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Die Polizei – Dein Feind und Opfer!?

Wolfgang Bosbach über die Haltung, mit der unsere Gesellschaft der Polizei begegnet

Die Bestsellerlisten haben beide Bücher (leider) nicht gestürmt, lesenswert sind sie dennoch: „Manchmal wünschte ich, er wäre nie Polizist geworden“, von Sabrina R. und „Sie kennen keine Grenzen mehr“ von Karlheinz Gaertner.

Sabrina R. schildert den Alltag unserer Einsatzkräfte aus der Perspektive der Ehefrau eines Polizeibeamten: „Ich habe sein Blut aus der Uniform gerieben. Und ich kenne auch die Wut, die Angst, und die Resignation, wenn er zum Schutz anderer stundenlang in Vollmontur gestanden hat und es Beschimpfungen, Beleidigungen und oft genug auch Flaschen hagelte.“ Ihr Fazit: „Die derzeitige Situation macht mich wütend, und sie macht mich traurig. Es muss sich etwas ändern. Dringend.“

Der „leidenschaftliche Polizist“ Karlheinz Gaertner beschreibt seine Erfahrungen mit einer „verrohten Gesellschaft“ aus dem Blickwinkel 40-jähriger Erfahrungen im Einsatz. Er beklagt nicht nur den Verlust von Anstand und Scham, sondern porträtiert eine Gesellschaft, die einerseits immer mehr von der Polizei erwartet und andererseits ihre Verachtung spüren lässt.

Einzelschicksale? Nicht repräsentative Momentaufnahmen? Schön wäre es …

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2020 schreibt leider einen Trend fort, den wir schon seit vielen Jahren beobachten: Die Zahl der Angriffe auf unsere Polizistinnen und Polizisten nimmt seit Jahren kontinuierlich zu, alleine im letzten Jahr gegenüber 2019 um 878 Fälle – ein plus von 5,9 Prozent.

Schon ein Jahr zuvor wurden knapp 37.000 Fälle von Widerstandshandlungen und tätlichen Angriffen statistisch erfasst.

Und diese Angriffe kommen aus allen Richtungen: Schwerpunktmäßig von links und rechts außen, aber auch aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft, nicht erst seit Ausschreitungen im Zusammengang mit Demos rund um das Thema Corona.

Und wenn, wie erst kürzlich in Berlin geschehen, ein Gaffer den Todeskampf eines Polizisten im seinem Streifenwagen filmt(!) – anstatt sofort zu helfen – fragt sich doch jeder vernunftbegabte Mensch sofort. „Was ist nur in unserer Gesellschaft los!?“

Doch Zahlen und Statistiken beantworten nicht die Frage nach dem „Warum?“.

Interdisziplinäre Forschung

AMBO-Safe heißt ein Forschungsprojekt, das mit einem interdisziplinären Ansatz Angriffe auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Sicherheitsaufgaben untersuchen will. Dieses Projekt ist nicht kurzfristig, sondern ganz bewusst langfristig angelegt und will zudem durch die Auswertung von Strafakten einschlägiger Verfahren die rechtlichen Konsequenzen der Angriffshandlungen untersuchen.

Wenn unsere Einsatzkräfte ihre Uniformen anziehen, dann tragen sie immer auch das Wappen des jeweiligen Dienstherren, bei der Bundespolizei das des Bundes, ansonsten das des jeweiligen Bundeslandes. Sie repräsentieren auf diese Weise nicht nur das viel zitierte staatliche Gewaltmonopol, sie repräsentieren unseren Staat in seiner Gesamtheit!

Umso wichtiger und wertvoller sind die Ergebnisse und Erkenntnisse aus der erwähnten Studie, die sicherlich nicht nur die Polizei interessieren.

Und vielleicht können die Bücher von Sabrina R. und Karlheinz Gärtner den verhängnisvollen Trend nicht stoppen oder gar umkehren, aber die eine und den anderen zum Nachdenken über die Bedeutung der polizeilichen Tätigkeit und die Haltung unserer Gesellschaft dazu, anregen.

Damit wäre schon viel gewonnen!

Der Autor ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für Wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war Wolfgang Bosbach Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.