Im westfälischen Soest will man den möglichen Klimaveränderungen auf die Spur kommen – mit 100 Sensorboxen im Stadtgebiet. Die Stadt hat ein Projekt mit dem Namen BürgerWolke gestartet, das in den kommenden Jahren Lufttemperatur, UV-Intensität, Beleuchtungsstärke, Relative Luftfeuchte und Luftdruck – und an einigen Standorten Windstärke, Windrichtung, Globalstrahlung und Niederschlag - messen und dokumentieren wird. An einhundert Stellen werden Sensorboxen aufgestellt, die Hälfte davon auf öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten. Die anderen 50 in „Nachbars Garten“ – also auf privaten Grundstücken. Die Bürgerinnen und Bürger waren aufgerufen, sich zu beteiligen, KlimawissenschaftlerInnen zu werden und regelmäßig die Funktionstüchtigkeit der Sensorbox auf ihrem Grundstück zu überprüfen.
Die BürgerWolke ist eins von 25 Projekten, die in der Digitalen Modellregion Soest umgesetzt werden. Für das Klimadaten-Projekt haben sich die Stadt Soest, die Stadtwerke Soest, das Fraunhofer IOSB-INA und der Deutsche Wetterdienst zusammengeschlossen.
Hohe Anzahl von Messpunkten notwendig
Ausgangslage war ein Klimaanpassungskonzept der Stadt Soest. Für dieses Konzept wurden unter anderem meteorologische Messungen zu Grunde gelegt. Jürgen Treptow, bei der Stadtverwaltung zuständig für Geodaten, stellte fest, dass das Klimaanpassungskonzept am besten auf der Grundlage eines feinmaschig aufgebauten Messnetz erfolgen sollte.
„Auf dem Soester Stadtgebiet gibt es nur zwei stetig messende Wetterstationen eines privaten Anbieters und der LANUV NRW. Die Nutzung dieser Messdaten ergeben nur eine dementsprechend dünne Datenlage. Mehr Messpunkte und ein dichtes Messnetz versprächen dagegen aussagekräftigere Simulationen und ermöglichen lokalklimatische Betrachtungen.“ Auch der Deutsche Wetterdienst bestätigte seine Überlegungen. Doch wie ließ sich eine höhere Zahl an Messpunkten finanzieren?
Günstige Sensorboxen
Das Fraunhofer IOSB-INA, zu dem die digitale Modellkommune Soest gute Kontakte pflegt, schlug den Einsatz von Low Cost Sensoren vor, Stückpreis rund 180 Euro. Dann wurden Förderanträge gestellt, von Soest ebenso wie vom Fraunhofer IOSB-INA. „Das Fraunhofer Institut und natürlich auch der DWD sind sehr daran interessiert, ob diese Low Cost Sensorik ausreicht. Sollte sich herausstellen, dass die Messqualität der Sensorboxen nicht so genau ist, dann prüft das Institut, ob sich die Messqualität nachträglich noch mit Hilfe von KI verbessern lässt“, sagt Jürgen Treptow.
Soester BürgerInnen machen mit
Das Digitalisierungsteam der Stadtverwaltung hatte die Idee, Soesterinnen und Soester aktiv in das Projekt einzubeziehen. Von den geplanten 100 Sensorboxen, auf die sich der Deutsche Wetterdienst und das Digital Team verständigt hatten, werden 50 auf Privatgrundstücken angebracht. Insgesamt 80 Bürger haben ihr Interesse bekundet, weit mehr, als es Bedarf gibt. Im Moment findet die Auswahl statt, wobei ausschlaggebend ist, dass die privaten Standorte die Lücken zwischen den öffentlichen schließen.
BürgerWOLKE nutzt LoRaWAN
Für die Umsetzung greifen die Projektleiter auf eine neue Netzwerktechnologie zurück: LoRaWAN, kurz für „Long Range Wide Area Networks“. Die Bezeichnung steht für ein kabellos Netzwerk von Sensoren zur Datenübertragung. Im Gegensatz zum W-Lan, das auf kurze Strecken ausgelegt ist, funktioniert LoRaWAN für lange Distanzen und kam daher als Technologie für die BürgerWolke in Betracht. Die Sensoren der 100 einzelnen Sensorboxen messen dann demnächst die Klimadaten und schicken sie weiter an sogenannte Gateways. Diese stellen eine Verbindung zum einem Netzwerkserver her, von dem aus sie gesammelt und verarbeitet werden. Die Technologie funktioniert recht energiearm und gilt daher als gut geeignet, wenn es um die digitale Vernetzung von Städten, die Smart Cities, geht.
„Die Installation der acht Gateways haben die Stadtwerke übernommen, das LoRaWan Netzwerk steht. Der Deutsche Wetterdienst prüft nun noch mal alle Standorte aus meteorologischer Sicht“, sagt Jürgen Treptow. Danach beginnen die Stadtwerke, die Sensorboxen auf den öffentlichen Einrichtungen und bei den Bürgern zu montieren.
Klimadaten wandern ins Open Data
Wenn die Sensorboxen montiert sind und die Klimamessungen beginnen, gelangen die Daten in Echtzeit auf einen Server und anschließend auf ein Dashboard. Letzteres wird vom Fraunhofer Institut in Lemgo gebaut, seine Rohfassung steht bereits. Im Dashboard werden alle Messstationen zu sehen sein, es lassen sich einzelne Stationen anklicken. Die Messwerte, als Diagramme aufbereitet, werden schließlich als Open Data Satz zum Download zur Verfügung gestellt.
Auch der Deutsche Wetterdienst nutzt die Daten und lässt sie in sein eigenes Stadt-Klima-Modell miteinfließen. Auf diese Weise bekommt Soest ein flächendeckendes Monitoring-System – und die Stadtplanung kann auf gesicherterer Datengrundlage notwendige Maßnahmen zur Klimaanpassung ableiten.