Vergabe Beschaffung Digitalisierung Krankenhaus. Chirurgen bei einer OP
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Nachhaltige IT-Lösungen für das Krankenhaus

Die Fachanwälte von Dentons erklären, wie sich Kooperationen für Digitalisierungsprojekte vergaberechtskonform nutzen lassen

Der moderne Krankenhausalltag ist ohne zuverlässige IT-Lösungen nicht (mehr) zu bewältigen. Gleichzeitig wächst der (Kosten-)Druck auf den Einkauf und der Ruf nach nachhaltiger IT wird lauter. Gerade in Krisenzeiten können Einkäufer von innovativen Sourcing-Strategien sowie langfristig angelegten Kooperationen profitieren. Doch wie lassen sich die ambitionierten Ideen der Einkaufspraxis im Einklang mit dem Vergaberecht effizient umsetzen?

Das Thema Digitalisierung ist aus der aktuellen politischen und stets auch vergaberechtlichen Debatte nicht mehr wegzudenken. Die Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, auf nachhaltige und zuverlässige Einkaufsstrategien einerseits und den Einkauf nachhaltiger und zuverlässiger Produkte andererseits zu setzen. Dies gilt gleichermaßen für IT-Lösungen, die für das Funktionieren des Krankenhausbetriebs unerlässlich geworden sind und damit einen strategischen Erfolgsfaktor darstellen. Mit der Digitalisierung der Gesundheitsbranche ist es an der Zeit, bewährte und innovative Beschaffungsinstrumente in den Blick zu nehmen.

Krankenhausträger als öffentlicher Auftraggeber

In der Regel ist bei der Beschaffung von Krankenhaus-IT das Vergaberecht zu beachten. Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft sind öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nr. 2 GWB. Als Fördermittelempfänger können daneben freilich auch privat geführte Krankenhäuser qua Allgemeine Nebenbestimmungen (ANBest) zum Zuwendungsbescheid zur Einhaltung des Vergaberechts verpflichtet sein. Im Einzelfall folgt die sogenannte auftragsbezogene Auftraggebereigenschaft infolge überwiegender staatlicher Subventionierung aus § 99 Nr. 4 GWB (nur im Falle der „Errichtung“ eines Krankenhauses).

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Ich will nicht, dass wir die Digitalisierung des Gesundheitssystems erleiden. Sondern dass wir sie gemeinsam gestalten.(Bundesgesundheitsminister Jens Spahn)

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Kooperative Beschaffung als zukunftsorientierte Strategie

Damit sind Krankenhäuser in Deutschland überwiegend an das Vergaberecht gebunden. Um den immensen Herausforderungen der heutigen Zeit begegnen zu können sind langfristige und zuverlässige Partnerschaften unverzichtbar. Gerade in Krisenzeiten ermöglicht der Zusammenschluss oftmals eine bessere, wirtschaftlichere und insgesamt kluge Beschaffungspolitik. Denn die Krise verlangt nach hochwertiger medizinischer Versorgung und schnellen Beschaffungsvorgängen bei enormen Kostendruck. Diesen Herausforderungen können die Stakeholder der Gesundheitsbranche am besten gemeinsam begegnen – nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stärker“.

  • Durch klassische Einkaufsgemeinschaften und die dadurch bewirkte Bedarfsbündelung lassen sich Synergien schaffen und Kosten minimieren. Wichtig ist, dass die hinter der Einkaufsgemeinschaft stehenden öffentlichen Auftraggeber vergaberechtsverpflichtet bleiben.
  • Ein weiteres wichtiges vergaberechtliches Instrument zur Beschaffungsbündelung sind Rahmenvereinbarungen unter Beteiligung mehrerer Bedarfsträger. Rahmenvereinbarungen (§ 21 VgV) erweisen sich als besonders „krisenfest“, da auf Basis einer bestehenden Rahmenvereinbarung Einzelabrufe getätigt werden können, ohne dass ein neues (aufwändiges) Vergabeverfahren durchgeführt werden muss, umgekehrt aber eine schnelle Versorgung sichergestellt ist.
  • Kooperationen (einschließlich Kooperationen zwischen Partnern der öffentlichen Hand) sind dem Vergaberecht weder vollständig entzogen, noch besteht bei ihnen eine absolute Ausschreibungspflicht. Insoweit gilt einmal mehr der Leitsatz der Juristen: Der Einzelfall entscheidet! Stellt sich die jeweilige Kooperation als Leistungsbeschaffung am Markt („öffentlicher Auftrag“) dar, ist sie prinzipiell ausschreibungspflichtig, weil die Eigenerledigung öffentlicher Aufgaben von vornherein vergaberechtsfrei ist. In diesen Fällen bedient der Auftraggeber zur Aufgabenerfüllung der eigenen Organisation bedient oder aber Aufgaben werden intern neu verteilt, ohne dass der Wettbewerb berührt und durch das Vergaberecht zu schützen und zu regulieren ist. In Weiterentwicklung des Grundsatzes der klassischen Eigenerledigung sind nach § 108 GWB zudem Inhouse-Geschäften und Fälle der horizontalen Zusammenarbeit vergaberechtsbefreit. Mit der Normierung dieser zwei Ausnahmen ist klargestellt, dass das Vergaberecht die Aufgabenerledigung mit eigenen Mitteln (durch ihre eigenen Unternehmen) oder in Zusammenarbeit mit anderen Stellen nicht verbieten will. Die maßgeblichen Kriterien für die horizontale Zusammenarbeit hat der EuGH jüngst höchst selbst konkretisiert (zu IT-Kooperationen: EuGH, Urteil v. 28. Mai 2020 – C-796/18 – „Stadt Köln“).
  • Im Zusammenhang mit den aktuellen Digitalisierungsimpulsen des Bundesgesundheitsministeriums (z.B. Elektronische Patientenakte) rücken Kooperationen zur Entwicklung, Betrieb sowie Pflege von Software näher in den Fokus. Grundstein für eine vergaberechtsfreie Kooperation bilden dabei noch immer die Kieler Beschlüsse aus dem Jahr 1979.
  • „Gemeinsam sind wir stärker“ erfordert notwendig auch einen intensivierten Dialog zwischen Angebot und Nachfrage, mithin zwischen Auftraggebern und Anbietern. Öffentliche Auftraggeber müssen – gerade in der schnelllebigen IT-Branche – den Markt kennen, damit sie ihren Beschaffungsbedarf besser (und schneller) bestimmen und die Nachhaltigkeitsziele erreichen können. Strategisch durchgeführte Markterkundungen gemäß § 28 VgV bieten hierfür das vergaberechtliche Instrument.
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Das Ziel sollte es sein, einen Denkprozess über innovative Zusammenarbeitsformen auf allen Ebenen anzustoßen.

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Nachhaltige Vergabe als Motor

Dank der Beschaffungsautonomie verfügen Auftraggeber beim Einkauf nachhaltiger (IT-)Leistungen über deutlich mehr Handlungsspielraum als gemeinhin angenommen. So können Nachhaltigkeitsaspekte auf den unterschiedlichsten Ebenen des Vergabeverfahrens eingebunden werden, um nachhaltige Leistungen einzukaufen. Das größte Problem liegt weit weniger in den vergaberechtlichen Möglichkeiten als in ihrer Nutzung durch die Beschaffer. Diesen ist oftmals gar nicht bewusst, dass sie eine nachhaltige im Sinne einer umweltgerechten Lösung vorgeben, Ausführungsbedingungen in Bezug auf den konkreten Auftrag wie beispielsweise ILO-Kernarbeitsnormen festlegen oder Zertifikate und Gütesiegel verlangen können, die die Nachhaltigkeit eines Produkts bescheinigen.

Insoweit zeigt sich: Das Vergaberecht hält unterschiedliche Instrumentarien bereit, den Wandel in eine nachhaltigere und digitalisierte Welt durch Bündelung von Know-how und Ressourcen gemeinsam zu vollziehen. Der Vollzug jedoch obliegt den jeweiligen Akteuren selbst, die Lehren aus der Krise ziehen und das Momentum nutzen sollten. Das Vergaberecht stellt nur den Rahmen zur Verfügung, den es durch eine mutige und vorbildliche Beschaffungspraxis auszufüllen gilt.