Digitalstrategie Mannheim: Vom Beschluss zur Digitalstrategie in nur einem Jahr
Im ersten Schritt werden rund 40 Projekte umgesetzt und evaluiert.
Über ein Jahr lang hat die Stadt Mannheim die Stimmen aus Stadtbevölkerung, Mitarbeiterschaft und Expertenkreisen gesammelt, um daraus eine Digitalstrategie für die Stadt zu entwickeln. Im März 2019 wurde sie zusammen mit dem kommunalen Leitbild Mannheim 2030, das im Themenfeld -„Digitalisierung, Innovation und zukunftsfähige Wertschöpfung“ die Vision für 2030 beschreibt, mit Mehrheit vom Stadtrat beschlossen und in der Folge veröffentlicht. Die Stadt investiert in den Ausbau von Infrastruktur und in ein Bürgerportal, sie will Digitalisierung nutzen, um ihren 320.000 Einwohnern mehr Partizipation und Zugang zu Verwaltungsservices zu ermöglichen. Bis November evaluiert die Stadt 40 Digitalisierungsprojekte und treibt deren Umsetzung voran.
Umsetzungskatalog umfasst rund 40 Projekte
Der Fachbereich Informationstechnologie wurde 2018 beauftragt, eine Digitalisierungsstrategie zu entwickeln. Judith Geiser, die zuständige Abteilungsleiterin, koordiniert in Folge auch die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie und sorgt dafür, dass das Handlungsfeld „Digitalisierung“ eng am kommunalen Leitbild weiterentwickelt und ausgestaltet wird. Der für die Digitalisierung aktuell vorliegende Umsetzungskatalog umfasst mit rund 40 Projekten infrastrukturelle Maßnahmen, Vorschläge der Bürger und der kommunalen Mitarbeiterschaft zu digitalen Anwendungen und besonderen Aufgabenfeldern, die in den kommenden Jahren kommunal im Fokus stehen wie z.B. die Ausrichtung der Bundesgartenschau 2023.
Darüber hinaus sieht die digitale Strategie vor, neue technologische Entwicklungen für den Öffentlichen Dienst zu erschließen, wie z.B. einen KI-gestützten Sprachchatbot, die Anwendung der Blockchain-Technologie und Implementierung von Open-Government-Projekten. Als ein Ergebnis sollen langfristig auch kluge Assistenzsysteme entstehen, die in Alltag und Büro unterstützen können, z.B. beim Erlernen/Bewältigen neuer/ungewohnter Aufgaben mit Hilfe von IT oder beim elektronischen Beglaubigen von z.B. Schulzeugnissen.
Zentralisierte Koordination und Bedarfsanalyse
Zwischen Ideen und Beginn der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie liegen anderthalb Jahre. Wie konnte die Stadt am Rhein ihre Vorhaben in dieser Geschwindigkeit vorantreiben?
Wir können keine fünf, sechs Jahre mehr warten. Wir müssen jetzt handeln.
Geiser sieht den Erfolg der Stadt in einer zentralen Unterstützung bei gleichzeitiger Steuerung der digitalen Bemühungen. Vom Fachbereich Informationstechnologie werden die neuen Digitalprojekte der Stadtverwaltung begleitet und ggf. gelenkt: „Wir führen Gespräche mit allen Fachbereichen, evaluieren ob die nötigen Kompetenzen vorhanden sind und helfen ggf. aus.“ Im Bereich der Verwaltungsdienstleistungen werden die inhaltlichen Anforderungen gemeinsam mit dem zuständigen Fachbereich erörtert. Gibt es Personal, das das Projekt im Bereich selbst vorantreiben kann?
Ja – das Projekt bleibt im zuständigen Bereich, der Fachbereich IT agiert als Enabler und beratende Instanz.
Nein – das Projekt wird in ständiger Abstimmung mit dem zuständigem Fachbereich gemeinsam weiterentwickelt.
Webseite Mannheim-gemeinsam-gestalten.de
Wichtig ist, die Erfolge und Digitalprojekte auch sichtbar zu machen. Auf Mannheim-gemeinsam-gestalten.de sind alle laufenden Projekte der Stadt einsehbar, auch die Digitalisierungsstrategie. Die Vorhaben können nach Stadtteilen, Themenbereichen und Form der Bürgerbeteiligung auf der Website gefiltert und gesichtet werden. Die laufenden 40 Digitalprojekte werden seit Monaten durch Projektleiter weiter vorangetrieben und aktuell zunächst intern getestet, weitere, in Abschnitten fortlaufende Bürgerbeteiligung ist ebenfalls geplant.
Dabei werden Maßnahmen in vier Dimensionen adressiert:
- Ausbau einer intelligenten, digitalen Infrastruktur,
- Verbesserung von Bürgerservices inkl. Unternehmensservices,
- Flankierung durch eine digitale Arbeitswelt (u.a. Mitarbeiterservices),
- Besondere digitale Handlungsfelder wie z.B. die digitale Ausgestaltung der Bundesgartenschau 2023; Begleiten von Smart City-Ansätzen aus ethischen, übergeordneten Gesichtspunkten wie z.B. Sichern einer digitalen Souveränität von Stadt und Stadtgesellschaft per Design.
Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes in Mannheim
In der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ist die Einführung nutzerorientierter, barrierearmer, digitaler Services für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen eines der Hauptziele der Digitalstrategie. Das Bürgerportal soll im Oktober in Betrieb genommen werden und in Zukunft alle digitalen Leistungen der Verwaltung bündeln. Hierzu arbeitet Mannheim mit einem externen Anbieter zusammen, der bereits in anderen Städten wie z.B. Frankfurt am Main, digitale Bürgerportale erfolgreich entwickelt hat, was garantiert von Erfahrungen anderer zu lernen und sich gemeinsam weiter entwickeln zu können.
Die fachlich erforderlichen Eingangsprozesse für die Bürgerinnen und Bürger bis Ende 2022 bereitzustellen - ein Zeitpunkt, den das Onlinezugangsgesetz für die Realisierung digitaler Services der öffentlichen Verwaltung - vorsieht, hält Geiser für realistisch. Eine medienbruchfreie Anbindung der Fachverfahren (in Mannheim etwa 300) und tatsächlich vollautomatisierter Prozesse in Gänze werden größere Herausforderungen sein, den Stand heute auch viele rechtliche Hürden noch entgegenstehen, z.B. Urheber- und Lizenzrechte von Softwarelieferanten.
Fünf Leistungen werden aktuell vollständig digitalisiert
Die Stadt arbeitet im Moment an fünf Modell-Automatisierungen: der Beantragung eines Bewohnerparkausweises, der Gewerbeauskunft, der Urkundenbestellung, dem Familienpass und der Buchung von Schwimmkursen. Diese Prozesse sollen stufenweise als erste medienbruchfrei und von der Eingabe des Bürgers, über die Bearbeitung hin zur Zahlung vollständig digital ablaufen. Teil der strategischen Überlegungen zur Digitalisierung ist es auch, die konzerneigenen kommunalen Unternehmen und die lokale Wirtschaft in die Vorhaben der Stadt einzubinden, Mannheimer Unternehmen zu fördern und das bestehende Netzwerk weiter auszubauen.
Beispiel Stadtquartier Benjamin-Franklin
Beispiel einer interessanten und wegweisenden Zusammenarbeit ist das Stadtquartier Benjamin-Franklin, einer Konversionsfläche ungefähr so groß wie die Mannheimer Innenstadt. Seit 2015 arbeitet Mannheim an dem Aufbau dieses zukunftsfähigen Stadtteils, welcher Raum für circa 9.000 Menschen und 2.000 Arbeitsplätze bieten soll. Die Stadt modernisiert bestehende Gebäude, rüstet diese mit nachhaltigen Energielösungen aus. Der Stadtteilkern sieht eine verkehrsberuhigte Zone vor, das Quartier ein emissions- und barrierearmes öffentliches Verkehrsnetz, welches durch Sharing-Mobilitätsangebote ergänzt wird.
Franklin wird von der MWS Projektentwicklungsgesellschaft (MWSP) umgesetzt, einer Tochtergesellschaft der Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft und der Stadt Mannheim, und wird auch in Kooperation mit ansässigen Unternehmen realisiert. Auch hier geht die Quadratestadt mit schnellen Schritten voran und zeigt: Digitalisierung kann und muss schnell gehen, damit tatsächliche Erfolge eintreten und für möglichst alle positiv sichtbar werden können.