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Messer als Tatwaffe! Eine immer noch unterschätzte Gefahr?

Rechts- und Sicherheitsexperte Wolfgang Bosbach über die Gefahren von Messerangriffen

Wer den Film-Klassiker „Dr. Schiwago“ kennt, wird sich bestimmt auch an diese Szene erinnern: Bei der Festnahme des Protagonisten durch die Rotgardisten, seiner Durchsuchung und das anschließende Verhör durch den Kommandanten Strelnikov/Pavel Antipov entdecken die Entführer bei ihm ein Messer. Harmlos oder gefährlich? Strelnikov bringt es auf den Punkt: „Legt man das Messer neben Gabel und Löffel, so sieht es ganz harmlos aus“. Was im Umkehrschluß bedeutet: Nutzt man das Messer nicht bei Tisch, so kann es auch als lebensgefährliche Waffe genutzt werden.

Und tatsächlich: Sieht man einmal von Butterfly-Messern und anderen, besonders gefährlichen Messertypen ab, wirkt ein Messer im Vergleich zu einer Schusswaffe erst einmal relativ harmlos. Schließlich nutzen wir Messer Tag für Tag, schon beim Frühstück. Oder beruflich z.B. als Marktbeschicker, Handwerker oder Gärtner, wenn etwas aufgeschnitten oder gekürzt werden soll. Setzt man es jedoch als Waffe ein, wird dessen Gefährlichkeit schlagartig deutlich. Man kann es leicht verborgen mit sich führen, die Nutzung verlangt keine längere Einübung wie bei einer Pistole oder einem Gewehr. Die Tatausführung verursacht keinen Lärm, ein Messer hat keine Ladehemmung und muss auch nicht nachgeladen werden.

In der kriminalpolizeilichen Praxis bereitet die Waffe Messer immer größere Probleme: 2021 wurden erstmals in der PKS Messerangriffe statistisch erfasst. Demnach wurden bei Straftaten 10.917-mal ein Messer benutzt oder als Drohmittel eingesetzt. Alleine in Zügen gab es 2021 44 Messerattacken, ein Jahr später schon 82.

Wegen dieser latenten Gefährlichkeit fallen bestimmte Messertypen - nicht alle! - unter die einschlägigen Vorschriften des Waffengesetzes. Abhängig von Bauart und Klingenlänge (§42a WaffG). Hier gilt ein grundsätzliches Trageverbot.

Da aber auch solche Messer, die NICHT unter diese Vorschrift fallen, höchst gefährliche Tatwerkzeuge sein können und zunehmend auch als solche benutzt werden, haben die Bundesländer die rechtliche Möglichkeit in bestimmten (gefährdeten) Bezirken sog. Waffenverbotszonen auszuweisen. So wie zuletzt in der Landeshauptstadt Stuttgart, wo Anfang Februar 2023 in der dortigen Innenstadt ein - zeitlich und örtlich begrenztes - Trageverbot in Kraft getreten ist. Dort fallen unter dieses Verbot Messer mit einer Klinge, die länger als 4 cm ist. Aber auch solche Messer, bei denen man einen zusätzlichen Mechanismus bedienen muss, um die Klinge wieder einzuklappen. Klingt kompliziert und ist es auch, denn: Ein kleines Taschenmesser darf man demnach mit sich tragen, es sei denn, das Messer hat einen Verriegelungsmechanismus. Diese Regeln gelten auch für Werkzeuge mit feststehenden Klingen wie Sensen oder Baumschneidegeräte. Sollten Sie also beabsichtigen freitags und samstags oder in Nächten vor gesetzlichen Feiertagen zwischen 20 Uhr abends bis 6 Uhr morgens über die beliebte Königstraße zu flanieren – bitte weder Sense noch Baumschere mitführen! Abweichendes gilt natürlich für Inhaber eines kl. Waffenscheins, Polizisten, Feuerwehr- und Rettungskräfte, Handwerker, Bauarbeiter und Landschaftsgärtner, die allerdings ohnehin nur sehr selten in den kritischen Zeiträumen aktiv sein dürften. Das nur am Rande.

Kein Verbot ohne Sanktionen bei Verstößen: Natürlich können dann die verbotenen Gegenstände eingezogen werden, außerdem drohen Bußgelder in einer Höhe zwischen 200 und maximal 10.000 Euro.
Übertriebene Vorsicht? Leider nein! Alleine die Berliner Polizei registrierte im vergangenen Jahr 3.317 Angriffe mit Messern, 2021 waren es 2.777 und 2020 "nur" 2.600. Jede einzelne Tat ist eine Tat zu viel, noch erschreckender ist die stetig steigende Tendenz.