenzzentrum für Automatisierung und künstliche Intelligenz aufgebaut (data[port]ai). Und es sind schließlich öffentliche IT-Dienstleister wie Dataport, die sich zur Genossenschaft Govdigital zusammengeschlossen haben, um operative Aufgaben der föderalen IT-Kooperation gemeinsam zu erfüllen. Grundlage dieser Entwicklungen sind im Fall von Dataport sieben engagierte Träger – sechs Länder und ein kommunaler Trägerdie von uns, ihrem IT-Dienstleister, im eigenen Interesse eine proaktive Aufstellung fordern.

Zusammenfassend gesagt: Im modernen Föderalismus sind Bündelung und Konsolidierung von Aufgaben und Zuständigkeiten möglich. Man muss es nur wollen. Je klarer das politische Mandat, desto besser sind die öffentlichen IT-Dienstleister.