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Chatbots können die elektronische Steuererklärung vereinfachen

Die Digitalisierung ermöglicht sprachbasierte E-Government-Dienste

Die Entwicklung und Implementierung von Chatbots sollte bei digitalen Bürgerservices der Finanzverwaltung mitgedacht und umgesetzt werden, meint Dr. Christoph Schmidt und erklärt, welchen Mehrwert sie bieten.

Digitalisierung ist das Schlagwort unserer Zeit und kaum ein Lebensbereich bleibt davon unberührt. Für den Einzelnen, die Gesellschaft, die Unternehmen und den Staat bietet sie immense Chancen. Letzterer kann den digitalen Wandel nutzen, um sein Verhältnis zu Bürgern und Unternehmen transparenter, partizipativer sowie interaktiver zu gestalten. Die jüngsten Modernisierungsbemühungen der deutschen Finanzverwaltung und die damit einhergehenden Projekte zur Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens sind eine Reaktion auf die neuen technischen Möglichkeiten. Dabei erscheint es durchaus möglich, dass die technischen Innovationen nicht zu weniger, sondern zu mehr und intensiverem menschlichem Kontakt führen können, da aufgrund der EDV-Unterstützung mehr zeitliche und fachliche Ressourcen zur Verfügung stehen.

Einsatz von Chatbots

Als Beratungsunterstützung für Steuerpflichtige bekommen Chatbots eine zusehends wichtige Rolle.  Sie unterstützen den an der Tax-Compliance-Strategie ausgerichteten Steuervollzug, der u. a. auf einer serviceorientierten, kooperativen Finanzverwaltung fußt. Mittels verschiedener Technologien zur Abbildung von Dialogen ist es möglich Gespräche zu simulieren und viele routinemäßige Beratungstätigkeiten, beispielsweise einfache Auskünfte, an intelligente Chatbots auszulagern.

Realisiert werden solche Bots vor allem durch wissensbasierte Systeme in Verbindung mit Ansätzen des Natural Language Processing, die auf Grundlage von Regeln und Dialogdefinitionen feststellen, ob für eine Anfrage bereits eine Antwort gefunden wurde oder noch weitere Fragen zu stellen sind, um sich hinsichtlich der richtigen Antwort noch sicherer zu sein. Im Bedarfsfall, z. B. bei komplexeren Fragestellungen, kann eine Weiterleitung an menschliche Sachbearbeiter in den jeweiligen Fachabteilungen erfolgen. Durch den Einsatz von Chatbots können Anfragen rund um die Uhr beantwortet und somit die Verfügbarkeit von Beratungsservices verbessert werden. Darüber hinaus erscheint es aufgrund des formalisierten Beratungswissens durchaus möglich, dass weniger fehlerhafte Informationen und/oder Entscheidungen an die Steuerpflichtigen weitergegeben werden, was zu einer Qualitätssteigerung führen kann.

Steuerchatbot in Baden-Württemberg

Auf Landesebene wurden bereits erste Pilotprojekte initiiert. Beispielsweise hat die Finanzverwaltung Baden-Württembergs einen Steuerchatbot im Einsatz, der den Steuerpflichtigen allgemeine Fragen zur Steuererklärung beantwortet. Zudem wurde von einem privaten Anbieter ein spezieller Bot, der GovBot, für den Einsatz in Behörden entwickelt. Dieser soll die Verwaltung dabei unterstützen, Verwaltungsprozesse zu digitalisieren und Informationen leicht abrufbar zu machen. Der GovBot kann ebenso als Sprachdialogsystem genutzt werden, sodass die Kommunikation ausschließlich über Spracheingabe und -ausgabe stattfindet. Den aktuellen Lösungen ist gemein, dass diese lediglich Links auf weiterführende Webseiten sowie ggf. Erläuterungen zur Notwendigkeit von Anträgen, den einschlägigen Vorschriften und zuständigen Behörden erzeugen. Eine konkrete Antragsbearbeitung wird nicht angeboten. 

Einkommensteuererklärung: Fünf Einsatzbereiche für behördliche Sprachinteraktion

Durch den Einsatz von Chatbots können Anfragen rund um die Uhr beantwortet werden.
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Neben einem direkten Zugriff auf bestimmte Informationen ermöglicht es die Nutzung von Sprachsteuerung, dass formularbasierte Prozesse wie beispielsweise die elektronische Steuererklärung durch einen sprachlichen Dialog unterstützt oder sogar komplett abgewickelt werden könnten. Im Rahmen einer NEGZ-Studie, die Basis der nachstehenden Erläuterungen ist, konnten am Beispiel der Einkommensteuererklärung potenzielle Szenarien für die behördliche Sprachinteraktion aufgezeigt werden. Im Zuge der näheren Untersuchung erfolgte die Analyse anhand der fünf Teilbereiche

  • Vorbereitung der Vorbereitung,
  • Abgabe der Steuererklärung,
  • Status der Steuererklärung,
  • Antragsabgabe und 
  • Steuer Q&A,

die sich am zeitlichen Ablauf eines regulären Besteuerungsverfahrens orientieren.

 

Interviewmodus, Dialoge, Statusabfragen

Besonders interessant erscheint hierbei der Anwendungsfall eines Interviewmodus im Zuge der Steuererklärungsabgabe, bei dem Basisinformationen abgefragt und sodann bestimmte Themenblöcke und/oder Anlagen zielgerichtet aus- oder abgewählt werden. Die entsprechenden Informationen werden gesammelt und bei Beendigung des Interviews in das Formular übertragen. Daran schließt sich die sprachliche Unterstützung während des eigentlichen Ausfüllens an.

Dieser Teilaspekt wird als gegenwärtig komplexestes Szenario identifiziert, da u. a. einzelne Dialogabläufe für die mannigfaltigen Themenblöcke der Steuererklärung bereitzustellen sind. Weniger problematisch ist dagegen ist die Umsetzung sprachbasierter Assistenzsysteme zum Zwecke verschiedener Statusabfragen, sonstiger, meist formloser, Antragsabgaben und der Beantwortung der bereits erörterten allgemeinen Anfragen.

Ausblick

Sprachbasierte E-Government-Dienste können für den Steuerpflichtigen einen über ein reines Informationsangebot hinausgehenden Mehrwert bieten. Die Implementierung von Chatbots sollte durch die Einführung von E-Government-Lösungen unterstützt und flankiert werden, da erst Verwaltungsprozesse, die online abgewickelt werden können, die Grundlage für sinnvolle Chatbot-Anwendungen schaffen. In Abhängigkeit vom Komplexitätsgrad der Verwaltungsleistungen erscheinen beispielsweise Statusabfragen bereits kurzfristig, der Interviewmodus dagegen eher mittelfristig und das kontextbezogene Ausfüllen der Steuererklärung erst langfristig umsetzbar. Dabei ist stets auf einen geregelten und vertrauensvollen Umgang mit den persönlichen Daten zu achten, der zugleich eine große Herausforderung darstellt.

Mit der Entwicklung des Portalverbunds der Verwaltungsportale von Bund und Ländern geht die Chance einher, dass Chatbots als moderne Verfahren zur Benutzerführung in naher Zukunft ebenso für andere Verwaltungsleistungen vermehrt zum Einsatz kommen. Gleiches gilt für die Lösungen der soeben erwähnten fünf Teilbereiche im steuerlichen Kontext, da viele der umzusetzenden Leistungen des Portalverbunds ebenso antragsbezogen sind.

Literatur:
Felfernig, Alexander; Stettinger, Martin; Wundara, Manfred; Stanik, Christoph, Künstliche Intelligenz in der Öffentlichen Verwaltung – Status Quo und zukünftige Entwicklungen, in: Stember, Jürgen; Eixelsberger, Wolfgang; Spichiger, Andreas; Neuroni, Alessia; Habbel, Franz-Reinhard; Wundara, Manfred (Hrsg.), Handbuch E-Government – Technikinduzierte Verwaltungsentwicklung, Berlin 2019, S. 491.
Hill, Hermann, Moderne Verwaltungskommunikation, in: Fisch, Rudolf (Hrsg.), Verständliche Verwaltungskommunikation in Zeiten der Digitalisierung – Konzepte – Lösungen – Fallbeispiele, Baden-Baden 2020, S. 77.
Cover Dissertation Christoph Schmidt
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Das modernisierte Besteuerungsverfahren in Deutschland im Vergleich zu Österreich

Die verfassungsgemäße Fortentwicklung von E-Government als Herausforderung und Chance für die deutsche Finanzverwaltung

Weiterführende Gedanken und konkrete Reformvorschläge zur Weiterentwicklung des deutschen Besteuerungsverfahrens beschreibt Dr. Christoph Schmidt in seiner im Januar 2021 veröffentlichten Dissertation. Die rechtsvergleichende Untersuchung widmet sich dem aktuellen und praxisrelevanten Thema des digitalen Steuervollzugs und befasst sich mit dessen Chancen, Herausforderungen und Grenzen.