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Digitalstrategie Berlin: Nach den grünen Scheinen kommt das Grünbuch

Wie Berlin seine Einwohner an der Digitalisierungsstrategie der Stadt beteiligen will

Digital-Konzerne und die kreative Startup-Szene bescheren Berlin ein kräftiges Wirtschaftswachstum. Bei der Entwicklung der Digitalstrategie für die Stadt besinnt sich die Politik wieder auf andere Werte: Bürgerbeteiligung und Gemeinwohl.

Startup Hauptstadt, Deutschlands Digitalhauptstadt, digitaler Hotspot – Berlin hat sich diese Auszeichnungen wirklich verdient. Neben großen Digital-Konzernen wie Google, Microsoft oder die Deutsche Telekom haben auch Daimler, Viessmann, Würth, Allianz und Volkswagen in Berlin ihre Labs und Hubs eröffnet. Und die kräftig wachsende Startup-Szene stellt schon jetzt rund 80.000 Arbeitsplätze. Laut dem „Berlin Startup Monitor 2020“ vom Bundesverband Deutsche Startups entsteht jeder siebte neue Job in Berlin aktuell in der Digitalwirtschaft. Der Ruf der Stadt als Innovationsstandort voller junger Talente aus aller Welt lockt immer mehr Geldgeber an: Seit Jahren fließen zwischen 60 und 75 Prozent des in Deutschland eingesetzten Wagniskapitals allein nach Berlin. Und obwohl der klassische Finanzsektor seinen Schwerpunkt in Frankfurt am Main hat, sind mit 35 Prozent mehr als ein Drittel der deutschen FinTechs in der Hauptstadt Berlin ansässig.

Stadtgesellschaft soll beim Grünbuch Berlin mitmachen

Der Erfolg der Digitalwirtschaft dominierte auch die Überlegungen für eine städtische Digitalisierungsstrategie. Die zuständige, Grün-geführte Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe wollte eigentlich eine Beratungsgesellschaft damit beauftragen. Aber 2019 veröffentlichte Vertragsdokumente zeigten: Bei der Digitalisierungsstrategie sollte der Fokus vor allem auf Wirtschaftsförderung liegen. Dagegen regte sich Protest innerhalb der Rot-Rot-Grünen Regierungskoalition. Denn erst kurz zuvor war Berlin der „Cities Coalition for Digital Rights“ beigetreten und hatte deren Deklaration unterzeichnet. Die Initiative setzt sich für die Einhaltung und Umsetzung von fünf Grundsätzen ein: gleichberechtigter Zugang zum Internet, Schutz persönlicher Daten und der diskriminierungsfreie Umgang mit ihnen, das Recht auf Teilnahme an digitalen Meinungsbildungsprozessen sowie offene und ethische Standards für digitale Dienste. 

Damit unvereinbar war, die Leitlinien für die Digitalisierungspolitik im Land Berlin nur mit ausgewählten Akteuren hinter verschlossenen Türen zu beschließen. Stattdessen sollte der digitale Masterplan möglichst breit in der Zivilgesellschaft der Stadt diskutiert, die Stadtgesellschaft an der digitalen Transformation beteiligt werden: mit Online-Beteiligungsverfahren, Fokusgruppen und Bürgerdialogen.

Digitalisierung der Verwaltung, Smart-City,  KI, Open Data

Dafür hat die Wirtschaftsverwaltung nun die Voraussetzungen geschaffen und das sogenannte Grünbuch Berlin online gestellt. Anhand von 20 Themenfeldern beschreibt es den Ist-Zustand und die jeweiligen Herausforderungen der Digitalisierung im Land Berlin, es nennt Stärken und konkrete Handlungsbedarfe. Es geht um Digitalisierung der Verwaltung, E-Government, Smart-City, Glasfaserausbau, digitale Teilhabe, digitale Schule, Künstliche Intelligenz, Open Data, Open Science und die Fragen: Was für neue, übergreifende Strukturen müssen geschaffen werden? Wie können bereits vorhandene Digitalisierungsprogramme einbezogen werden? Welche Projekte sollen wie und von wem bei der digitalen Transformation der Millionenstadt angegangen werden?

Die Handlungsfelder der Digitalisierungsstrategie
© Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe

Berlinerinnen und Berliner sind ausdrücklich aufgefordert, sich mit ihren Ideen zu beteiligen. Wer sein Wissen, seine Vorschläge oder Bedenken zum Grünbuch einbringen möchte, kann sich über ein einfaches Online-Formular mit Namen und E-Mailadresse dafür melden. Partizipation lautet das Zauberwort. Das erklärte Ziel: Ein „ernsthafter und systematischer Beteiligungsprozess, an dem möglichst viele Akteure der Stadtgesellschaft offen und breit partizipieren können“, heißt es aus der Pressestelle der Senatsverwaltung für Wirtschaft.

Aus dem Grünbuch wird ein Weißbuch

Der nächste Schritt ist für das zweite Quartal 2021 geplant. In sogenannten Bürgerwerkstätten will man dann zum offenen Dialog einladen, abhängig von der Corona-Lage in Online-Formaten oder als Präsenzveranstaltungen. Zudem organisieren die für das jeweilige Themenfeld zuständigen Senatsverwaltungen „Fokusgruppen“, bei deren Sitzungen Fachleute Inputs geben und Wissen ausgetauscht wird. Für die ressortübergreifenden Themenfelder sind zusätzlich senatsinterne Arbeitsgruppen vorgesehen.

Die Ergebnisse des Prozesses sollen schließlich in einem Weißbuch festgehalten werden. Darin sollen neue Projekte und Programme beschrieben werden, erforderliche Maßnahmen sowie Akteurinnen und Akteure und Verantwortlichkeiten konkret definiert sein. Vorliegen könnte es im dritten Quartal 2021.

Elf Millionen Smart City Förderung und die Digitalprämie Berlin

Tatsächlich kann es sich für Digitalunternehmen lohnen, mit ihrer Mitwirkung am Grünbuch erst einmal in Vorleistung zu gehen. Denn am Ende geht es eben doch um die grünen Scheine: Elf Millionen Euro erhält die Stadt als Smart-City-Förderung vom Bundesinnenministerium – und die wollen auch ausgegeben werden. Schon jetzt können Berliner Soloselbstständige sowie kleine und mittelständische Betriebe (KMU) mit der neuen „Digitalprämie Berlin“ Geld bekommen. Bis zu 17.000 Euro gibt das Land dazu, wenn es in digitale Technologien wie Warenwirtschaftssysteme, Management Informationssysteme oder digitale Lohnbuchhaltung investiert wird oder die betriebliche IT-Sicherheit verbessert werden soll.

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