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Das muss man doch verbieten können!

Warum die Dinge gelegentlich doch komplizierter sind, als sie erscheinen.

Genauso groß wie das Grauen über den Hamas-Terror und seine Sympathisanten ist, genauso hoch sind die Hürden für ein Versammlungsverbot. In Deutschland ist das Recht auf Versammlungsfreiheit in Artikel 8 des Grundgesetzes geschützt. Aber sollten Demonstrationen, die das Massaker an Zivilisten unterstützen, nicht verboten werden (können)? Bosbach wirft einen Blick zurück auf die Lage im Oktober und erkundet die rechtliche Situation der Proteste.

7. Oktober 2023. Aus dem Gazastreifen heraus greifen Kämpfer der Terrororganisation Hamas mit brutalster Gewalt israelische Siedlungen und Zivilisten an. Darunter viele hundert Gäste eines Musikfestivals (Supernova Sukkot Gathering) in der Nähe des Kibbuz Re'im in der Nähe von Eschkol. Etwa 260 von ihnen wurden ermordet. Ein Augenzeuge: „Sie haben auf uns geschossen wie auf Enten bei einer Jagd."

In anderen Landesteilen werden Frauen und Männer, Alte und Junge wahllos niedergemetzelt, Kinder und Babys grausam getötet – oder entführt.

Ende Oktober 2023 schätzt Israel 239 Entführte in der Geiselhaft der Hamas, etwa 1.400 Todesopfer sind zu beklagen.

Verharmlosend wird die Hamas gelegentlich als palästinensische, national-islamistische „Widerstandsbewegung" bezeichnet,  jedenfalls ist sie die beherrschende Kraft im Gazastreifen.

Während in Israel und weiten Teilen der Welt noch den Opfern gedacht und über deren Schicksal getrauert wird, gibt es in vielen Orten Deutschlands erste Sympathiekundgebungen. Nicht nur – richtigerweise – für Israel, sondern auch und ganz ausdrücklich für die „Sache der Palästinenser", was in diesen Tagen nichts anderes bedeuten kann als Verständnis für das Massaker der Hamas. Keine Verurteilung der grausamen Taten, aber viele Vorwürfe an das Land der Opfer. Deutschland im Oktober 2023.

Kein Wunder, dass viele klagen „Warum kann man so etwas nicht verbieten?" Gute Frage, aber so einfach ist das nicht!

In Deutschland müssen Demonstrationen grundsätzlich nicht genehmigt – sondern nur bei den zuständigen Behörden (diese sind von Land zu Land verschieden) angemeldet werden. Die Behörden sollen wissen, wer, wo, wann, was plant, mit wie vielen Teilnehmern gerechnet wird, wie und von wem die Demo begleitet bzw. geschützt werden soll. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Bei sogenannten Spontandemos entfällt selbst diese Pflicht.

Verbote und/ oder Auflagen sind grundsätzlich nur dann möglich, wenn die berühmte „Sicherheit und Ordnung" durch diese Demo gefährdet ist.

Aber Achtung: Die bloße Vermutung reicht hier nicht. Es müssen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass bei Durchführung gegen Recht und Gesetz verstoßen werden wird. 

Beispiel: Wenn Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich ergibt, dass Gewalt ausgeübt werden soll oder, dass Straftaten gebilligt oder zu neuen aufgerufen wird oder, dass verbotene Zeichen mitgeführt werden, dann – erst dannkann der Staat eingreifen.  

„Friedlich und ohne Waffen" sollen diese Demos verlaufen. Oft nicht mehr als ein frommer Wunsch. Und der Unfriede Einzelner würde auch keine Auflösung problemlos möglich machen. Die Versammlung insgesamt (jedenfalls in ihrer Mehrheit) müsste dafür schon „aus dem Ruder laufen.“

So groß das Entsetzen über Sympathiekundgebungen für Terror ist, so hoch sind auch die Hürden für Versammlungsverbote.

Im Zweifel für die Meinungsfreiheit, im Zweifel für die Demonstrationsfreiheit – so hat das BVerfGE schon oft entschieden. Und wenn die Skeptiker im Nachhinein Recht behielten? Das hilft ihnen dann wenig. Und die damit verbundenen Probleme hat man dann nicht in Karlsruhe, sondern vor Ort.