Bosbach/ Wegweiser

Rassismus! Rassismus?

Über die Debatte um neue kriminaltechnische Mittel und den Vorwurf struktureller Diskriminierung

Wenn in Deutschland über die Erweiterung forensischer Ermittlungsverfahren diskutiert wird, steht schnell ein schwerwiegender Vorwurf im Raum: Rassismus. Wie gelingt es, über solche sensiblen Themen sachlich zu sprechen?

Ein Blick in Wikipedia hilft nicht immer, und Wiki ist auch nicht 100 % frei von Fehlern das allerdings dürfte für andere Nachschlagewerke auch gelten. Wie dem auch sei, dort heißt es unter dem Stichwort Rassismus wörtlich:

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Rassismus oder Rassenideologie ist eine Weltanschauung, nach der Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale oder negativer Fremdzuschreibungen, die übertrieben, naturalisiert oder stereotypisiert werden, als Rasse, Volk oder Ethnie kategorisiert und ausgegrenzt werden. Bis ins 20. Jahrhundert wurden dazu vor allem aufgrund biologischer Merkmale [] angebliche Menschenrassen in heute obsoleten Rassentheorien konstruiert und damit Sklaverei, Assimilationspolitik, Ethno- oder Genozid gerechtfertigt.

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Dem tritt schon Art. 1 GG entgegen, denn die Menschenwürdegarantie wird unterschiedslos allen Menschen zuerkannt, ganz gleich welcher Herkunft, Staatsangehörigkeit, religiöser Überzeugung. 

Umso erstaunlicher, dass sofort der Vorwurf Rassismus erhoben wurde, als sich die Justizministerinnen und -minister vor wenigen Wochen für eine Erweiterung herkömmlicher DNA-Analysen aussprachen, die sogenannte biogeografische DNA-Analyse. So soll bei der Aufklärung schwerer (!) Straftaten zur Ermittlung unbekannter Täter genetisches Spurenmaterial (Blut, Sperma usw.) auch auf das Merkmal biogeografische Herkunft untersucht werden. Es geht den Sicherheitsbehörden um eine ... weitere Konkretisierung der Ermittlungsansätze, nicht zuletzt zur Vermeidung von Grundrechtseingriffen gegen Unbescholtene etwa durch Eingrenzung des Personenkreises bei Massengentests. 

Soweit erinnerlich, gab es vor gut 6 Jahren die letzte Reform der rechtlichen Grundlagen für eine DNA-Auswertung. Zuvor waren diese Untersuchungen beschränkt auf Abstammung und Geschlecht, jetzt dürfen auch Rückschlüsse auf Augen- und Haut- und Haarfarbe sowie das Alter des/der Gesuchten gezogen werden. Und schon damals, bei der letzten Reform, wurde der Vorwurf des zumindest latenten Rassismus erhoben. Haben sich die schon damals erhobenen Vorwürfe Diskriminierung in der kriminalistischen Praxis irgendwie bestätigt? Wäre es tatsächlich so, hätte man sicherlich davon gehört. Und wie! 

Vielleicht wäre es gut, wenn ein für alle Mal klargestellt würde, dass es den Ermittlern ausdrücklich und ausschließlich  um die Eingrenzung des Kreises möglicher Täter geht, nicht um Diskriminierung oder Stigmatisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen. 

Eine ganz andere Frage ist, ob und inwieweit die geplante Erweiterung der Erweiterung der DNA-Analyse ermittlungstaktisch wirklich hilfreich ist, also in der kriminalistischen Praxis alltagstauglich oder ob sie nur dazu führen würde, Vorurteile zu schüren. 

Warum ist es eigentlich gerade in Deutschland so schwierig, darüber ganz sachlich zu diskutieren und die sogenannte Rassismuskeule einfach mal in der Ecke stehen zu lassen?Wer gute Sachargumente hat, braucht dieses Instrument wirklich nicht. Jedenfalls nicht an dieser Stelle. 


Der Autor, Wolfgang Bosbach, ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für Wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.

Der 8. Berliner Kongress Wehrhafte Demokratie findet vom 29. bis 30. Juni 2026 erneut im Hotel de Rome in Berlin statt.