E-Government
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Aus dem Shutdown lernen: So gelingt krisenfestes E-Government für die Zukunft

Open-Source-Lösungen machen Behörden unabhängig und ermöglichen, dass andere Bundesländer Lösungen adaptieren und weiterentwickeln können.

Im März haben Bund und Länder das öffentliche Leben heruntergefahren, um das Coronavirus an der weiteren Ausbreitung zu hindern. Diese Situation hat gezeigt, wo die digitalen Services der öffentlichen Verwaltung bereits funktionieren und welche Vorteile E-Government im Alltag hat. Denn der persönliche Kontakt der Bürger*innen zu den Mitarbeiter*innen in Behörden und Ämtern war eingeschränkt oder gar nicht möglich.

Gleichzeitig wurden die Defizite sichtbar: Anpassungen waren kurzfristig nicht möglich, denn die Software, die den Anwender oft an bestimmte Hersteller bindet, erwies sich als unflexibel. Also arbeitete man mit dem, was man hatte. Auf diese Weise hat die Krisensituation technische Schulden in der öffentlichen Verwaltung erzeugt. Andere Schwachstellen waren für die Bürger direkt spürbar, wenn sie Kontakt mit den Behörden aufnehmen wollten: Mitarbeiter*innen waren zwar im Home Office erreichbar, aber nicht arbeitsfähig, denn die Akten lagen in den Büros. Die kommenden Monate werden von weiteren Veränderungen und stetiger Unsicherheit geprägt sein. Sobald die Infektionszahlen wieder ansteigen, drohen erneute Shutdowns. Oder die Gesundheitspolitik ordnet zusätzliche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus an, die die Behörden umsetzen sollen.

Die „neuen Normalitäten“ erfordern Flexibilität

Der öffentliche Sektor muss sich immer wieder an „neue Normalitäten“ anpassen. Dies kann nur solchen Organisationen gelingen, die sich flexibel aufstellen, um kurzfristig reagieren zu können. Laut einer aktuellen Umfrage von McKinsey haben Unternehmen in Deutschland angekündigt, als Antwort auf die Pandemie den digitalen Strukturwandel voranzutreiben. Ebenso ist der Druck auf die öffentliche Verwaltung gestiegen, digitale Behördengänge ohne Medienbrüche zu ermöglichen. Behörden und Ämter dürfen jetzt nicht in ihr Business-as-usual zurückfallen. Sie müssen auf ihren Erfahrungen aus der Krisenzeit aufbauend die Digitalisierung in Gang bringen. Aktuell sind vor allem digitale Plattformen im Einsatz, die auf geschlossenen Architekturen, proprietären Software-Elementen und spezifischen Programmiersprachen basieren. Und die unterliegen technischen und lizenzrechtlichen Lock-Ins: Produkte und Lösungen sind an Anbieter und Dienstleister gebunden. Ein Wechsel ist in der Regel mit hohen Kosten und weiteren Barrieren verbunden – Abhängigkeiten entstehen und Innovationen sind nicht möglich. Diese IT-Architekturen fördern nicht den Umsetzungswettbewerb und die Zusammenarbeit im E-Government, sondern den Verdrängungswettbewerb.

Open-Source-Lösungen kommen auch in der Verwaltung zum Einsatz.
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Offene Systeme ermöglichen Veränderungen und fördern Innovationen

Es gibt einen Weg aus diesen Abhängigkeiten hin zu einer flexiblen und damit krisensicheren digitalen Verwaltung. Er führt über die strategische Entscheidung für offene IT-Systeme. Denn sie erlauben Veränderungsprozesse und Zusammenarbeit und fördern Innovationen. Open-Source-Lösungen sind dabei mindestens so sicher wie proprietäre Lösungen: Die Quellcodes sind für jeden einsehbar und diese Transparenz sorgt für Sicherheit, denn Eindringlinge und Sicherheitslücken erkennt die aktive Entwickler-Community schnell. Weitere wichtige Aspekte sind Agilität und Mut zu Veränderungen, Nutzerorientierung und die Möglichkeit, das Wissen der Gemeinschaft zu nutzen. Voraussetzung für all dies ist die Digitalkompetenz der Verwaltungsmitarbeiter*innen genauso wie der Bürger*innen. Denn die modernste IT nützt nicht viel, solange Grenzen und Schranken in den Köpfen das Handeln bestimmen und Unsicherheiten Entscheidungen verhindern. Behörden und Ämter stehen vor der Aufgabe, ihr Personal für die Digitalisierung zu qualifizieren, um die nötige Steuerungs- und Umsetzungskompetenz für moderne IT-Lösungen aufzubauen. Der Public Sector hat sich in den letzten Monaten als krisensicherer Arbeitgeber erwiesen – Kurzarbeit gab es hier nicht. Im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte sollte dieses überzeugende Argument aktiv genutzt werden.

Open-Source im Public Sector: Best Practices

Offene Systeme garantieren die Nachnutzung im Sinne des Credos „Public Money Public Code“. Das heißt, dass andere Bundesländer Lösungen adaptieren und weiterentwickeln. Diese Nachnutzung spart Zeit und Steuergeld bei der Umsetzung neuer Vorhaben und fördert Vielfalt und Sicherheit. NRW beispielsweise nutzt für sein Landesportal die Lösung deGov als Content-Management-System – eine speziell auf die Bedürfnisse der öffentlichen Verwaltung spezialisierte Distribution von Drupal 8 auf Basis von Open-Source-Software. Ein weiteres Beispiel für eine Open-Source-Lösung im öffentlichen Sektor ist die Corona-Warn-App, deren Code als Antwort auf Datenschutzbedenken veröffentlicht wurde. Die hinter uns liegenden Monate haben gezeigt, dass Mut zur Veränderung in der öffentlichen Verwaltung möglich ist: Unter dem Druck der Pandemie wurden Blockadehaltungen aufgelöst und schnell neue Lösungen umgesetzt: Um kurzfristig im Home Office arbeitsfähig zu werden, setzten Behörden Übergangslösungen ein, wie die auf Open-Source-Software basierende, verschlüsselte Videokonferenzlösung Jitsi. Dies wäre vor Corona undenkbar gewesen. Das Portal „Gewerbe.NRW" zeigt vorbildliche Nutzerorientierung: Mit wenigen Klicks lassen sich Gewerbeanzeigen mithilfe eines Online-Formulars an die Ordnungsämter übermitteln. Das spart Gründern viel Zeit, die sie für den Aufbau ihres Geschäfts verwenden können. Sollten Fragen aufkommen, leistet ein Chatbot Unterstützung.