Seitenbau Fachverbund OfficeNet

Fachverbund OfficeNet

Gemeinsam Ressourcen schonen und bessere Software entwickeln

Digitale Souveränität durch 100-prozentiges Bundeseigentum und lizenzkostenfreie Nachnutzung. 100-prozentiger Open-Source-Einsatz mit konsequenter Nutzung offener Standards. Ein vollständig agiles Vorgehensmodell mit einem Product Owner aus der öffentlichen Verwaltung. Eine aktive Zusammenarbeit vieler Behörden über die Grenzen von Bund, Ländern und Kommunen hinweg, die große wirtschaftliche und fachliche Synergiegewinne ermöglicht. Dazu ein Crowdsourcing orientiertes Entwicklungsmodell, das überflüssige Mehrfachentwicklungen verhindert – im Fachverbund OfficeNet werden viele innovative Ideen und aktuelle Ansätze bereits seit mehr als 10 Jahren erfolgreich gelebt.

Der Ansatz, Software gemeinsam zu entwickeln und zu nutzen, ist ein sehr aktuelles und viel diskutiertes Thema im Behördenumfeld. Als richtungsweisend erweist sich hier momentan das „Einer-für-Alle-Prinzip“ (EfA), das vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) aus der Taufe gehoben wurde.

Auch beim Fachverbund OfficeNet hatte man sich von Beginn an Gedanken gemacht, wie man gemeinsam Ressourcen schonen und gleichzeitig bessere Software entwickeln kann. Dabei wurde ein Crowdfunding-Ansatz entwickelt, der auch Elemente der Einer-für-Alle-Idee in sich trägt – und die erfolgreiche Weiterentwicklung von OfficeNet zu Social OfficeNet (SON) ermöglicht hat.

Zusammenarbeit in einer gewachsenen Gemeinschaft mit bewährten Ritualen

Der Fachverbund besteht informell schon seit über 10 Jahren. Die Zusammenarbeit des Verbundes wurde Ende 2015 im Zusammenhang mit der Ausschreibung und Vergabe des Rahmenvertrages für OfficeNet mit rund 20 teilnehmenden Behörden weiter ausgebaut. Heute sind gut 40 Behörden Mitglieder des Verbundes, Tendenz steigend.

Alle Bundesbehörden, die sich für den (lizenzkostenfreien) Einsatz von Social OfficeNet entscheiden, werden automatisch Teil des Fachverbundes. Dabei zahlen sie, dem OfficeNet Rahmenvertrag entsprechend, anteilig ihre Beiträge für die Weiterentwicklung der Software ein.

Der überwiegende Teil der Mitglieder des Verbundes bringt sich darüber hinaus auch aktiv bei der (konzeptionellen) Weiterentwicklung der Software ein. Die dabei anstehenden Entscheidungen werden gemeinschaftlich in festen Ritualen diskutiert und gefällt. Diese offiziellen Tagungen des Fachverbunds finden in der Regel zweimal im Jahr statt, wobei der thematische Fokus je nach aktuellem Bedarf variiert. Ergänzt werden die Tagungen je nach Roadmap durch thematische Anforderungsworkshops. Die Treffen werden vom Entwicklungspartner SEITENBAU sowie dem Product Owner (PO) aus dem Kreis der Behörden geplant und koordiniert.

Der Product Owner aus der Bundesverwaltung ist seit Gründung des Verbundes das Bundesverwaltungsamt (BVA). Das Konstrukt ist allerdings so ausgestaltet, dass die PO-Rolle auch an eine oder mehrere andere Behörden übergehen könnte. So ist die kontinuierliche und vertrauensvolle Weiterentwicklung der Software auch bei Veränderungen im Verbund für die Zukunft garantiert.

Fachverbundtreffen auf der Insel Mainau am Bodensee im Mai 2019

Crowdfunding-Ansatz mit „Alle-für-Alle“- und „Einer-für-Alle“-Elementen

Doch wie kam es zu der Idee, für die Weiterentwicklung von OfficeNet einen solchen, auch aus heutiger Sicht, sehr innovativen und ungewöhnlichen Ansatz zu wählen? Die Antwort auf diese Frage lässt sich in den Erfahrungen der ersten OfficeNet-Jahre finden.

Beim Einsatz der ersten Version von OfficeNet in zusätzlichen Behörden hatten das BVA und SEITENBAU immer wieder die Erfahrung gemacht, dass viele dieser Behörden ihre interne Wissensplattform mit kundenspezifischen Modulen und Funktionen erweitern wollten. Diese Erweiterungswünsche waren in ihren Anforderungen häufig nahezu identisch oder gingen zumindest in eine sehr ähnliche Richtung.

Bei der Frage, wie man mit solchen ähnlich gelagerten Erweiterungsanfragen umgehen sollte, wurde dann die Grundidee hinter dem Fachverbund geboren: Statt der kostenintensiven Mehrfachentwicklung von sehr ähnlichen Funktionen, die zudem alle noch kundenspezifisch implementiert und gewartet werden müssen, sollten sich die Behörden doch auf eine gemeinsame Entwicklung von neuen Modulen verständigen können.

Die damit eingesparten Ressourcen wiederum könnten in die Entwicklung weiterer Funktionen fließen, so dass die Weiterentwicklung der Plattform wesentlich schneller und kostengünstiger vorangehen kann. Damit dies funktioniert, müssten jedoch zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die von allen Beteiligten akzeptierte Regel, dass alle im Fachverbund Module kostenlos nutzen dürfen, die eine Behörde finanziert hat
  • Die Bereitschaft, bei der Konzeption und Entwicklung der Funktionen darauf zu achten, dass sie von allen gleichermaßen genutzt werden können

Aufbauend auf diesen beiden Grundregeln wurde dann für den Fachverbund OfficeNet ein Crowdfunding-Ansatz entwickelt, der für die konzeptionelle Weiterentwicklung und Finanzierung auf einen „Alle-für-Alle“- wie auch einen „Einer-für-Alle“-Ansatz setzt: Feste jährliche Entwicklungsbeiträge der Behörden speisen dabei das zentrale Weiterentwicklungsbudget, mit dem die generelle Weiterentwicklung der Kernsoftware finanziert wird (Alle-für-Alle).

Darüber hinaus können Behörden entweder alleine oder im Verbund mit anderen die Entwicklung zusätzlicher Funktionen beauftragen, die für sie prioritär oder dringlich sind, die aber nicht zeitnah aus dem zentralen Budget umgesetzt werden können. Diese individuell finanzierten Weiterentwicklungen können dann auch von allen anderen Behörden des Fachverbundes mitgenutzt werden (Einer-für-Alle).

Struktureller Aufbau und Entscheidungsprozesse des Fachverbunds

Viele Vorteile für alle Beteiligten – nicht nur finanzielle und personelle Einsparungen

Dieser Ansatz bringt offensichtlich eine ganze Reihe von Vorteilen für alle Beteiligten:

  • Durch den vergleichsweise geringen, obligatorischen Entwicklungsbeitrag, den alle Behörden für den Einsatz von SON in den gemeinsamen Topf einzahlen, ist die Finanzierung der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Plattform dauerhaft sichergestellt.
  • Da die Rechte an der Software zu 100 Prozent beim Bund liegen (Bundessoftware), ist man in Rechte- und Lizenzfragen unabhängig von den Entscheidungen eines privatwirtschaftlichen, in der Regel gewinnorientierten, Lizenzgebers.
  • Über den Fachverbund mit seinen Tagungen und Workshops sowie der Online-Kollaborationsplattform „OnStage“ haben alle Behörden die Möglichkeit, die Richtung der Weiterentwicklung mitzubestimmen und ihre Anforderungen einzubringen. Aus Sicht des Product Owners besteht ein wesentlicher Vorteil darin, dass das Produkt sehr gezielt und bedarfsorientiert weiterentwickelt wird.
  • Die einzelne Behörde wiederum kann zusätzlich zur generellen Weiterentwicklung des Portals sämtliche „Zusatz-Module“, die von anderen Behörden finanziert werden, für sich nutzen. Das spart Ressourcen und erhöht die Motivation, im Bedarfsfall Geld für die gezielte Entwicklung einer dringend benötigten Erweiterung/Funktion in die Hand zu nehmen, da man selbst auch von den Entwicklungen der anderen profitiert.
  • Und schließlich kommt dem Entwickler-Team bei SEITENBAU zu Gute, dass die konzeptionelle Ausrichtung neuer Module mit dem Anspruch einer „allgemeinen Nutzbarkeit“ die Zusatzentwicklung vieler ähnlicher, aber dann doch unterschiedlicher, kundenspezifischer Einzelmodule überflüssig macht. So bleibt die Plattform mit ihren verschiedenen Services auch auf Dauer gut „beherrschbar“ – die Kosten für Wartung und Weiterentwicklung bleiben überschaubar.

Nimmt man dazu noch den Steuerzahler als letztendlichen Finanzier mit in die Rechnung, ergibt sich eine Win-Win-Win-Win-Situation. Im Ergebnis entsteht so mit vergleichsweise geringem Ressourceneinsatz sehr gute Software, die in mehr als einem Hause funktioniert und die beteiligten Behörden smarter und effizienter macht.

Das Ergebnis der konzeptionellen Zusammenarbeit: Social OfficeNet (SON)

Agiles Vorgehen, aktive Moderation und gemeinschaftliche Entscheidungen

Damit ein solches Konstrukt mit über 40 Akteuren möglichst nachhaltig und reibungslos funktioniert, werden ein aktives Management und „überparteiliche“ Moderation benötigt. Zumal die Mitglieder des Verbundes im Einzelfall durchaus auch einmal unterschiedliche Interessen entwickeln können.

Diese Aufgabe wird im Fachverbund gemeinsam vom PO aus der öffentlichen Verwaltung sowie dem Entwicklungspartner aus der Privatwirtschaft (SEITENBAU) übernommen. Auch dieses Zusammenspiel zwischen Behörde und Dienstleister funktioniert sehr gut und wird nach agilen Prinzipien organisiert.

So werden im Vorfeld der größeren Treffen des Fachverbunds in gemeinsamen Ritualen zwischen PO und Dienstleister der Input aus dem Verbund sowie die eigenen Ideen zur Weiterentwicklung der Software in konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung der Roadmap übersetzt. Diese dienen dann als Diskussionsgrundlage für die durch den Fachverbund zu treffenden Entscheidungen. Die Veranstaltungen finden seit Pandemiebeginn rein remote statt, werden in naher Zukunft allerdings wieder vor Ort oder als Hybrid-Veranstaltungen organisiert. Dabei fungieren traditionell einzelne Behörden in verschiedenen Städten als Gastgeber.

Das gesamte Vorgehen in diesem Prozess folgt agilen Methoden und Prinzipien – von der Abstimmung zwischen PO und Dienstleister bei der Konzeption und schrittweisen Entwicklung der Software, über die Moderation und Entscheidungsfindung im Verbund bis hin zur Implementierung und Anpassung der Plattform in den einzelnen Kundenprojekten.

Der Fachverbund: ein erprobtes Erfolgsmodell mit Zukunft!

Blickt man nach beinahe 10 Jahren Erfahrung auf die Ergebnisse, die die Arbeit im Fachverbund in der Praxis hervorgebracht hat, kann man feststellen, dass sich der Mut zu innovativen Ansätzen und konsequent agilem Vorgehen absolut gelohnt hat: Mit Social OfficeNet entstand in öffentlicher Regie eine moderne Software-Lösung zur digitalen Zusammenarbeit und zum Wissensmanagement, die in sehr unterschiedlich gelagerten Behördenkontexten und auf allen Verwaltungsebenen ausgezeichnet funktioniert.

Zudem konnten im Fachverbund viele der Ansätze und Prinzipien, die im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung im Hinblick auf Softwareentwicklung formuliert wurden, bereits erfolgreich umgesetzt werden. Dies sind (unter anderem):

  • Digitale Souveränität durch 100 Prozent Bundeseigentum mit unbegrenzter lizenzkostenfreier Nachnutzung sowie vollständige Entwicklung in Deutschland
  • 100 Prozent Open-Source-Einsatz und Nutzung offener Standards; Moderne Architektur und Technologieauswahl (aktuell bestätigt durch externe Code-Review)
  • Gezielte und bedarfsorientierte Weiterentwicklung durch den Fachverbund mit einem Product Owner aus der Bundesverwaltung und konsequentem Einsatz agiler Vorgehensmodelle und Entwicklungsmethoden
  • Große wirtschaftliche und fachliche Synergiegewinne durch die aktive Zusammenarbeit vieler Behörden über die Grenzen von Bund, Ländern und Kommunen hinweg
  • Ein modernes Entwicklungsmodell, das einen gemeinschaftlichen crowdfundingorientierten Ansatz (Alle-für-Alle) mit Elementen eines „Einer-für-Alle“-Prinzips vereint.

Und so sieht man sich im Fachverbund für die Zukunft bestens aufgestellt und geht die anstehenden Aufgaben mit großem Schwung und viel Zuversicht an – der nächste Hauptrelease ist in Vorbereitung, und auch die nächsten Neukunden-Projekte mitsamt neuen Fachverbund-Mitgliedern sind bereits in Aussicht.

Nehmen Sie Kontakt zum Autor/zur Autorin auf

Sie haben Interesse an einem Erfahrungsaustausch oder weiteren Informationen? Ihr Feedback und Ihre Fragen leiten wir direkt an den Verfasser / die Verfasserin des Textes weiter.