Bosbach

Die unendliche Geschichte

Die Einführung von Distanzelektroimpulsgeräten in NRW

Der Einsatz sogenannter TASER beschäftigt die Polizeien des Bundes und der Länder seit vielen Jahren. Pro und Contra wurden so lange und so intensiv diskutiert, dass nun wirklich seit langer Zeit restlos jedes Argument x-Mal vorgetragen und abgewogen wurde. Die hartnäckigen Gegner werden sich auch in Zukunft nicht von noch so vielen guten Argumenten beeindrucken lassen und umgekehrt die Befürworter auch nicht.

Im Abschlussbericht der Sicherheitskommission für NRW wird zunächst darauf hingewiesen, dass das Distanzelektroimpulsgerät (kurz: der Taser) die Lücke im Einsatzmittelspektrum zwischen Schlagstock und Schusswaffe schließen kann.

„In der polizeilichen Praxis kommt es immer wieder zu Situationen, in denen ein Täter massive Gewalt gegen eine Person androht oder anwendet und nicht auf eine deeskalierende Ansprache durch die Polizei reagiert. Die Polizei muss binnen kurzer Zeit entscheiden, ob und gegebenenfalls welches Einsatzmittel im Rahmen der Anwendung von unmittelbarem Zwang angemessen und erforderlich ist, um die Gefahr abzuwenden und zugleich der besonderen Situation des oftmals schuldunfähigen Täters gerecht zu werden. Aktuell sind die technischen Möglichkeiten der Polizei hier oft eingeschränkt, sodass es in der Vergangenheit auch zu Einsätzen der Schußwaffe gegen schuldunfähige Täter gekommen ist.“

Da auch diese Kommission sowohl den Pro- als auch den Contra-Argumenten Beachtung schenken wollte, findet sich in ihrem Bericht allerdings auch folgende Passage: „Kritisch ist hingegen zu sehen, dass nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der Einsatz (des Tasers) gegenüber bestimmten Personengruppen wie beispielsweise Herzkranken, Epileptikern oder Schwangeren, unkalkulierbare gesundheitliche Risiken bergen könnte, [...] außerdem besteht die Gefahr eines unverhältnismäßigen Einsatzes durch Polizeibeamtinnen und -beamte.“

Pilotprojekt im Praxisbetrieb

In einer solchen Lage bietet sich natürlich ein Pilotprojekt im Praxisbetrieb an. Vor gut einem Jahr startete dieses Projekt im Wachdienst der Polizei NRW. Zwar hatte zuvor schon die Landesregierung in Rheinland-Pfalz einen Testlauf zur Erprobung des Tasers mit Erfolg absolviert, aber im real existierenden Föderalismus geht jedes Land gerne eigene Wege. Wenn zum Beispiel die Grünen in Mainz pro argumentieren, heißt das ja noch lange nicht, dass die Grünen in NRW nicht doch contra bevorzugen – und so war es dann auch. Bereits wenige Monate später hatte sich (auch) in NRW herausgestellt, dass die praktischen Erfahrungen sehr positiv waren: Von Januar bis September 2021 kam der Taser in NRW 156-mal zum Einsatz – in 123 Fällen reichte schon die bloße Androhung des Gebrauchs zur Deeskalation. Schwere Folgen bei den Betroffenen in den 31 Schussabgaben sind nicht bekannt. Eigentlich hätte man bei dieser Bilanz den Wirkbetrieb vorziehen können. Eigentlich. Wie wir aber aus zahlreichen Besuchen in KfZ-Werkstätten wissen, ist „eigentlich“ ein sehr ambivalentes Wort. „Eigentlich müßte der Wagen jetzt anspringen!", bedeutet im Ergebnis leider sehr häufig: „Tut er aber nicht!“

Die Geräte sollten zunächst nur in den fünf größten Polizeibehörden eingeführt werden sowie in Gelsenkirchen und im Rhein-Erft-Kreis. Die Grünen in NRW sind nach wie vor dagegen und berufen sich auf eine Studie von Amnesty International aus den USA – weil der Taser dort angeblich als Folterinstrument eingesetzt würde. Wieso diese Diagnose 1:1 auf NRW übertragen werden kann, wurde allerdings nicht näher erläutert. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) NRW kritisiert diesen Rollout in NRW als unzureichend, CDU und FDP teilten deren Argumente – doch die schwarz-grüne Landesregierung verweist auf begrenzte, das heißt nicht ausreichende, Haushaltsmittel.

Vielleicht hat der Wahlkampf in NRW dazu beigetragen, dass am (vorläufigen) Ende doch mehr Haushaltsmittel eingesetzt und damit viele – wenn auch bei weitem nicht alle – Polizeibehörden ausgestattet werden können.

Es bleibt abzuwarten, ob sich im Landtag von Düsseldorf nach dem 15. Mai eine neue Koalition formiert, mit vielleicht neuen Ansichten und Einsichten auch in puncto Taser.

Und wer weiß, vielleicht beginnt dann alles wieder von vorne. Die ganze Debatte, die ganze Abwägung Pro und Contra. Die Leidtragenden wären die Polizistinnen und Polizisten, die dieses Einsatzmittel in ihrer täglichen Arbeit gut gebrauchen könnten – weil es Vorteile gegenüber dem Schlagstock hat und weil der Schusswaffengebrauch wirklich nur das letzte Mittel zur Gefahrenabwehr sein sollte.