Kiara Winona Sweeney, 26. Beschaffungskonferenz
© Wegweiser Media & Conferences GmbH / Simone M. Neumann

Gemeinwohlorientierte Unternehmen: „Brückenbauer zwischen Umwelt und Wirtschaft“

Interview mit Kiara Winona Sweeney zur Integration gemeinwohlorientierter Unternehmen in die öffentliche Beschaffung

Gewinnorientierung und Verantwortung für die Umwelt dürfen sich nicht ausschließen. Im Nachgang der 26. Beschaffungskonferenz haben wir darüber mit Kiara Winona Sweeney gesprochen. Sie ist Autorin des aktuellen Statusberichts des Yunus Environment Hub und leitet die Circular Impact Procurement Initiative (CIPI), die gezielt zirkuläre, gemeinwohlorientierte Unternehmen fördert.

Verwaltung der ZukunftFrau Sweeney, können Sie uns kurz erklären, was die Circular Impact Procurement Initiative (CIPI) ist und welches Ziel das Programm verfolgt?

Kiara Winona SweeneyCIPI ist eine Initiative des Yunus Environment Hub, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und die Europäische Union über den ESF Plus. Mit dem Programm unterstützen wir Beschafferinnen und Beschaffer dabei, zirkuläre Lösungen in ihre Wertschöpfungsketten zu integrieren, und stärken zugleich gemeinwohlorientierte Unternehmen, damit sie procurement-ready werden und ihre Produkte und Dienstleistungen skalieren können.

Unser Ziel ist es, nachhaltige Beschaffung in Deutschland zum Standard zu machen – durch Wissenstransfer, Vernetzung und praxisnahe Schulungen, die beiden Seiten helfen, gemeinwohlorientierte Unternehmen zu stärken, regulatorische Anforderungen wie CSRD und LkSG zu erfüllen und langfristig resiliente Lieferketten aufzubauen.

VdZAus Ihrer Praxisarbeit mit CIPI: Mit welchen drei zentralen Herausforderungen haben Beschaffer*innen Ihrer Erfahrung nach am häufigsten zu kämpfen, wenn sie nachhaltige und zirkuläre Beschaffungsprozesse umsetzen möchten?

Kiara Winona Sweeney im Plenum am Morgen „Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung im Dilemma zwischen Effizienz, Bürokratieabbau und haushalterischem Druck“ bei der 26. Beschaffungskonferenz.
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Sweeney: Aus meiner Erfahrung mit CIPI sehe ich drei zentrale Hürden, mit denen Beschaffer*innen am häufigsten ringen. Erstens herrscht oft Unsicherheit bei den rechtlichen Rahmenbedingen für gemeinwohlorientierte Unternehmen – viele haben Sorge, Fehler zu machen oder nicht rechtssicher zu agieren, sobald Nachhaltigkeitskriterien in den Vergabeprozess einfließen.

Zweitens fehlt es in den Teams häufig an Zeit und spezifischem Fachwissen. Nachhaltige Beschaffung bedeutet zusätzlichen Aufwand: mehr Marktüberblick, neue Bewertungsmethoden und sorgfältigere Recherche, die im ohnehin dichten Arbeitsalltag schwer unterzubringen sind.

Drittens ist der Zugang zu passenden Lieferanten eine echte Herausforderung. Zirkuläre und sozial orientierte Anbieter sind zwar vorhanden, aber oft nicht leicht sichtbar oder zugänglich, weil geeignete Netzwerke und Plattformen fehlen.

VdZHaben Sie ein konkretes Beispiel, bei dem die Einbindung gemeinwohlorientierter Unternehmen in der Circular Economy in öffentliche Beschaffungsprozesse besonders erfolgreich war? Was zeichnete diese Projekte aus?

Sweeney: Ein praxisnahes Beispiel ist die Zusammenarbeit öffentlicher Einrichtungen mit AfB Social & Green IT, Europas größtem gemeinwohlorientiertem IT-Unternehmen. AfB übernimmt deutschlandweit gebrauchte IT-Hardware von Kommunen, Schulen, Behörden und anderen öffentlichen Stellen, löscht die Daten DSGVO-konform und bereitet die Geräte professionell wieder auf. So wird Elektroschrott vermieden, Ressourcen geschont und CO eingespart. Fast die Hälfte der Mitarbeitenden hat eine Behinderung, was soziale Integration und nachhaltige Kreislaufwirtschaft beispielhaft verbindet.

Öffentliche Auftraggeber können AfB auch als anerkanntes Inklusionsunternehmen oft direkt beauftragen (§118 GWB), was bürokratische Hürden abbaut. Zudem erhalten sie eine individuelle Wirkungsurkunde, die den ökologischen und sozialen Mehrwert ihrer Aufträge dokumentiert, hilfreich für das ESG-Reporting. Dieses Modell zeigt, wie ökologische und soziale Ziele in der öffentlichen Beschaffung erfolgreich und pragmatisch umgesetzt werden können.

VdZWelche besondere Bedeutung haben Ihrer Meinung nach gemeinwohlorientierte Unternehmen für die Circular Economy und die Transformation der öffentlichen Beschaffung? Und wie gelingt es Ihnen, diese oft kleinen und manchmal unsichtbaren Unternehmen im System sichtbar und wirksam zu machen?

Teil 1 zum Thema
Circular Impact Procurement
Nachhaltige Beschaffung

Circular Impact Procurement

Wie nachhaltige Beschaffung mit gemeinwohlorientierten Unternehmen gelingt

Sweeney: Gemeinwohlorientierte Unternehmen sind das Herz einer wirklich nachhaltigen Circular Economy. Sie gehen weit über die reine Ressourcenschonung hinaus, denn sie verbinden Umweltschutz mit sozialem Mehrwert, beispielsweise durch faire Arbeitsplätze oder die Stärkung von Gemeinschaften. Gerade weil viele dieser Unternehmen klein sind, bleiben sie oft im Verborgenen.

Initiativen wie CIPI unterstützen genau diese Zusammenarbeit zwischen Beschaffer*innen und sozialen, zirkulären Unternehmen. So werden Wege geöffnet, um diese innovativen Lösungen in öffentliche und private Beschaffungsprozesse einzubringen. Gemeinwohlorientierte Unternehmen in der Circular Economy sind also eine Art Brückenbauer zwischen Umwelt, sozialer Wirkung und Wirtschaft und treiben so die Transformation zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Wirtschaft aktiv voran.

VdZWie schätzen Sie die Entwicklung der nachhaltigen und zirkulären Beschaffung in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein? Wird sie Ihrer Meinung nach zum festen Standard, und was braucht es konkret, damit nachhaltige Beschaffung nicht nur ein Ideal bleibt, sondern im Alltag flächendeckend umgesetzt wird?

SweeneyIch sehe nachhaltige und zirkuläre Beschaffung in den nächsten fünf bis zehn Jahren als Bereich mit großem Potenzial, der aber noch einen langen Weg vor sich hat. Das Bewusstsein wächst, doch in der Praxis bremsen fehlende Kapazitäten, unklare Vorgaben und Unsicherheiten viele aus. Oft bleibt es bei gemeinwohlorientierte Unternehmenten Absichten, ohne dass sie wirklich in Verfahren und Routinen übersetzt werden.

Damit nachhaltige Beschaffung zum Standard wird, braucht es klare Leitlinien, praktische Unterstützung für die Verantwortlichen, stärkere Vernetzung und Beispiele gemeinwohlorientierter Unternehmen, die zeigen, dass es machbar ist. Ich glaube, dass wir Schritt für Schritt dahin kommen können – wenn Politik, Verwaltung und Wirtschaft konsequent zusammenarbeiten und Initiativen wie CIPI dazu beitragen, Wissen zu bündeln und Lösungen sichtbar zu machen.

VdZ: Welche praktischen Tipps würden Sie Beschaffungsteams geben, die gerade am Anfang stehen und nachhaltige Kriterien stärker verankern wollen?

SweeneyAm Anfang würde ich raten: Geht geduldig und pragmatisch vor. Nachhaltigkeit muss kein Perfektionsprojekt sein. Entscheidend sind kleine, machbare Schritte, die sich in den Alltag integrieren lassen.

Nutzt vorhandene Leitfäden und Schulungen, tauscht euch mit anderen Beschaffungsteams aus und vernetzt euch frühzeitig mit Experten. Setzt klare, realistische Ziele und überprüft regelmäßig, was funktioniert und wo nachjustiert werden kann. Initiativen wie CIPI helfen dabei, Praxiswissen zu sammeln und innovative Lösungen sichtbar zu machen. Wichtig ist vor allem, nachhaltige Kriterien konsequent einzufordern und gleichzeitig flexibel mit Hindernissen umzugehen. So entsteht ein Prozess, der stetig wächst und nachhaltige Wirkung entfaltet.


CIPI wird im Rahmen des Programms „Nachhaltig wirken“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) und der Europäischen Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert.