Ein Geschäftsmann füllt einen Vordruck aus. Vor ihm ist ein Laptop auf dem Schreibtisch.
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Bauvergaben: Wertgrenzen in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen VOB/A

Ein Blick auf die derzeit geltenden Wertgrenzen auf Bundes- und Landesebene

Jüngst hat die Corona-Pandemie die Diskussion um die Erhöhung der Wertgrenzen für Bauvergaben erneut befeuert. Schon seit vielen Jahren setzen die Verordnungsgeber auf Bundes- und Landesebene unterschiedliche Wertgrenzen für die verschiedenen Verfahrensarten in der VOB/A fest. Die Unterschiede hierbei sind gewaltig. Für Auftraggeber wie Auftragnehmer lohnt sich daher der (rechtsvergleichende) Blick auf die derzeit geltenden Wertgrenzen auf Bundes- und Landesebene.

Ausgangspunkt für die Anwendung des Bauvergaberechts ist – wie im Vergaberecht üblich – der geltende EU-Schwellenwert. Für Bauaufträge liegt dieser seit dem 1. Januar 2020 bei EUR 5.350.000 (Delegierte Verordnung (EU) 2019/1828 der Kommission vom 30. Oktober 2019 (ABl. L 279 vom 31.10.2019, S. 25)).

  • Bei Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte findet das Kartellvergaberecht Anwendung, das auf der Umsetzung entsprechender Vorgaben in EU-Richtlinien beruht. Speziell für Bauvergaben oberhalb der Schwellenwerte gilt die VOB/A-EU.
  • Bei Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte findet traditionell das Haushaltsvergaberecht Anwendung. Hierzu gehört neben der Unterschwellenvergabeordnung (des Bundes) die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A – Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen („VOB/A“, Ausgabe 2019, BAnz AT 19.02.2019 B2), die in jahrzehntelanger Tradition die besonderen Regelungen für die Vergabe von Bauaufträge durch öffentliche Auftraggeber enthält. Die Anwendbarkeit beider Regelwerke folgt aus entsprechenden Verweisen in der Bundeshaushaltsordnung (BHO) sowie in den Landeshaushaltsordnungen (LHO) / Landesvergabegesetzen.

Verfahrensarten der VOB/A

Die unterhalb der Schwellenwerte geltende VOB/A (1. Abschnitt) kennt folgende Verfahrensarten:

  • Öffentliche Ausschreibung gemäß § 3 Nr. 1 VOB/A;
  • Beschränkte Ausschreibung mit/ohne Teilnahmewettbewerb gemäß § 3 Nr. 2 VOB/A;
  • Freihändige Vergabe gemäß § 3 Nr. 3 VOB/A.

Die Verfahrensarten der Öffentlichen Ausschreibung und der Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb sind als Regelverfahren jederzeit zulässig. Der öffentliche Auftraggeber kann zwischen beiden Verfahrensarten frei wählen. Bei der Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und der Freihändigen Vergabe handelt es sich hingegen um Ausnahmetatbestände, die nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen angewendet werden dürfen. Bei der Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb werden mehrere Unternehmen, deren Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bekannt ist, durch den Auftraggeber zur Einreichung von Angeboten aufgefordert. Bei Freihändiger Vergabe werden Bauleistungen in einem vereinfachten Verfahren vergeben. Hier kann der Auftraggeber zwecks Auftragsvergabe direkt mit einem frei ausgewählten und geeigneten Unternehmen in Vertragsverhandlungen treten oder dieses unmittelbar zur Angebotsabgabe auffordern. Daneben können Bauleistungen im Wege des Direktauftrags – ohne förmliches Vergabeverfahren – beschafft werden.

Die Durchführung der Beschränkter Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb, der Freihändigen Vergabe und des Direktauftrags ist dabei bestimmte Wertgrenzen geknüpft, die bezogen auf die Bauaufträge des Bundes § 3a VOB/A zu entnehmen sind:

  • Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb (§ 3a Abs. 2 VOB/A):
    • EUR 50.000 für Ausbaugewerke (ohne Energie- und Gebäudetechnik), Landschaftsbau und Straßenausstattung;
    • EUR 150.000 für Tief-, Verkehrswege- und Ingenieurbau;
    • EUR 100.000 für alle übrigen Gewerke;
  • Freihändige Vergabe: EUR 10.000 - ohne weitere Begründung (§ 3a Abs. 3 S. 2 VOB/A);
  • Direktauftrag: EUR 3.000 (§ 3a Abs. 4 VOB/A).

Besonderheiten bestehen befristet bis zum 31. Dezember 2021 für den Wohnungsbau: Für solche Vorhaben beträgt die Wertgrenze der Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb EUR 1.000.000. Für Freihändige Vergaben liegt sie bei EUR 100.000.

Anwendung der VOB/A in den Bundesländern

Da es sich bei der VOB/A um vom Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) entwickelte und laufend fortgeschriebene Bestimmungen handelt, muss die VOB/A zunächst im jeweiligen Haushaltsrecht von Bund, Ländern und Kommunen durch einen Anwendungsbefehl (etwa durch Gesetz, Verordnung oder per Erlass) eingeführt werden. Auf Bundesebene verweist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 55 BHO („VV zu § 55 BHO“) auf die VOB/A. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die VV zu § 55 BHO für Bundesbehörden per Erlass vom 20. Februar 2019 zur Anwendung vorgeschrieben.  

Auf Ebene der Bundesländer und in den Kommunen gilt die VOB/A ebenfalls nicht unmittelbar; vielmehr muss im Landeshaushaltsrecht auf diese verwiesen werden. In einigen Bundesländern existiert eine sogenannte „dynamische Verweisung“ auf die jeweils gültige Fassung der VOB/A (z.B. in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen). Fehlt es aber an einer solchen, so bedarf es für die Anwendung der VOB/A eines entsprechenden Anwendungsbefehls durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Erlass auf die jeweils aktuelle Fassung (so z.B. in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein). Diese Verweisung entspringt entweder den Verwaltungsvorschriften der zuständigen Landesministerien oder unmittelbar den Vergabegesetzen der Länder. Auf kommunaler Ebene können sich entsprechende Regelungen aus den Gemeindehaushaltsordnungen ergeben.

Wertgrenzen für die Vergabe von Bauleistungsaufträgen unterhalb des EU-Schwellenwertes / Tabellarische Übersicht

Zudem regeln die Bundesländer in sogenannten Wertgrenzenerlassen (Wertgrenzenverordnungen, Verwaltungsvorschriften etc.) die für das jeweilige Land oder die Kommunen geltenden Wertgrenzen für die Anwendung der Verfahrensarten nach der VOB/A (vgl. Niedersächsische Wertgrenzenverordnung oder Vergabeerlass Mecklenburg-Vorpommern). Diese Wertgrenzen können daher von denen des § 3a VOB/A – teils erheblich – abweichen. Für Kommunen können wiederum ebenfalls abweichende Wertgrenzen gelten (vgl. Vergabegrundsätze für Gemeinden nach § 26 der Kommunalhaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen).

Der ohnehin schon unübersichtliche Flickenteppich bei den Wertgrenzen für Bauvergaben ist durch corona-bedingte Vereinfachungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Vergabeverfahren noch weniger durchschaubar geworden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat am 8. Juli 2020 „Verbindliche Handlungsleitlinien für die Bundesverwaltung für die Vergabe öffentlicher Aufträge zur Beschleunigung investiver Maßnahmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie (BAnz AT 13.07.2020 B2)“ erlassen und darin die Wertgrenzen für Bundesbehörden temporär angehoben. Auch zahlreiche Bundesländer haben im Zuge der Corona-Pandemie die Wertgrenzen für verschiedene Verfahrensarten erhöht. Vorreiter war hier der Freistaat Bayern mit einer dauerhaften Erhöhung der Wertgrenzen für Bauvergaben im März 2020. Andere Länder folgten mit zumeist befristeten Regelungen. Der Höhe nach orientieren sich die meisten Bundesländer an den erhöhten Wertgrenzen des Bundes. Die Wertgrenzen einiger Bundesländer gehen jedoch weit darüber hinaus. Beispielhaft zu nennen ist Sachsen-Anhalt, das die Wertgrenze für die Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb sogar bis zum EU-Schwellenwert angehoben hat. Andere Länder verzichten bislang auf eine Erhöhung ihrer Wertgrenzen (z.B. Hessen und Sachsen).

Eine tabellarische Übersicht der aktuell geltenden Wertgrenzen auf Bundes- und Landesebene mit Einzelheiten zu den Regelungen auf kommunaler Ebene / zum kommunalen Wohnungsbau (Stand: 23. Februar 2021) können Sie im VdZ|plus-Bereich abrufen:

Evaluierung und Weiterentwicklung von Wertgrenzen in der VOB/A

Ob eine Erhöhung oder Angleichung der bundes- und landesweit geltenden Wertgrenzen zielführend und geboten ist, beschäftigt die Experten in der aktuellen Fachdiskussion. Mit besonderem Interesse begleiten wir insofern das spannende Forschungsvorhaben des Bundesministeriums des Innern in Zusammenarbeit mit Wegweiser.