Mähdrescher
© Hans Linde / pixabay

Wie eine Amtsstube in Rostock das OZG mit agilen Methoden umsetzt

Interview mit Dr. René Firgt, Direktor des Landesamt für Straßenbau und Verkehr in Mecklenburg-Vorpommern

Verwaltung muss nicht nur neu gedacht, sondern auch neu gestaltet werden. Davon ist Dr. René Firgt überzeugt. Das bedeutet auch: Arbeitsweisen und Methoden müssen auf den Prüfstand: Sind sie noch zeitgemäß? Unterstützen sie die Umsetzung der komplexen digitalen Prozesse? Oder verhindern sie sie eher? Im mecklenburgischen Landesamt für Straßenbau hat man sehr gute Erfahrung mit agilen Methoden gemacht. Wo er dennoch Verbesserungspotenzial sieht, erläutert der Direktor des Landesamts im Interview.

Herr Dr. Firgt, das Landesamt für Straßenbau und Verkehr ist eine Pilotbehörde für die Umsetzung des OZG in Mecklenburg-Vorpommern. Was bedeutet das konkret?

Dr. René Firgt: Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes bietet eine einmalige Chance: Wir können Verwaltung nicht nur neu denken, sondern auch neu gestalten. Wir wollen den Nutzerinnen und Nutzern unserer Dienstleistungen ein bestmögliches Angebot machen und im gleichen Zug die internen Prozesse optimieren. Als Pilotbehörde haben wir Erfahrungen sammeln können, die uns und anderen Behörden helfen, die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes so effizient wie möglich zu gestalten. Wir sind also wichtige Schritte gegangen auf dem Weg hin zur strukturierten Digitalisierung aller Verwaltungsdienstleistungen im gesamten Land. Unsere Erfahrungen sind in das landesweite OZG-Programm eingeflossen, das im Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung angesiedelt ist. Hier laufen alle Fäden für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes zusammen.

Das Landesamt hat sich auch deshalb für die Teilnahme am Pilotprojekt entschieden, weil im Rahmen der Pilotierung agile Methoden entwickelt werden sollten. Worin sehen Sie die Vorteile der Agilität?

Unsere Aufgaben werden komplexer und Lösungen immer schneller gefordert - herkömmliche Verwaltungsinstrumente bieten dann nicht immer die passende Lösung. Mit der Anwendung agiler Methoden erweitern wir unseren Werkzeugkasten.  Design Sprints und ähnliche Methoden helfen uns, auch abseits der Umsetzung von OZG-Leistungen. Gerade haben wir ein agiles Projekt für die Neugestaltung unseres Intranets ins Leben gerufen. Klar ist aber auch: Agile Methoden sind kein Allheilmittel. Sie bereichern uns, öffnen neue Perspektiven und ermöglichen andere Formen der Zusammenarbeit. Viele meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen mit großer Neugier und hoch motiviert in unsere agilen Projekte. Das freut mich sehr.

Eine OZG-Leistung, deren Online-Beantragung von Ihrem Landesamt agil entwickelt wurde, ist die Ausnahmegenehmigung für Fahrzeuge, deren Abmessungen, Achslasten oder Gesamtgewichte die gesetzlich zugelassenen Grenzen überschreiten. Also beispielsweise Mähdrescher und Feldhäcksler. Ist der Online-Antrag schon voll digital? Können also hochgeladene Anlagen versendet und kann digital bezahlt werden?

Ja, dank der agilen Methode ist der Antrag bereits voll digital verfügbar. Die Nutzer können den Antrag über die zentrale Plattform des Landes Mecklenburg-Vorpommern, das MV-Serviceportal, stellen alle Dokumente hochladen und anschließend online bezahlen.

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Agilität, Standardisierung und Open Source spielen dabei eine zentrale Rolle

Bei der Entwicklung ist das Projektteam agil vorgegangen, es gab sowohl eine schnelle Umsetzung als auch eine hohe Identifikation des Teams mit dem Produkt. Gibt es trotzdem etwas, was Sie bei der Entwicklung eines nächsten Online-Antrags anders machen würden oder bereits anders machen?

Ja sicher. Agile Projekte zeichnen sich ja genau dadurch aus, dass im Detail immer neue Verbesserungen zutage treten. Im Wesentlichen würden wir unsere Projekte wieder genauso aufsetzen – diesmal aber bei der Zusammenstellung der Teams schon zu Beginn IT-Fachkolleginnen und  -kollegen hinzuziehen. So stellen wir sicher, dass die entwickelten Ansätze sofort digitalisiert und somit noch schneller durch reale Testuser ausprobiert werden können.

Damit haben wir unser Vorgehen ein Stück verbessert. Ich gehe davon aus, dass wir mit einer steigenden Projektanzahl bestimmt noch die eine oder andere Stellschraube finden, die unser Vorgehen immer weiter optimiert. Das sind dann wieder neue Anregungen für andere Teams, die agil arbeiten. 

Ich halte es auch für wichtig, gleich zu Beginn das Backend-Verfahren mitzudenken. Erst wenn die Nutzerinnen und Nutzer im Frontend gut mit einem Antrag zurechtkommen und die Bearbeitung im Backend gut funktioniert, werden alle Vorteile sowohl für die Nutzerinnen und Nutzer als auch für die Verwaltung genutzt.

Das Prinzip Einer-für-Alle (efA) ist ein wichtiges Instrument, um die OZG-Leistungen flächendeckend auszurollen. Ist für diesen Online-Antrag eine Nachnutzung durch andere Bundesländer geplant? Wenn ja, mit wem stehen Sie hier im Gespräch und wie weit sind die Verhandlungen?

Unsere Lösung besteht aus mehreren Bausteinen: einem Online-Antrag und einem Werkzeug für die anschließende Bearbeitung in der Behörde. Bei der Erstellung ging es uns zunächst um den Lerneffekt. Wie werden solche OZG-Umsetzungsprojekte aufsetzt?  Wie viel Zeit und welche Ressourcen sind notwendig, um in kürzester Zeit passgenaue Ergebnisse zu erzielen. Das kommt allen Behörden in M-V zugute. Unsere Ergebnisse zum entwickelten Online-Antrag und Bearbeitungsverfahren sind aber auch grundsätzlich nachnutzbar. Daher werden wir auf die Bundesländer zugehen, die für das betreffende Themenfeld „Mobilität und Reisen“ federführend sind - die Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg entwickeln derzeit hauptverantwortlich efA-Lösungen nach den einheitlich vorgegebenen Kriterien. Ihnen werden wir unsere Ergebnisse präsentieren und zur Nachnutzung anbieten.

Herr Dr. Firgt, vielen Dank für das Gespräch.

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