Ausschreibung KI
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Vertragsfehler bei KI-Ausschreibungen im Fokus

Experteneinschätzung zu den Veränderungen in der öffentlichen Vergabe - Teil 4 von 5

Im vierten Teil unseres Interviews mit Okan Doğan, Rechtsanwalt und Experte für Vergaberecht und IT-Recht, geht es um häufige Fehler in den Vertragswerken für die Beschaffung von KI. Durch die richtige Vorbereitung können diese leicht vermieden werden. Gut formulierte Verträge sind entscheidend für den Erfolg von Ausschreibungen.

Verwaltung der Zukunft hat Rechtsanwalt Okan Doğan zu den Themen Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung, dem EU AI Act und Datenschutz befragt. In einer fünfteiligen Serie präsentieren wir seine Antworten.

Frage 4: Sie berichteten bereits, der Erfolg einer Ausschreibung hängt an gut formulierten Vertragswerken und an der technischen Bestimmung der vereinbarten Leistung. Können Sie Beispiele für häufige Fehler in den Vertragswerken nennen?

Der EU AI Act im Fokus
EU AI Act Part 1

Der EU AI Act im Fokus

Experteneinschätzung zu den Veränderungen in der öffentlichen Vergabe - Teil 1 von 5

Compliance und Vergabeverfahren bei KI im Fokus
KI Recht Beschaffung

Compliance und Vergabeverfahren bei KI im Fokus

Experteneinschätzung zu den Veränderungen in der öffentlichen Vergabe - Teil 2 von 5

Okan Doğan: Die häufigsten Fehler in Vertragswerken liegen in der unzureichenden Definition und Abgrenzung von technischen Spezifikationen und Leistungsanforderungen. Beispiele für solche Fehler sind:

  • Die falsche Einordnung von Bedarfen: Anforderungen an den Beschaffungsgegenstand werden häufig fälschlicherweise als Ausschlusskriterien (MUSS) statt als Bewertungskriterien (KANN) formuliert. Dies kann zu einer unnötigen Verengung des Anbieterkreises führen und hat im ungünstigsten Fall den Ausschluss von aussichtsreichen Bietern zur Konsequenz. Dem lässt sich entgegenwirken, indem die Bedarfsträger und deren Endanwender auf die vergaberechtlichen Auswirkungen ihrer „Wunschlisten“ aufmerksam gemacht werden.
  • Festlegung von Anforderungen „am Markt vorbei“: Anforderungen, die am Markt nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten umsetzbar sind, sollten durch eine gründliche Markterkundung im Vorfeld der Ausschreibung identifiziert und von vornherein vermieden werden.
  • Mangelnde Vertragsflexibilität: Es fehlen oft Klauseln, die eine Anpassung an technologische Entwicklungen erlauben, wie z.B. Produktnachfolgeklauseln oder Überprüfungsklauseln bzw. Optionen im Sinne des § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GWB.
  • Unzureichende Regelungen zum Projektvorgehen: Insbesondere bei KI-Projekten ist es wichtig, klare Regelungen zur Projektmethodik und Abnahme der Leistungen festzulegen, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden. Denn Unklarheiten hinsichtlich der Modalitäten des Projektvorgehens (Gremien, Rollen, Abhängigkeiten, Mitwirkungspflichten etc.) und der förmlichen Abnahme (Fristen, Verantwortlichkeiten, Inhalt und Umfang der Funktionstests u.ä.) können eine kritische Belastung des Vertragsverhältnisses und Frontenbildung verursachen.

Wer Fehler in der Vertragsgestaltung vermeiden möchte, sollte außerdem einen Blick auf die von der EU-Kommission ausgearbeiteten Entwürfe von Standardvertragsklauseln für KI-Systeme werfen. Link: EU model contractual AI clauses to pilot in procurements of AI | Public Buyers Community (europa.eu)

Doch nicht nur Fehler bei der Vertragsgestaltung, sondern auch die Wahl des falschen Vertragstyps kann den Erfolg einer Ausschreibung gefährden.

Der falsche Vertragstyp hat häufig nachteilige Auswirkungen auf die Flexibilität nach Vertragsschluss und die angebotenen Preise. Dieses Problem treffe ich besonders im Zusammenhang mit der Frage an, ob mit dem späteren Auftragnehmer eine Rahmenvereinbarung oder ein Einzelvertrag geschlossen werden soll.

3 Empfehlungen für die Beschaffung von KI im Fokus
Beschaffung KI

3 Empfehlungen für die Beschaffung von KI im Fokus

Experteneinschätzung zu den Veränderungen in der öffentlichen Vergabe - Teil 3 von 5

  • Der Rahmenvertrag bietet ein Mehr an Flexibilität, weil der Auftraggeber seinen konkreten Bedarf zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht explizit kennen muss. Dieser Vorteil besticht insbesondere dann, wenn nur geschätzt werden kann, wie hoch der tatsächliche Bedarf (z.B. an Lizenzen, Beratungsleistungen, Customizing, Speicherplatz etc.) ausfallen wird. Auch aus vergaberechtlichen Gründen können Rahmenverträge vorteilhaft sein: Kann der öffentliche Auftraggeber seinen Bedarf zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Einzelvertrages tatsächlich nicht konkret abschätzen, besteht für ihn die Gefahr,
    o    seinen Bedarf zu niedrig eingeschätzt zu haben und somit eine erneute Ausschreibung zu riskieren oder
    o    seinen Bedarf zu hoch geschätzt zu haben, so dass vermeidbare Mehrkosten entstehen.
  • Demgegenüber schafft der Einzelvertrag bereits aus sich heraus Planungssicherheit für beide Vertragsparteien; denn sie kennen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihre konkreten Vertragspflichten. Für zusätzliche, also im ursprünglichen Einzelvertrag nicht vorgesehene, Vertragsleistungen ist grundsätzlich ein weiterer Vertrag erforderlich, der jedoch die Gefahr birgt, dass die ursprünglichen - unter Umständen günstigen - Konditionen nicht in den neuen Vertrag übernommen werden. In den Grenzen des § 132 GWB sind „Optionen“ denkbar, die dem Einzelvertrag eine „rahmenvertragsähnliche“ Flexibilität geben können.