Bosbach/ Wegweiser

Wenn die Polizei uns schützen müsste, es aber nicht kann ...

... und die Bundeswehr es könnte, aber nicht darf.

Oktober 2025. Fast täglich berichten die Medien von Überflügen ganzer Drohnenschwärme unbestimmter Herkunft. Vor allem die Ostseeanrainerstaaten sind betroffen, allen voran Dänemark. Dort ist man zu Recht mehr als nur besorgt, zumal vorzugsweise militärische Anlagen im Visier der Drohnen zu sein scheinen. Allerdings auch zivile Verkehrsflughäfen mit der Folge, dass dort stundenlang (!) der Flugverkehr zum Erliegen kommt.

Dafür, dass diese Drohnen bewaffnet sind, gibt es keine Hinweise, sodass die Vermutung naheliegt, dass es sich entweder um eine Art Spionageflüge und/oder um gezielte Provokationen handelt, die Verunsicherung verursachen soll. Vermutet wird, dass Russland hinter diesen Attacken stecken könnte, was von dort natürlich umgehend dementiert wird. Von wo aus wurden die Drohnen gestartet? Wie gesteuert? Wo sind sie schlussendlich gelandet?  Genaues weiß man nicht.

Was man allerdings weiß: Auch der Luftraum über Deutschland wurde verletzt, mal über militärisch genutztem Gelände, mal außerhalb. Bekannt ist auch, dass deshalb eine (verfassungs-)rechtliche Problematik wieder aktuell wird, die seit Jahrzehnten auf eine Lösung wartet. Bislang gilt in puncto Gefahrenabwehr/Gewährleistung der Inneren und Äußeren Sicherheit die traditionelle Aufgabentrennung zwischen der Bundeswehr und den Polizeien des Bundes und der Länder:

Die Bundeswehr hat die Aufgabe, die territoriale Integrität des Landes zu schützen, die Polizeien sind verantwortlich für die Gewährleistung der Sicherheit innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik.

Daraus folgt: Kein Einsatz der Bundeswehr im Innern! Jedenfalls nicht mit den ihr zur Verfügung stehenden militärischen Einsatzmitteln. Dazu gehören Sandsäcke ganz sicher nicht; hier ist die Bevölkerung sogar ausgesprochen dankbar, wenn die Bundeswehr hilft ...

Da sind nicht nur die geschulten Verfassungsrechtler sehr sensibel, auch die Bevölkerung. „Wir wollen keine Panzer vor Kindergärten!“, so der O-Ton des ehemaligen innenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion Dieter Wiefelspütz. Da stimmte das Publikum natürlich spontan zu. Allerdings hatte und hat das auch niemand vor und das eigentliche Problem des Satzes bestand darin, dass er an der eigentlichen Thematik haarscharf vorbeigeht.

Richtig ist hingegen die Frage:

Was tun, wenn die Polizei zur Abwehr derartiger Gefahren im Luftraum zwar zuständig ist, aber nicht die Fähigkeiten/Mittel hat, um die Gefahren abzuwehren – es bei der Bundeswehr aber genau umgekehrt ist?

Sie hätte die technischen Fähigkeiten, dürfte sie aber nur über Militärgebiet einsetzen. Zwar gibt es auch technische Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr jenseits klassischer militärischer Mittel („Abschuss“) wie der Einsatz sog. „Jammer“, die Problematik fehlender Mittel trotz Zuständigkeit bleibt allerdings.

Vor diesem Hintergrund plant die Bundesregierung aktuell sowohl eine Änderung des Luftverkehrsgesetzes als auch des Bundespolizeigesetzes, um „Waffengewalt gegen unbemannte Luftfahrzeuge“ zu ermöglichen. Eine Idee, die schon die frühere Innenministerin Nancy Faeser hatte. Denn wenn nur die Bundeswehr die Fähigkeiten hat, um eine bestimmte Gefahr abzuwehren, dann heißt die Alternative nicht „Bundeswehr oder Polizei?“, sondern „Schutz oder schutzlos?“ 

Immerhin „schon“ gut 50 Jahre, nachdem der ehemalige Bundesminister der Verteidigung Georg Leber (SPD) in seinen Memoiren darauf gedrängt hatte, diesen verfassungsrechtlichen Konflikt einer Lösung zuzuführen. Der Hintergrund war ein mutmaßlicher (!) Angriff aus der Luft während der Schlussfeier der Olympischen Spiele von München 1972.

50 Jahre sind selbst für Deutschland eine erstaunlich lange Zeit.


 

Der Autor, Wolfgang Bosbach, ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für Wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.

Der 8. Berliner Kongress Wehrhafte Demokratie - Gesellschaftlicher Dialog für Innere Sicherheit, Verteidigungsfähigkeit und Zusammenhalt findet vom 29. bis 30. Juni 2026 im Hotel de Rome in Berlin statt.