Corona Schnelltest
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Pandemieverwaltung in Bayern: Papierbeleg und Lederhose?

Erlebnisse eines positiv auf COVID-19 getesteten Verwaltungsinformatikers

Von Robert Müller-Török, Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg

Der Test

Nach einer Auslandsreise und leichten Symptomen beschloss ich an einem Montag einen Antigentest in einem Testzentrum in München zu machen. Zum Glück gehöre ich zu den Einwohnern Deutschlands, welche über ein Smartphone und eine E-Mailadresse verfügen – denn sonst hätte ich den Test dort nicht so problemlos machen können. Die Webseite des Testzentrums bietet prinzipiell keine andere Möglichkeit als eben Smartphone und E-Mail. In Ausnahmefällen ist eine Registrierung vor Ort möglich. Wie dann die Ergebnisse mitgeteilt werden, wäre experimentell zu prüfen.

Nachdem dieser Test positiv ausfiel, suchte ich mir eine Teststelle für einen PCR-Test. Auch hier ist eine Registrierung de facto ohne Smartphone und E-Mail nicht möglich – oder zumindest erheblich aufwändiger. Wenn man statista.com Glauben schenken darf, so verfügen 88% der Bevölkerung Deutschlands Stand 2021 über ein Smartphone – also mehr als einer von neun eben nicht. Und in der Gruppe der über 70-jährigen einer von drei nicht. Und das ist wohl die Gruppe, die in München von COVID-19 am stärksten betroffen ist. Bei den COVID-19-Toten in München seit Pandemiebeginn waren über 88 Prozent Menschen  über 60.

Nach dem ebenfalls positiven PCR-Test begab ich mich in Selbstisolation. Welche der beiden Teststellen das Gesundheitsamt verständigte, weiß ich nicht. Möglicherweise beide, vielleicht auch nur die PCR-Teststation.

Die Quarantäne- bzw. Isolationsanweisung der Verwaltung

Am Morgen des nächsten Tages erhielt ich eine „Mitteilung nach Ziffer 1.3 der Allgemeinverfügung mit der Folge der Isolation“. Seit dem positiven PCR-Test waren ca. 20 Stunden vergangen. Diese Mitteilung wurde mir, mangels einer deutschlandweiten elektronischen Zustellungsmöglichkeit, auf mein Gmail-Konto zugestellt, welches auf einen erfundenen Namen lautet, nicht verifiziert ist und auch insgesamt wohl nicht den Anforderungen des Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) entspricht. Denn dieses schreibt im Artikel 6 die De-Mail vor, die jüngst ein Deutsche Telekom-Vorstand als „Toter Gaul“ bezeichnet hat und die bekanntlich kaum jemand verwendet – auch ich nicht.

Auch Artikel 5 des VwZVG ist hier nicht hilfreich, denn er lautet „(5) Ein elektronisches Dokument kann im Übrigen unbeschadet des Abs. 4 elektronisch zugestellt werden, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet; es ist elektronisch zuzustellen, wenn auf Grund einer Rechtsvorschrift ein Verfahren auf Verlangen des Empfängers in elektronischer Form abgewickelt wird. Für die Übermittlung ist das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen und gegen unbefugte Kenntnisnahme Dritter zu schützen.“.

Nun könnte man mit gutem Willen argumentieren, meine Angabe einer E-Mailadresse bei der PCR-Testanmeldung wäre eine Zugangseröffnung – aber das PDF-Dokument des Gesundheitsamts war nicht signiert. Und schon gar nicht qualifiziert oder auch nur fortgeschritten elektronisch signiert im Sinne der Artikel 27 bzw. 26 der eIDAS-VO. Immerhin, die Mail war verschlüsselt – mit meinem Geburtsdatum, welches bekanntlich nicht gerade hohe Sicherheit gegenüber Dritten bietet. „19.05.1958“, das Geburtsdatum des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter ist auf muenchen.de nachzulesen – und er ist der oberste Dienstherr des Gesundheitsamtes.

Vermutlich deshalb sandte mir das Gesundheitsamt der Stadt München diese Mitteilung sicherheitshalber nochmals in Papierform mit der Post, diese erreichte mich dann auch am Freitag, vier volle Tage nach dem positiven PCR-Test.

Die Webseiten und Schreiben der Verwaltung waren in einer komplizierten Sprache, wie ich das Gegenteil von „einfacher Sprache“ bezeichnen würde. Zum Glück bin ich Verwaltungswissenschaftler, deshalb bereitet mir das Verstehen von Sätzen wie „Allgemeinverfügung „Quarantäne von Kontaktpersonen und von Verdachtspersonen, Isolation von positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getesteten Personen (AV Isolation)“ vom 31. August 2021 des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, zuletzt geändert durch die Allgemeinverfügung vom 01. Februar 2022 (nachfolgend als „Allgemeinverfügung“ bezeichnet, siehe Link auf der letzten Seite)
Mitteilung nach Ziffer 1.3 der Allgemeinverfügung mit der Folge der Isolation für folgende Person:“
  als Überschrift keine Probleme. Bei etwas über 26 Prozent Ausländeranteil in München wäre ein bisschen weniger Verwaltungsjuristendeutsch angebracht – und auch bürgerfreundlicher. Informationen in einfacherer Sprache und in Fremdsprachen für positiv getestete Personen gibt es – beim NHS des Vereinigten Königreiches.

Kontrolle ist teuer, Vertrauen ist besser

Ich informierte mich auf diversen Verwaltungswebseiten über die einschlägigen Bestimmungen und verhielt mich insgesamt „compliant“, wie es im Neudeutsch heißt. Allerdings hätte ich problemlos in die Kneipe ums Eck gehen können und mich mit meinem digitalen Impfnachweis CovPass als geimpft und geboostert ausweisen können. Denn diese Nachweise werden weder zentral irgendwo gespeichert noch werden sie bei positiven Tests gesperrt. Ich hoffe, dass dieses Beispiel von Vertrauen in die Bürger Schule macht. So könnte sich die Verwaltung bei meinem nächsten Fahrverbot ja auch die Abgabe und Verwahrung meines Führerscheins sparen, ich würde ihn einfach einen Monat lang nicht verwenden.

Auch hat niemand bei mir kontrolliert, ob ich mich an die Isolation halte. Dies mag Zufall sein, aber der mögliche Schluss, dass hier generell nicht kontrolliert wird, ist nicht beruhigend.

Verwandte und Mitbewohner

Ich habe zwar „compliant“ meine Mitbewohner angegeben, allerdings erhielten sie keinerlei Mitteilungen. Dass meine Ehefrau geimpft und geboostert ist und somit keine Isolation zu halten brauchte, kann das Gesundheitsamt nicht wissen – in Ermangelung einer zentralen Impfdatenbank. Meinen Sohn konnte ich bereits nach fünf Tagen freitesten lassen – wobei er leider die digitale Verwaltung besonders fordert, denn in seinem zweiten Vornamen „Tamás“ steckt ein diakritisches Zeichen. Darum scheint er in vielen offiziellen Dokumenten als „Tamas“ oder wie im Falle des Testzentrums als „Tams“ auf. Wie wir seit 2009 wissen, arbeitet die Verwaltung daran. Und noch in 2011 gab es Probleme mit solchen Zeichen in Personalausweisen. Zum Glück hat er einen österreichischen Pass – die können das nämlich.

Schief gegangen: Termin für einen Corona-Test am 1.1.1970

Ende der Isolation und Fazit

Mit einem negativen Test (Antigen- oder PCR-Test) endet die Isolation. Diesen musste ich wieder via Smartphone und E-Mail vereinbaren, wobei mir die Teststelle einen Termin für den 01.01.1970, um 1:00 bestätigte (siehe Grafik). Als Informatiker konnte ich mir das mit der UNIX Epoch, dem Startdatum von UNIX am 1.1.1970 um Mitternacht, sowie einen Programmierfehler erklären. Den negativen Test muss man dann (selbst, nicht das Testzentrum) dem Gesundheitsamt übermitteln. Das geht „deutschlanddigital“, d.h. mit dem Hochladen einer vom Aussteller nicht signierten PDF-Datei auf eine Verwaltungswebseite ohne jedwede verpflichtende belastbare elektronische Identifikation. Die Verwendung der eID des deutschen Personalausweises ist fakultativ – und den habe ich leider nicht, so wie über 26 Prozent der Münchner. Und auch diejenigen, die sie theoretisch verwenden können, tun dies nur im einstelligen Prozentbereich, wie mein Landsmann Christian Rupp hier vor kurzem in VdZ ausführte. Auf den Besuch in der Apotheke, wo ich mein Genesenenzertifikat für die CovPass abhole, freute ich mich schon. Denn die Stadt München schrieb, „Zum Nachweis des Genesenenstatus genügt das positive PCR-Testergebnis. Wenn Sie einen entsprechenden QR-Code zum Einlesen in eine App benötigen, wenden Sie sich bitte mit Ihrem positiven PCR-Testergebnis an eine Apotheke.“. Natürlich mit dem nicht digital signierten PCR-Testergebnis, welches jedes Grundschulkind fälschen kann. Mein positives PCR-Testergebnis enthielt nicht einmal einen QR- oder Barcode.

Mein persönliches Kurzfazit nach dem Durchleben des Verwaltungsvorganges „Positiv getestet, isoliert und genesen“: Das ginge erheblich digitaler. Und vor allem sicherer. Und man darf sich nicht wundern, warum es so viele Menschen gibt, die mit falschen Impf- und Genesenennachweisen unterwegs sind.

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