Cassini
© Cassini Consulting AG

OZG weiterdenken

5 Thesen für eine strategische Neufokussierung der OZG-Umsetzung

Seit Januar 2022 befinden wir uns im planmäßig finalen Jahr der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Noch in diesem Jahr sollen insgesamt 575 Verwaltungsleistungen für Bürgerinnen und Bürger online zugänglich sein. Es ist bereits absehbar, dass die OZG-Umsetzung in ihrem aktuellen Umfang noch über das Jahresende hinaus andauern wird und anschließend in einem Programm wie ein „OZG 2.0“ Fragestellungen adressiert werden müssen, die bisher noch nicht mitgedacht werden. Cassini-Berater*innen haben 5 Thesen für eine strategische Neufokussierung der OZG-Umsetzung erarbeitet.

#1 Es sollte eine Kreditanstalt für Digitalisierung etabliert werden.

Die Finanzierung sollte sich von dem Paradigma lösen, Budget für bestimmte Ziele mit einem bestimmten Ablaufdatum mit überbordenden Controlling-KPIs zur Verfügung zu stellen. Finanzförderung sollte stattdessen noch stärker evidenzbasiert erfolgen. Als Vorbild für neue Finanzierungswege der Digitalisierung könnte die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) dienen. So wie der Werdegang der KfW eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands verbunden ist und hierfür Wandel unterstützt und zukunftsweisende Ideen vorantreibt, könnte eine Kreditanstalt für Digitalisierung (KfD) ebenso Darlehen mit einem gesellschaftlichen Leistungsversprechen vergeben.

#2 Das OZG muss marktorientierter werden und auch Fachverfahrenshersteller in die Pflicht nehmen.

Die Umsetzungskosten sind im Vergleich zum privatwirtschaftlichen Marktniveau überproportional hoch. Das OZG und vor allem das EfA-Prinzip entfalten ihren Mehrwert am besten dort, wo Einheitlichkeit vorherrscht.

Welcher Dienst oder Standard sich dabei als einheitlich durchsetzt, könnte auch durch Wettbewerb am Markt bestimmt werden. Indem privat- wirtschaftliche Anbieter direkten Zugang zu den Finanzmitteln des Konjunkturpaketes erhalten und in den Wettbewerb um die besten Lösungen treten, könnten technische Standards konsequent etabliert und Kosten und Komplexität reduziert werden. Vorstellbar wäre dafür beispielsweise, das OZG ähnlich wie das Lieferkettengesetz als Instrument zur erhöhten Sorgfaltspflicht auf Seiten der Fachverfahrenshersteller zu nutzen.

#3 Das Verwaltungsverfahrensgesetz sollte darauf hin geprüft werden, welche Rechtserfordernisse der Digitalisierung im Wege stehen und dahingehend novelliert werden.

Die Logik hinter der OZG-Umsetzung basiert maßgeblich auf dem VwVfG als zentrale Verfahrensordnung für die öffentliche Verwaltung. In den letzten fünf Jahren hat es lediglich sechs Änderungen des VwVfG gegeben, von denen vier einen konkreten Digitalisierungsbezug aufweisen.

Zusätzlich gibt es nach wie vor veraltete Grundsätze, die digitalisierungshemmend wirken, wie z.B. das Schriftform- erfordernis (§57 VwVfG). Eine juristische Prüfung des VwVfG auf digitalisierungshemmende Normen ist zeitnah notwendig, um innerhalb der Verwaltung die Voraussetzungen für einen Aufbruch ins digitale Zeitalter zu schaffen.

#4 Die strategische Gestaltung der Schnittstelle von Bürger*innen und Verwaltung sollte in einem Bundesministerium verortet sein.

Zentraler Erfolgsfaktor für die OZG-Umsetzung ist die Vernetzung von unterschiedlichen Portalen und die gelungene Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Damit konfrontiert das OZG und das darin verankerte digitalpolitische Zielbild die deutsche öffentliche Verwaltung direkt mit den Herausforderungen des Föderalismus. Damit der Föderalismus nicht weiterhin ein Hemmschuh für diese wesentlichen Ziele des OZG darstellt, sollten sich Nutzerorientierung und Ganzheitlichkeit der Digitalisierung organisatorisch in einer zentralen Managementstelle auf höchster föderaler Ebene abbilden. Eine Querschnittsarbeitsgruppe im BMI aus den beiden Abteilungen Digitale Gesellschaft (DG) und Digitale Verwaltung (DV) wäre hierfür eine sinnvolle Lösung.

#5 Die Verwaltung braucht eine neue Innovations- und Fehlerkultur.

Im Rahmen der OZG-Umsetzung ist deutlich geworden, welche Dinge gut laufen und welche zukünftig verbessert werden sollten. Es gilt nun, über das Ende des Jahres 2022 hinaus auf diesen Erkenntnissen aufzubauen. Um die Digitalisierung nachhaltig und dauerhaft erfolgreich zu gestalten, muss sie Hand in Hand mit einer Modernisierung der öffentlichen Verwaltung gehen. Die lernende und flexible Institution wird erfolgsentscheidend und die Ausbildung einer digitalen Know-how-Kultur in der Organisation wird zum Führungsanspruch. Eine der wesentlichen Haltungen, die angenommen wird, ist die der Fehlerkultur. Es ist unerlässlich, eine Kultur des Lernens zu etablieren, damit die digitale Transformation und eine umfassende Verwaltungsmodernisierung erfolgreich gestaltet werden können.

Nehmen Sie Kontakt zum Autor/zur Autorin auf

Sie haben Interesse an einem Erfahrungsaustausch oder weiteren Informationen? Ihr Feedback und Ihre Fragen leiten wir direkt an den Verfasser / die Verfasserin des Textes weiter.