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Vermummung – im Karneval ok, aber bei Demonstrationen?

Vieles, sehr vieles sogar, ist im Demonstrationsrecht rechtlich umstritten, Streitgegenstand in vielen Gerichtsverfahren und Gegenstand lebhafter politischer und gesellschaftlicher Debatten. Wer diese Diskussionen verfolgt, wird über die Heftigkeit und Unerbittlichkeit überrascht sein, mit welcher Wucht die Argumente aufeinanderprallen.

Besonders heftig werden diese Debatten beim Thema „Vermummungsverbot”, denn es dürfte nicht wenige geben, die der festen Überzeugung sind, dass die verfassungsrechtlich garantierte Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit eigentlich durch ein Vermummungsverbot ergänzt werden müsse. Anders lässt sich die jahrzehntelang anhaltende Debatte zu diesem Thema jedenfalls nicht erklären. Besonders heikel: Ohne Vermummung könnte man ja problemlos als Täter oder Täterin identifiziert werden, wenn aus einer Versammlung heraus Straftaten begangen werden. Da ist was dran. Aber das war ja ein wesentlicher Grund der Einführung im Jahre 1985.

Damals regierte die Union mit der FDP und die Vermummung wurde gemäß § 125 II StGB zu einer Straftat, sofern sich die Beschuldigten in einer „gewalttätigen Menschenmenge” aufhielten und sie die Polizei zum Auseinandergehen aufgefordert hatte. Damals war der Tatbestand des Landfriedensbruchs etwas anders formuliert als heute.

Vermummte, so die Begründung des damaligen Gesetzgebers, stünden oftmals in einem eindeutigen Zusammenhang mit dem Ausbruch von Gewaltdelikten. Beim Auftreten von Vermummten sei ein unfriedlicher Verlauf von Demonstrationen zu erwarten.

Diese abstrakte Gefährdung des Rechtsfriedens müsse daher mit Strafe bedroht werden.

Es kam, was kommen musste: Was aber genau fällt denn unter den Begriff der Vermummung? Schlicht gesagt eine Aufmachung, die zur Feststellung der Identität geeignet und bestimmt ist. Auch das Schneiden von Grimassen, oder die Verdeckung des Gesichts durch die Hände? Natürlich nicht!

Wann aber ist die Aufmachung zur Feststellung der Identität „geeignet” und „bestimmt”?  Die Geeignetheit lässt sich eher bestimmen als die Bestimmtheit, da könnte z. B. das Wetter ins Spiel kommen: Kapuzen und hochgezogene Schals vor dem Mund und über der Nase könnten bei - 10 Grad C anders zu beurteilen sein als bei + 30 Grad C und strahlend blauem Himmel.

Das aber sind vergleichsweise einfache Rechtsfragen.

Komplizierter wird es bei dem Thema, ob hier auf die grundsätzliche Verhinderung der Feststellung der Identität auch durch beliebige Personen(!) abzustellen ist (KG Berlin, OLG Düsseldorf, OLG Dresden) oder nur auf den Zweck der Verhinderung der Feststellung der Identität durch Polizei und Strafverfolgungsbehörden (LG Freiburg, LG Hannover). Stichwort hier: Antifaschistischer Selbstschutz.

Heute ist das Vermummungsverbot in § 17 a Abs. 1 des Versammlungsgesetzes (Bund und einige Länder) aufgeführt und steht nicht unter dem Vorbehalt, dass nur gegenüber Vollstreckungsbehörden die Identität nicht verschleiert werden darf. An dem Willen zur Pönalisierung einer abstrakten Gefahr, hat sich also seit den ersten Überlegungen des Gesetzgebers vor knapp 40 Jahren nichts geändert.

Daher ist der Rechtsprechung des KG Berlin und der beiden erwähnten OLGs der Vorzug zu geben.