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Deutschland Digital aus europäischer Sicht

Deutschland steht im Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) 2021 der Europäischen Kommission an elfter Stelle

Deutschland hat einige Digital Best Practices, welche sich jedoch nicht auf den DESI auswirken. Deutschland steht im Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) 2021 der Europäischen Kommission unter den 27 Mitgliedstaaten an elfter Stelle. Im EU E-Government Benchmark 2021 von 37 europäischen Staaten sogar nur auf Platz 24. Mit deutschen Behörden verbindet man oft analoge Prozesse, komplizierte Bürokratie und lange Wartezeiten. Doch die Notwendigkeit zu schnellen, durchgängig digitalen Amtswegen wurde schon frühzeitig erkannt.

Deutschland hat in den letzten 10 Jahren Milliarden Euro in die E-Government Entwicklung investiert. Viele Leuchtturmprojekte (zum Beispiel P23R, 115), Studien (Papier) und Gesetze (u. a. OZG) initiiert und trotzdem steht Deutschland digital nur im Mittelfeld oder sogar im letzten Drittel. Der öffentliche Sektor hat mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Zum einen stetig steigende Erwartungen der Bürger*innen an eine moderne Verwaltung und zum anderen geringe digitale Kompetenz und Beteiligung der Kommunen an der digitalen Transformation.

Digitale Transformation

Vielleicht liegt es daran, dass in der deutschen Sprache bei den drei D’s (Betsy Reinitz, Director EDUCAUSE USA) nicht so differenziert wird, wie in der englischen Sprache. Die digitale Transformation (Dx) ist eine Transformation, keine Veränderung, und wir sollten sie auch so behandeln. Worin besteht der Unterschied? Wenn wir uns verändern, versuchen wir so sicher wie möglich voranzukommen und dazu gehört selten, dass wir uns von Grund auf neu erfinden – das ist zu riskant. Transformieren bedeutet, die alten Brücken abzubrechen und die Dinge völlig anders, besser und effizienter zu machen. 

Ein erster Schritt sind in Deutschland die sogenannten „Dresdner Forderungen“ – ein Weg zu einer modernen, digitalen Verwaltung aus Sicht der Kommunen formuliert: „Die föderale Staatsstruktur passt nicht in die digitale Zukunft.“ Oder anders formuliert: „Wir haben neue Zukunftsaufgaben: Smart Cities, Mobilitätswende, Gesundheit, Umwelt, Klimawandel, Resilienz, ...“ – dies sind die eigentlichen Aufgaben der Kommunen.

Es gibt keinen einheitlichen Weg zur digitalen Transformation, da die Strategie, die Methoden und die eingesetzte Technologie auf die einzigartige Vision und die Werte jeder Organisation zugeschnitten sein müssen. Die digitale Transformation ist kein festes Ziel mit einem statischen Endzustand. Ihr Ziel ist es, eine hochdynamische Organisation zu schaffen, die über institutionelle Kapazitäten für Agilität, Widerstandsfähigkeit, schnelle Innovation und Wachstum verfügt.

Fehlt Deutschland das „Digital Mindset“?

Besonders herausfordernd ist die Angst vor der Transformation bei vielen Mitarbeiter*innen in den Behörden und die damit verbundene innovationsscheue Kultur, Silo-Denken und starre Prozesse. Im Kontext des Onlinezugangsgesetzes (OZG) wurden beeindruckende Erfolge verbucht, zum Beispiel beim BAföG-Antrag oder den „Einfachen Leistungen für Eltern“ (ELFE). Überhaupt war die Schaffung eines Leistungskataloges (Leika) der Verwaltung eine oft nicht bis schlecht verkaufte deutsche Meisterleistung in Europa und eine wichtige Basis für EU-Verordnungen (zum Beispiel Single Digital Gateway) sowie notwendige Voraussetzung für die Registermodernisierung (Once Only Prinzip). Natürlich könnte man den Leika nochmals überarbeiten, um zu überprüfen, welche Leistungen braucht es überhaupt noch beziehungsweise sind vollständig automatisierbar (No-Stop-Shop Prinzip).

Herausforderung elektronische Identitäten

Spätestens die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie notwendig eine digitale Identität ist. Die Nutzung des elektronischen Personalausweises und der AusweisApp2 sind jedoch nur im einstelligen Bereich (dies gilt übrigens auch für die Behördenrufnummer 115). Grund dafür ist eine fehlende Werbekampagne: „Wo kann ich die APP schon nutzen und wie komme ich zu meiner eID?“. Die Akzeptanz digitaler Identität steigt dort, wo sie sicher und nutzerfreundlich für relevante Dienste eingesetzt werden kann. Das sieht man am Beispiel Österreich oder Italien, wo die Hälfte der Bevölkerung bereits die eID nutzt.

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„Deutschland hat fast ein Jahr vor Estland seinen elektronischen Personalausweis in Brüssel notifizieren lassen und war damit das erste Land in Europa!“

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Obwohl es schon viele Video-Tutorials zur AusweisApp2 im Internet (unter Creative Commons BY-ND 3.0 Lizenz) gibt, sind diese aber leider nicht auf YouTube vorhanden und auch in der öffentlichen Verwaltung und der Bevölkerung nicht bekannt. Auch hier ein Punkt, den die wenigsten wohl wissen: „Deutschland hat fast ein Jahr vor Estland seinen elektronischen Personalausweis in Brüssel notifizieren lassen und war damit das erste Land in Europa!“

Der künftige europäische Rahmen für digitale Identität mitsamt den geplanten „Identity Wallets“ wird natürlich auch unter den Sicherheitstechnikern viel diskutiert. Cyber-Security ist nur so gut wie das schwächste Glied. Und in vielen Fällen ist dies der Mensch. Das erfordert eine erhöhte Sensibilität für die Organisationskultur und deren Sicherheitspraktiken, denn Sicherheitsbedrohungen nehmen in Umfang und Auswirkung zu und Behörden müssen darauf vorbereitet sein. Umso erschreckender die Ergebnisse der Studie „Verwaltung in Krisenzeiten II“ in der nur 13 Prozent der Befragten angaben, beim Wechsel ins Homeoffice an einer IT-Sicherheitsschulung teilgenommen zu haben.

Herausforderung digital Skills

Die obigen Punkte zeigen wie wichtig digital Skills sind und die Bemühungen, die Nutzerfreundlichkeit von Online-Diensten sowohl für Bürger*innen als auch für Beschäftigte zu verbessern. Themen wie Bedienbarkeit und Design erhalten in der deutschen Verwaltung bereits Rückenwind durch Bundesinitiativen wie Tech4Germany, DigitalService4Germany, oder Länderaktivitäten wie Bayerische Agentur für Digitales, Digitalschmiede Bayern. Alle für sich wunderbare Beispiele, welche dem Vorbild UK folgen, aber leider keine gesamtheitlich flächendeckende Aktion und damit auch nicht nachhaltig. Auch die Digitalisierungslabore sind ein europäisches Vorzeigebeispiel und vielleicht auch ein künftiges GovLAB.de oder GovTech-Campus, aber eben Einzelaktivitäten, bei denen der Lerneffekt verloren geht.

Die Handlungsfähigkeit der Verwaltung wird heute an der Fähigkeit, Daten oder Initiativen über Organisationen hinweg auszutauschen beziehungsweise gemeinsam zu verfolgen, gemessen. Hier ist der IT-Planungsrat ein gutes Beispiel, allerdings nur ein Planungsgremium, denn die Umsetzung obliegt wiederum jedem Einzelnen.

Frei nach dem Motto: „Es wurde schon alles erfunden, nur noch nicht von jedem Einzelnen!“

Ähnliches gilt für einen eGov-Campus oder KI-Campus, welche wiederum europäische Vorbilder sind, jedoch keiner auf EU Ebene vermarktet, geschweige denn in Deutschland. 

Herausforderung Verwaltung as a Service (VaaS)

Deutschland ist ein Flickenteppich von Verfahren und IT-Lösungen, oft mir veralteten papierbasierenden Prozessen beziehungsweise nicht miteinander kompatibel und daher nur schwer zu modernisieren. Herausforderungen wie die Dienstekonsolidierung (E-Akte), E-Rechnung oder OZG zeigen die Schwächen auf, die EfA alleine nicht lösen wird, denn es gibt noch viel mehr Herausforderungen in der Zukunft. EU Verordnungen wie SDG (Single Digital Gateway) mit dem OOP (Once Only Prinzip) müssen spätestens 2023 umgesetzt sein und ein EU Interoperability Act kommt voraussichtlich schon in Kürze.

Fachverfahren und Verwaltungsleistungen sind das A und O der Verwaltung. Diese müssen künftig für Cloud-Lösungen und SaaS-Modelle gerüstet sein. Dies wird nicht gelingen, indem sich die Fachverfahrenshersteller zurücklehnen und blockieren, sondern im Gegenteil müssen sich diese aktiv einbringen, um Deutschland im digitalen Europa einen Schritt voranzubringen. 

summa summarum oder quod est demonstrandum

Digitalisierung ist eine Transformation und jetzt habe ich noch gar nicht von der Angst vor Künstlicher Intelligenz gesprochen. Digital Skills sind keine Ausbildung (mit dem Wort „Aus“ darin) und die Transformation kein Vorgang, der mit einem neuen digitalen Dienst endet. Digitalisierung ist komplex und die Einheiten der Verwaltung müssen wandlungsfähiger sein als jemals zuvor, insofern:

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„Digital Transformation – it’s a journey not a destination!“

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