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Keine halben Sachen!

Auch bei der Bekämpfung des Kindesmissbrauchs

20. September 2023. Weltkindertag! In diesem Jahr stand der Tag unter dem Motto „Jedes Kind braucht eine Zukunft!“ – wer würde dem widersprechen? Erneut standen Kinderrechte, eine Überwindung der Kinderarmut in Deutschland und bessere Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder an politischen Entscheidungsprozessen auf der Tagesordnung des politischen Interesses. Von einem besseren Schutz unserer Kinder vor seelischem und körperlichen Missbrauch, vor sexualisierter Gewalt an Kindern war allerdings weniger die Rede. Leider! Und das, obwohl die Zahlen anhaltend erschreckend hoch sind – und die Dunkelziffern auch.

Immerhin wurde in der einschlägigen Debatte des Deutschen Bundestages am 21. September 2023 auch dieses Thema angesprochen, u.a. von der Abgeordneten Emilia Fester (Bündnis '90/ Die Grünen). Frau Fester, MdB, sagte in ihrem Beitrag wörtlich: „Mit der Speicherung von IP-Adressen erreichen wir das (einen besseren Kinderschutz) leider nicht.“

Leider hat uns Frau Fester nicht mitgeteilt, wie sie diese Auffassung sachlich-inhaltlich begründet, das hätte sicherlich nicht nur mich interessiert.

Abgesehen davon, dass in sehr vielen Fällen (zunächst) nur die IP-Adressen der mutmaßlichen Täter als Ermittlungsansätze vorhanden sind, weil im Netz/Darknet Fingerabdrücke, DNA-Spuren o.Ä. nicht aufgefunden werden können. Es gibt zahllose Fälle, wo NUR auf Grund der gespeicherten und daher retrograd abrufbaren IP-Adressen Täter ermittelt und vor Gericht gestellt werden konnten.

Konkretes Beispiel: „Operation Charly“ aus dem Jahre 2009. Also zu einer Zeit, als die IP-Adressen noch gespeichert werden mussten.

28.05.2009. Interpol Luxemburg teilt 3.743 deutsche Zugriffe im Zeitraum 13.2. bis 24.4.2009 mit. Des Weiteren werden IP-Adressen von 75 deutschen Providern übermittelt. Speicherfrist (damals) 6 Monate.

Ergebnis: Diese Zugriffe können 1.237 Tatverdächtigen zugeordnet werden. Die Ermittlungen waren sehr ergiebig, ein herber Schlag gegen die Szene.

NACH der Entscheidung des BVerfG zu Mindestspeicherfristen vom 2.3.2010 wäre die Lage wie folgt: Speicherfrist der in diesem Fall am stärksten betroffenen Provider 7 bis 0 Tage. Aufgrund der Erfahrungen, dass auch alle anderen Provider die notwendigen Daten zur retrograden Zuordnung einer dynamischen IP-Adresse zum Bestandsdatum nicht speichern, wären/sind heute beim Ausgangsbeispiel 1.237 Beschuldigte NICHT identifizierbar.

Kolumne vom 13.09.23

Hier sei einmal unterstellt, dass die Abgeordnete Fester all das nicht weiß, aber Sie sollte es eigentlich wissen. Dafür ist das Thema zu wichtig.

Bleibt die immer wieder gerne aufgestellte Behauptung, dass unser BVerfG und der EUGH diese Speicherung rechtlich unmöglich gemacht hätten – was auch NICHT stimmt. IP-Adressen sind ausdrücklich nicht betroffen.

Und wer jetzt glaubt, „Quick Freeze“ könne helfen, wird bei ernsthafter Prüfung des Sachverhaltes feststellen, dass das gerade NICHT der Fall ist. Wenn eine IP-Adresse keiner Person zugeordnet werden kann, dann kann logischerweise bei dieser Person auch in Zukunft die Adresse wegen quick Freeze nicht gespeichert werden. Dafür bräuchte man einen konkreten Tatverdächtigen/Beschuldigten. Für diese Erkenntnis muss man nun wirklich kein Kriminologe sein.