Wolfgang Bosbach

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Rechts- und Sicherheitsexperte Wolfgang Bosbach beschreibt die Diskussion um SUVs

Das SUV (Sport Utility Vehicle), kurzum das „Sport- und Nutzfahrzeug“, steht schon seit Jahren im Mittelpunkt mehr oder weniger intensiver Diskussionen oder irgendwelcher schräger Aktionen - so hat erst vor kurzer Zeit eine „klimaaktivistische Gruppe“ stolz verkündet, man habe in Bonn bei 25 SUVs die Luft aus den Reifen gelassen. Zwar ist völlig unklar, wieso eine derartige Aktion geeignet sein könnte, das Weltklima zu retten und es ist mehr als unwahrscheinlich anzunehmen, dass die Nutzer dieser Kraftfahrzeuge fortan - mangels Luft in den Reifen - auf das Rad umsteigen - aber echte „Aktivisten“ dürften sich von nüchternen Argumenten ohnehin kaum beeindrucken lassen. Hauptsache: Action!
In München gab es sogar die Überlegung via Petition SUVs mit mehr als 2 Litern Hubraum im Stadtverkehr generell zu verbieten - sie seien ein „Statement gegen Nachhaltigkeit und Klimaschutz“ und im Grunde „Stadtpanzer“. Nicht ein S-Klasse Mercedes oder ein flotter Ferrari - wohl aber ein Skoda Kodiaq. Auch eine interessante Argumentation, wenn auch nicht sehr schlüssig.

Unterschiedliches Bußgeld bei unterschiedlichen Autos?

Dieses SUV-Bashing muss mittlerweile auch die Justiz erreicht haben. Nicht - oder besser: noch nicht- flächendeckend, aber zumindest das AG Frankfurt am Main.

Der Fall: Verhandelt wurde dort ein Rotlichtverstoß einer Fahrerin eines BMW-SUVs. Eigentlich ein ebenso klarer wie alltäglicher Fall - die fälligen Sanktionen lassen sich problemlos dem einschlägigen Katalog entnehmen. Wie gesagt: Eigentlich. Im konkreten Fall war die Fahrerin allerdings schon zuvor wegen Verkehrsverstößen negativ aufgefallen, deshalb sollte das Bußgeld erhöht werden. Das ist verständlich. Aber nicht NUR deshalb, sondern auch wegen der Bauart des benutzten PKWs, sie war nämlich mit einem SUV unterwegs! Die Begründung: Von einem SUV gehe aufgrund größerer Bodenfreiheit, erhöhter Frontpartie und kastenförmiger Bauweise ein höheres Verletzungsrisiko aus. Aber wo ein AUFschlag, müsste es doch logischerweise auch einen ABschlag geben, wenn diese Kriterien bei Kleinfahrzeugen nicht zu finden sind. Können die Fahrerinnen und Fahrer der Marke FIAT Punto oder SMART zukünftig auf einen Rabatt hoffen? Zumindest beim AG Frankfurt am Main? Für welche PKW-Klassen gelten die Durchschnittswerte des Bußgeldkataloges, für welche gibt es zukünftig Auf- oder Abschläge?

Und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es eigentlich darüber, dass von einem VW Tiguan oder einem BMW X 1 tatsächlich eine höhere Betriebsgefahr ausgeht als von einem Porsche 911 oder einem Audi R 8, der von 0 auf 100 km/h keine 4 Sekunden braucht? Und wie ist Rechtslage bei einem klassischen Kastenwagen wie dem Citroen Berlingo, der ebenfalls eine „kastenförmige Bauweise“ aufweist, sonst wäre es ja kein Kastenwagen?  Wird dann ebenfalls ein erhöhter Aufschlag wegen dieser Bauweise fällig oder ein nur ganz geringer Aufschlag, weil der Berlingo auch als Kleinwagen durchgehen könnte oder nur der Normaltarif? Niedlich ist auch der FIAT Doblo, allerdings hat auch er eine „kastenförmige Bauweise“, ist aber kein SUV.

Die Person am Steuer ist entscheidend - nicht das Auto

Im Verkehrsrecht kennt die Rechtsprechung tatsächlich schon seit Langem neben der allgemeinen Betriebsgefahr auch eine erhöhte –„wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendigerweise mit dem KfZBetrieb verbunden sind, durch das Hinzutreten besonders unfallursächlicher Umstände vergrößert werden“ (BGH NZV 05, 249, 407). Diese Rechtsprechung ist aber im konkreten Beispielsfall des AG Frankfurt am Main nicht analogiefähig, was schon die zur erhöhten Betriebsgefahr entschiedenen Fälle verdeutlichen.

Abzuwarten bleibt, ob das Beispiel aus Frankfurt zukünftig bundesweit Schule macht oder die Justiz sich doch wieder an dem Grundsatz orientieren wird, dass die realen Gefahren im Straßenverkehr viel weniger von der Bodenfreiheit eines Fahrzeuges ausgehen als von denen, die am Steuer sitzen.