Bosbach
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Zerbrochene Scheiben und die Innere Sicherheit

Rechts- und Sicherheitsexperte Wolfgang Bosbach über den Zusammenhang von Vandalismus und Kriminalität

Hat die Broken-Windows-Theorie, die einen Zusammenhang zwischen heruntergekommenen Stadtvierteln und Kriminalität sieht, an Aktualität eingebüßt? Immerhin wurde sie bereits vor 40 Jahren publiziert und war nie unumstritten. Ein Blick auf den aktuellen NRW-Check, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut FORSA zu den Bedrohungs- und Kriminalitätsängste der Menschen zeigt, dass das Sicherheitsempfinden durchaus in Zusammenhang mit einem intakten Stadtbild steht.

Immer dann, wenn es um das Thema Innere Sicherheit geht und die richtigen Strategien für deren Stärkung durch ganz unterschiedliche Präventionsansätze, dann dauert es nicht lange, bis das Stichwort „Broken-Windows-Theorie“ fällt. So auch hier.

Vor genau 40 Jahren veröffentlichten die amerikanischen Sozialforscher Kelling und Wilson in der Zeitschrift „The Atlantic Monthly“ ihr Broken-Windows-Konzept.

Sie beriefen sich dabei auf ein sozialpsychologisches Experiment von Philip Zimbardo, der schon in 1960er Jahren experimentell Vandalisierungsverläufe an abgestellten, scheinbar defekten Autos untersuchte.

Begünstigt ein verwahrlostes Stadtbild Kriminalität? 

Er stellte ein älteres Auto mit abmontierten Kennzeichen und geöffneter Motorhaube im New Yorker Stadtteil Bronx ab. Einem Stadtquartier, dem man auch baulich die vielfältigen Sozialprobleme dieses Viertels ansah.

Bereits nach 10 Minuten (!) begann das Ausschlachten des Wagens. Wenige Stunden später war das Fahrzeug komplett entkernt und dann startete die sinnlose Verwüstung der Karosserie.

Zimbardo startete das gleiche Experiment in Palo Alto, einem chicen Vorort von San Francisco. Dort wurde nur von Passanten die Motorhaube geschlossen das war es dann.

Daraus schlossen die Sozialforscher: Wenn in einem Stadtteil nichts oder viel zu wenig gegen Verwahrlosung und Vandalismus unternommen wird, wenn Verfall, Unordnung und Grafittischmierereien nicht mehr bekämpft werden und Müll nicht mehr ordnungsgemäß entsorgt wird, dann begünstigt all das die Entstehung von Kriminalität.

Deshalb: Ersetzt zerbrochene Scheiben ganz schnell durch neue, damit erst gar nicht der Eindruck entsteht, dass sich hier niemand mehr darum kümmert, drohende Verwahrlosung zu verhindern!

NRW-Check: Wovor fürchten sich Einwohner am meisten? 

Natürlich ist auch diese Theorie nicht unumstritten wie könnte es auch anders sein aber der jüngste NRW-Check, durchgeführt durch das Meinungsforschungsinstitut FORSA, bestätigt die Theorie von Kelling und Wilson.

Die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um sich im öffentlichen Wohnumfeld sicher zu fühlen, beantworten

  • 92 Prozent mit „ausreichende Beleuchtung bei Dunkelheit“,
  • 88 Prozent damit, dass „Stadtteile einen gepflegten und übersichtlichen Eindruck machen“.

Erst an dritter Stelle der Prioritätenliste stand die Forderung „dass Polizeibeamte in der Nähe oder schnell erreichbar sind“ – was 83 Prozent forderten. 60 Prozent wiesen darauf hin, dass sie sich sicherer fühlen würden „wenn möglichst viele Menschen und Passanten unterwegs sind“ und 57 Prozent setzten auf mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum.

Interessant sind auch die Antworten auf die Frage, vor welchen Erscheinungsformen der Kriminalität sich die Bürgerinnen und Bürger am meisten fürchteten, hier führen mit 59 Prozent überraschend der Datenmissbrauch und mit 52 Prozent der Betrug im Internet – erst danach folgen die Angst vor gewalttätigen Angriffen/Körperverletzung (45 Prozent) und vor Wohnungseinbrüchen (42 Prozent).

Im Vergleich zu diesen Zahlen erscheinen die Furcht vor Diebstählen AUS den Kraftfahrzeugen mit 17 Prozent und Diebstahl DES Fahrzeuges mit 16 Prozent relativ gering. Vielleicht auch deshalb, weil beim Fahrzeugbau der Sicherheitsaspekt, wie zum Beispiel die elektronische Wegfahrsperre, in den letzten Jahrzehnten eine deutlich stärkere Beachtung gefunden hat.

2018 wurden in Deutschland noch 30.232 Fahrzeuge gestohlen, 2019 waren es 28.132 und 2020 immerhin noch 23.646. Zwar ist der Trend rückläufig, aber das Niveau ist leider nach wie vor hoch. Zu hoch.

Der Autor ist Kongresspräsident des Berliner Kongress wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war Wolfgang Bosbach Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.