Wenn der Staat zur Aufklärung von Straftaten und der Überführung von Tatverdächtigen mehr könnte, aber nicht mehr tun darf!
Vom ständigen Abwägen zwischen den Ermittlungserfordernissen der Strafverfolgungsbehörden und der Angst, Bürgerrechte zu verletzen.
Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz moderner Gesichtserkennungssysteme, bei denen es mittels des Einsatzes von KI den Kamerasystemen gelingt in atemberaubender Geschwindigkeit z.B. gesuchte Personen zu erkennen. Würde man 100 Polizeikräfte mit der gleichen Aufgabe (Personenfahndung) betreuen und anstelle der Kameras platzieren, wäre dies rechtlich völlig unproblematisch, aller Wahrscheinlichkeit nach aber nicht annähernd so erfolgversprechend. Aber immer dann, wenn Kameralinsen anstelle von menschlichen Augen ins Spiel kommen, werden sofort rechtsstaatliche Bedenken angemeldet. Hoch im Kurs steht in der Regel das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung". Daher darf die Polizei „nicht beliebig Fahndungsfotos mit Aufnahmen aus dem Internet abgleichen", so Mario Martini, Verwaltungsrechtler an der Uni Speyer. Instrumente wie das Programm „PimEyes” seien zwar sehr effizient, aber der Zweck heilige auch hier nicht die Mittel.
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Nutzen kann dieses Programm für eine Handvoll Euro im Monat jeder. Ist die Suchmaschine mit Fotos bespielt, dann durchsucht ein Algorithmus Hunderte Millionen Bilder und erkennt Gesichter anhand von biometrischen Daten wieder. Bilder auf Social Media werden nach Angaben des Anbieters NICHT genutzt.
Derartige Systeme sind hoch umstritten, schon vor vier Jahren sprach der damalige Datenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg Stefan Brink von einer, so wörtlich, alarmierenden Entwicklung. Nach der Datenschutzgrundverordnung der EU sei es verboten „biometrische Daten zur eindeutigen Identifizierung von natürlichen Personen zu nutzen."
Wenn allerdings nicht die Strafverfolgungsbehörden selbst diese Mittel nutzen (dürfen), heißt das natürlich keineswegs, dass auf diesem Weg gewonnene Erkenntnisse Dritter nicht doch dankbar verwertet werden (dürfen). So geschehen im Fall Daniela Klette, die bei ihrer Festnahme des versuchten Mordes in zwei Fällen sowie der versuchten und vollendeten Sprengstoffanschläge in Mittäterschaft bei drei Anschlägen der RAF dringend verdächtig war.
Was war geschehen? Wenige Monate zuvor jagten Journalisten (!) 30 Jahre Fahndungsfotos der Gesuchten durch das Programm „PimEyes” – Volltreffer. Ganze 30 Minuten, mehr Zeit habe man nicht benötigt, um Daniela Klette ausfindig zu machen. Der Rest war kriminalpolitische Routinearbeit und das Leben im Untergrund war beendet.
Fazit: Derzeit ist Ermittlern – in Deutschland – nicht erlaubt, was Private dürfen.
Ob das geändert werden sollte, liebe Leserinnen und Leser, darüber sollte die Politik einmal in Ruhe debattieren. Am besten gemeinsam mit Horst Seehofer, der als Bundesinnenminister a. D. bei einem Pilotprojekt an einem Bahnhof in Berlin schon vor Jahren einschlägig Erfahrungen sammeln konnte. Massive datenschutzrechtliche Bedenken inklusive.
Der Autor, Wolfgang Bosbach, ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.
7. Berliner Kongress wehrhafte Demokratie
🗓️ 16. bis 17. Juni 2024, Hotel de Rome in Berlin