Abend in der Stadt
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Was Künstliche Intelligenz für Kommunen leisten kann

In der kommunalen Praxis hilft KI bei kundenzentrierter Verwaltungsmodernisierung

Künstliche Intelligenz findet in Stadtverwaltungen nur ansatzweise Verwendung. Dabei hat sie enormes Potenzial, das zum Wohl der Stadtgesellschaft und der Modernisierung der Kommunalverwaltung genutzt werden kann.

Reformierung, Modernisierung und Ansätze von Entbürokratisierung in der Verwaltungstheorie hatten in den letzten Jahrzehnten einen enormen Wandel der Sicht auf Kommunalverwaltung zur Folge. Um die Jahrhundertwende vereinten sich die Werte der Prozess- und Kundenorientierung mit neuen technologischen Möglichkeiten im sogenannten E-Government. Heute hat sich die Perspektive hin zur durch Partizipation geprägten Public Governance als ganzheitlichem Leitbild mit diskursiven Verhandlungssystemen geweitet: „Der Bürger ist nicht mehr Untertan, sondern Souverän, Kunde und Mitgestalter.“ (Reichwein 2014, S. 63)

Hohe Ansprüche der Bürger treffen auf eine unzeitgemäße Verwaltung  

Kommunen tätigen nicht nur etwa 75 Prozent der Investitionen, sondern erfüllen auch ca. 80 Prozent der Verwaltungsaufgaben (Knemeyer 2006, S. 194) und sind so in der Regel erste Ansprechpartner für die Stadtgesellschaft. Ihre Anspruchsgruppen wünschen kundenfokussierte, digitale Dienstleistungen, die medienbruchfrei, zeit- und ortsunabhängig nutzbar sind, und legen ähnliche Erwartungsmaßstäbe hinsichtlich Serviceangebot, Verfügbarkeit, Bedienerfreundlichkeit und Reaktionsgeschwindigkeit adäquat kommerzieller Anbieter an. Jedoch halten sich auch in der Ära des (Post) New Public Managements teils hartnäckig Papierberge in den Aktenordnern der Amtstuben, redundante Datensätze auf den Laufwerken, Medienbrüche bei den IT-Services sowie hierarchische Strukturen und unzeitgemäße Organisationsmethoden im Projektmanagement.

Reichwein, A.: Moderne Verwaltung. In: Paulic, R. (Hrsg.) Verwaltungsmanagement und Organisation. Verlag für Verwaltungswissenschaft, Frankfurt am Main, 2004, S. 23-65

Gelungene Digitalisierungsinitiativen helfen durch Prozessaufnahme, Ausrichtung an den Anforderungen und Umsetzung in softwaregestützte Workflows nicht nur eine effiziente, durchgängige Bearbeitung zu ermöglichen, sondern stellen auch die Sicht der Stadtgesellschaft als Kundinnen und Kunden der Kommunalverwaltung in den Mittelpunkt. Eine Tendenz zu flacheren Hierarchien, flexibleren Organisationsformen, multiprofessionellen Teams und eine enge Zusammenarbeit bei der Entwicklung gemeinsamer Lösungen – intrakommunal, interkommunal, übergreifend mit Start-ups, Wissenschaft und Forschung usw. – können die Defizite in der Digitalisierung von Verfahren und Services zusätzlich kompensieren.

Knemeyer, F.: Kommunalverwaltung / Kommunalverfassung. In: Voigt, R., Walkenhaus, R. (Hrsg.) Handwörterbuch zur Verwaltungsreform. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, S. 193-196

Welche Aufgaben Künstliche Intelligenz zukünftig erledigen kann

Künstliche Intelligenz (KI) kann hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. In vielfältigen, potenziellen Einsatzgebieten der Kommunalverwaltung kann KI – als meist geringer Anteil an IT-Lösungen – einen wesentlichen Unterschied zu herkömmlichen Verfahren bedeuten. KI kann:

  • Vorgänge beschleunigen,
  • Aufgaben effizient und kostengünstig erledigen,
  • Transparenz, Teilhabe und Inklusion fördern, 
  • zum Angebot von nutzerfreundlichen Services in höherer Qualität und damit
  • zu einer stärkeren Zufriedenheit der Stadtgesellschaft beitragen.

Insbesondere in der Verbesserung von Abläufen und dem Schließen von Medienbrüchen kann KI die Digitalisierung unterstützen und voranbringen. Standardanfragen in der Sachbearbeitung (z. B. automatisierte Klassifizierung und Vorgangszuordnung, Prüfung von Dokumenten oder Auffinden von Daten in großen Datenmengen) bieten sich geradezu an, diese zu automatisieren und damit Mitarbeiter von Routinetätigkeiten zu entlasten.

KI schafft Freiräume für gestalterische Aufgaben - und Bürgerberatung

Rund um die Uhr können KI-Systeme parallel mehrere Vorgänge gleichzeitig und in verschiedenen Sprachen bearbeiten, z. B. als Dialogsysteme im direkten Bürgerkontakt. So entstehen Freiräume bspw. für die Bürgerberatung oder gestalterische Aufgaben, wie die Planung und Durchführung innovativer Vorhaben.

Nutzen durch KI entsteht auch in Vorhersagen (z. B. Simulation komplexer Systeme der Verkehrswegeplanung oder Prognosen von Schäden an Abwasserkanälen) und in der zielgerichteten Unterstützung bzw. Teilübernahme von Entscheidungen, gerade dann, wenn eine Vielzahl an Informationen und Datensätzen verarbeitet werden müssen (z. B. Auswertung von Bürgerstimmen in Partizipationsverfahren). KI-Lösungen können zudem als Assistenzsysteme dem Fachkräftemangel entgegenwirken (z. B. in der Pflege) oder gefährliche Arbeiten im Brand- und Katastrophenschutz übernehmen.

KI ist allerdings keine Allzwecklösung, sondern ein hilfreiches Werkzeug. Ihr Einsatz in der Kommunalverwaltung bedingt die Auseinandersetzung u. a. mit Aspekten der Wirtschaftlichkeit, potenzieller Abhängigkeit von Dienstleistern, Vorbeugung von Diskriminierung, dem Datenschutz, der Dokumentation und Überprüfbarkeit sowie letztlich der Übernahme von Verantwortung für Entscheidungen.

KI wird ein wichtiger Teil der Kommune der Zukunft werden 

Mit der Einführung von KI-Lösungen empfiehlt es sich nicht nur, eine organisatorische Verankerung in der Stadtverwaltung zu etablieren und Weiterbildungsmöglichkeiten für Führungskräfte und Mitarbeitende zu etablieren, sondern auch Ansprechpartner für die Stadtgesellschaft, um Transparenz und Akzeptanz zu fördern. KI erfordert ein Umdenken zum Umgang mit Daten, der Durchführung von Vergabeverfahren, dem Projektmanagement usw. Künstliche Intelligenz hat großes Potenzial zur Unterstützung von Verwaltungsabläufen und Services der Kommunalverwaltungen; sie wird ein wichtiger Teil der Kommune der Zukunft werden. Zielgerichteter Nutzen wird allerdings nur dann entstehen, wenn sich Stadtverwaltungen der Herausforderung stellen, Verantwortung übernehmen und KI zum Wohl der Stadtgesellschaft einsetzen.

 


 

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"Künstliche Intelligenz für die Smart City - Handlungsimpulse für die kommunale Praxis"

ist der Titel des Buches, das Tabea Hein zusammen mit Götz Volkenandt im Dezember 2020 herausgegeben hat. Es führt zuerst in die Grundlagen künstlicher Intelligenz ein und zeigt die wichtigsten Aspekte des Einsatzes in Kommunen auf. Im zweiten Teil beschreiben Thomas Bönig (Stadt München), Maik Luhmann (Stadt Gelsenkirchen), Christian Schachtner (IUBH Hochschule), Jens Visser (Stadt Bocholt) und Stefan Weiss (Stadt München) ganz konkret, wie und wo KI in Kommunen sinnvoll eingesetzt wird. 
 

Verlag Knowledge & Trends, 2020
Print-Ausgabe ISBN 978-3-943727-08-1
E-Book-Ausgabe ISBN 978-3-943727-07-4