Gesundheit
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Nicole Cienskowski (Capgemini) und Prof. Hans-Henning Lühr (HS Bremen) im Partner-Interview zum ZuKo-THINKTANK

Zukunftskongress-THINKTANK am 30.08.2022

Digitale Daseinsvorsorge im Gesundheitswesen
Die klassische Daseinsvorsorge ist durch die digitale Transformation vor neue Herausforderungen gestellt: Das Denken in Silos und Organisationsstrukturen von Verwaltung, zivilgesellschaftlichen Institutionen, privaten Unternehmen, öffentlichen Institutionen, medizinischen „Kleinbetrieben“ (Arztpraxen, Apotheken, Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, Versicherungen etc. ) muss in der digitalen Gesellschaft überwunden werden.

Direkt vor Beginn des Zuko-THINKTANK sprach die VdZ-Redaktion mit Nicole Cienskowski und Prof. Hans-Henning Lühr, Gesprächsleiter der Session MARKT & STAAT.

Verwaltung der Zukunft: Sehr geehrte Frau Cienskowski, können Sie sich und Ihre Rolle bei Capgemini kurz beschreiben?

Cienskowski: Ich verantworte das Themenfeld „Gesundheit“ und bin damit vor allem für unsere Kunden aus der gesetzlichen Krankenversicherung sowie auch der Gesundheitsverwaltung wie beispielsweise dem Bundesministerium für Gesundheit und seinen nachgelagerten Behörden oder den Landesgesundheitsbehörden und dem Gesundheitsdienst zuständig. Unser Ansatz beginnt mit der Entwicklung von marktrelevanten Themen beginnend bis hin zur Umsetzung und dem Betrieb von Lösungen. Dabei verstehe ich mich in dieser Rolle als „Eintrittstor“ für unsere Kunden in die „Capgemini Welt“. Deshalb arbeite ich einerseits eng mit unseren Kunden zusammen, um die Vorhaben unserer Kunden erfolgreich umzusetzen. Andererseits halte ich auch den Kontakt mit unseren lokalen, europäischen und globalen Experten, um maßgeschneiderte Lösungen für unsere Kunden hier in Deutschland anzubieten. Wir können alle von guten Beispielen aus anderen Ländern profitieren.

Nicole Cienskowski (Capgemini)
© Nicole Cienskowski / Capgemini

VdZ: Mit welchen Zielen geht Capgemini in die Gespräche beim ZuKo-THINKTANK und mit kleinem Ausblick auf das Sozialversicherungsforum?

Cienskowski: Ich bin überzeugt davon, dass neue und optimierte Strukturen und Lösungen im Gesundheitswesen bzw. der Digitalen Daseinsvorsorge im Ökosystem und damit auch im Dialog mit verschiedenen, relevanten Beteiligten entstehen. Von daher freue ich mich zunächst einmal auf unsere Diskutanten und Impulsgeber aber natürlich auch auf den offenen Dialog mit den anwesenden Expertinnen und Experten. Nichts ist bereichernder als andere Perspektiven einzunehmen und verstehen zu lernen. 

Wenn wir als Diskutantengruppe den THINKTANK Slot zur „Digitalen Daseinvorsorge“ verlassen und ein gemeinsames Bild von Chancen und Potenzialen „mitnehmen“, wie wir eine vernetzte digitale Daseinsvorsorge in Deutschland etablieren können, dann ist ein erster wichtiger Schritt umgesetzt.

VdZ: Herr Prof. Lühr, Sie haben tiefen Einblick in unseren Verwaltungsapparat und das Thema mit auf die Bühne gestellt: Was ist Ihr Fokus?

Lühr: Wir brauchen eine konstruktive Kommunikation und Kooperation mit der Wirtschaft, den Gewerkschaften, der Wissenschaft und Politik und Verwaltung, um die digitale Transformation gestalten zu können. Die Verwaltung muss dabei offen sein für neue Impulse.

Prof. Hans-Henning Lühr
© Prof. Hans-Henning Lühr

VdZ: Thema Gesundheitsvorsorge: Föderale Struktur und ‘Kleinbetriebe’ als Leister – wird der digitale Wandel unseren Gesundheitsbegriff ändern und Vorsorge ein völlig neues Gesicht bekommen?
Wie sichern wir das Vertrauen in den Staat, wenn wir weitere Schritte einleiten, Hyperscaler, Drittanbieter leisten lassen?

Lühr: Der Gesundheitsbegriff wird sich ändern! Das ist gut so. Um der Leitformel der WHO, „Gesundheit - Zustand des vollkommenen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“ näher zu kommen, müssen wir die digitale Transformation nutzen. Wir müssen vom Reparaturbetrieb, bei dem es nur um die Beseitigung und Linderung von Krankheiten geht, zu einer neu gelebten Prävention zu kommen. Dazu müssen wir weiter am Fundament der digitalen Aufgabenerfüllung arbeiten, gleichzeitig auch neue Konzepte und Kooperationen auf den Weg bringen. „Digitale Daseinsvorsorge“ wird damit zum Schlüsselbegriff künftiger sektorübergreifender Kooperationen zwischen Verwaltung, öffentlicher und privater Wirtschaft und der Zivilgesellschaft. Digitale Transformation ist auch Staatsmodernisierung!

VdZ: Was macht für Sie, Frau Cienskowski, den ZuKo-THINKTANK aus?

Cienskowski: Der ZuKo-THINKTANK ist für mich ein Dialog mit Entscheiderinnen und Entscheider aus Kommune, Land und Bund. Das macht den THINKTANK so wertvoll. Es ist keine frontale Berieselung sondern ein echter Raum für kontroverse und intensive Diskussionen auf höchster Ebene.

VdZ: Haben Sie, Herr Prof. Lühr, Wünsche an Wegweiser?

Lühr: Wegweiser steht seit einigen Jahren für spannende offene Dialoge über Zukunftsthemen. Mit dem „ZuKo-THINKTANK“ kommt ein neues Format hinzu. Ich wünsche mir, dass Wegweiser damit noch mehr zur Drehscheibe praxisorientierter innovativer Ansätze wird.

VdZ: An Sie beide gerichtet: Wann wird die Digitalisierung in Deutschland gelingen?

Lühr: Digitalisierung der Verwaltung ist mehr als die „Elektronifizierung der klassischen Bürokratie“ Wir gucken also nicht in die Glaskugel.

Wir sehen, dass durch die Krisen wie die Klimakatastrophen, die jüngste Pandemie oder auch den Krieg in der Ukraine viele innovative Prozesse in Gang gekommen sind. Dies ist Chance, neue Impulse zu verstetigen. Wir müssen also weiter am Fundament der OZG-Umsetzung arbeiten, aber schon jetzt die Potenziale seiner Gestaltung aufnehmen. OZG ist heute. Digitale Daseinsvorsorge ist die Zukunft

Cienskowski: Neben dem OZG werden nun auch für den Bereich öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) über den ÖGD-Pakt Finanzierung zur Modernisierung zur Verfügung gestellt. Der ÖGD-Pakt hat von den Stolpersteinen des OZG gelernt und Leitlinien aufgegriffen aber auch optimiert. Neben der reinen Finanzierung und Umsetzung der Digitalisierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes wird eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre sein, diesen neben der ambulanten und stationären Versorgung als dritte Säule der digitalen Daseinsvorsorge zu etablieren. Es gilt diese Säule dann gleichermaßen mit den anderen Sektoren zu vernetzen und zu integrieren.

VdZ: Gretchenfrage: Wenn Sie alles in der Hand hätten, alle strategischen Entscheidungen treffen könnten: Was würden Sie selbst tun?

Lühr: Wir würden auf der Grundlage der digitalen Souveränität eine Strategie der Digitalisierung entwickeln, die auch die Staatsmodernisierung einbezieht...

Cienskowski: ...und darin integriert Brücken für die zahlreichen beteiligten Insitutionen im Gesundheitssystem mit unterschiedlichen Interessen und Anreizen bauen. Oberstes Ziel sollte ein handlungs- und reaktionsfähiges Zusammenspiel der Institutionen sein, um einen Mehrwert für Bürger/Patienten zu schaffen, welcher die Absicherung der zielgerichteten Versorgung als Teil der Daseinsvorsorge ermöglicht.