GeScheiterWeiter
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Mut zum Scheitern

Lernchancen durch Fuckup Nights in der Verwaltung

In der modernen Arbeitswelt ist der Begriff „Fehlerkultur" immer präsenter. Eine positive Fehlerkultur fördert nicht nur die Innovationsfähigkeit und Anpassungsbereitschaft von Organisationen, sondern trägt auch zu einer gesteigerten Mitarbeitendenzufriedenheit bei. Doch was bedeutet Fehlerkultur konkret, besonders in einem hierarchisch geprägten Bereich wie der Verwaltung?

Was ist Fehlerkultur?

Kurz gesagt, bezeichnet Fehlerkultur die Art des Umgangs mit Fehlern und deren Auswirkungen. Eine konstruktive Fehlerkultur bezeichnet eine Organisationskultur, die es ermöglicht, Fehler als Lernchance zu betrachten und eben konstruktiv damit umzugehen. Statt Schuldzuweisungen und Sanktionen stehen Analyse und Verbesserung im Vordergrund. Eine solche Kultur ermutigt Mitarbeitende, u.a. kreativ und risikobereit zu sein, was essenziell für Modernisierung und Innovation ist.

Fehlerkultur in der Verwaltung

Die Förderung einer positiven Fehlerkultur in der Verwaltung stellt eine besondere Herausforderung dar. Verwaltungshandeln ist oft von Vorschriften und einer für diesen Kontext nachvollziehbaren Risikoaversion geprägt. Um hier eine Kulturwende einzuleiten, sind gezielte Maßnahmen notwendig, die das Verständnis und die Akzeptanz von Fehlern als Teil des Lernprozesses fördern.

Oftmals besteht das Missverständnis, dass es bei einer etablierten Fehlerkultur darum geht, Fehler grundsätzlich zu forcieren. Es geht jedoch viel mehr darum, im von neuen Wegen und Ansätzen geprägten Veränderungs- und Modernisierungsprozess sehr frühzeitig Raum für Experimente und eben das Lernen aus und durch Fehler zu schaffen. Das ermöglicht es, früh zu lernen und zu verstehen, was es für den weiteren Prozess tatsächlich braucht, welche Hypothesen sich in der Praxis als untauglich zeigen, wo Anpassungen im Vorgehen und in den Methoden erforderlich sind und welche Maßnahmen ggf. komplett gestoppt werden sollten. In der Verwaltung neigt man oftmals dazu, eine Planänderung zu vermeiden, da an diesen Plan formelle Prozesse geknüpft sind – sowohl bis zum Projektstart als auch im Verlauf des Vorhabens.

Was ist „GeScheiterWeiter“?  

Ein spannendes Format, das zur Förderung einer positiven Fehlerkultur beitragen kann, ist eine sogenannte „Fuckup Night". Ursprünglich kommt dieses Format aus der Startup-Szene. Dort berichten Gründer*innen von sogenannten Fuckups – also Irrtümern oder Fehlern – die ihnen in der Zeit ihrer Gründungen wiederfahren sind. Den Initiatoren von „GeScheiterWeiter“ ging es darum, eine Gegenbewegung zu der Art der Kommunikation in der Gründerszene zu etablieren, da diese vor allem von Kataloggeschichten und maximalen Erfolgsgeschichten geprägt war. Eine Gründung – insbesondere im innovativen Kontext – ist geprägt von Fehlschlägen und vielen Experimenten, die vor dem eigentlichen Erfolg stehen.  

Teilnehmende der „GeScheiterWeiter" teilen offen ihre Misserfolge und lernen daraus, um die Verwaltungsmodernisierung voranzutreiben. Das Format fördert eine positive Fehlerkultur und schafft eine konstruktive, entspannte Atmosphäre für den Erfahrungsaustausch.
© Apiarista

Im Zuge eines Verwaltungsprojektes tauchte die Idee auf, dass auch in der Verwaltung eine Fuckup Night hilfreich wäre. Allerdings war der Begriff nicht passend. Wir haben also zusammen mit einer Kollegin aus einem Ministerium die Fuckup Night für die Verwaltung aus der Taufe gehoben und sie „GeScheiterWeiter" genannt. Hierbei handelt es sich um ein inzwischen regelmäßig stattfindendes Online-Format, bei dem Teilnehmende aus der öffentlichen Verwaltung und aus verwaltungsnahen Organisationen über ihre Misserfolge, Irrtümer, unerwarteten Planänderungen und Stolperfallen beim Betreten von neuen Wegen sprechen und ihre Learnings teilen. Diese regelmäßig stattfindene Events bieten eine Plattform für den offenen Austausch und die gezielte Vernetzung der Macher*innen und Antreiber*innen der Verwaltungsmodernisierung. Es werden keine typischen Fachvorträge gehalten, sondern bildreiche und humoristische Geschichten erzählt, die vor allem aus einer persönlichen Perspektive geschildert werden. Der Fokus liegt am Ende darauf, was aus den Fehlschlägen gemacht wurde und welchen Effekt es am Ende für die Beteiligten hatte.

Das Duzen gehört bei GeScheiterWeiter dazu und schafft eine persönliche Ebene, eine konstruktive und entspannte Atmosphäre – unabhängig von Hierarchie- und föderaler Ebene. In dieser Art und Weise ist das Format unterhaltsam und lehrreich zugleich und darüber hinaus finden Gleichgesinnte zusammen.

Effekte für die Verwaltungskultur

Für die Menschen in der Verwaltung bietet GeScheiterWeiter die Möglichkeit, eine neue Perspektive auf Fehler, Experimente und Lernen zu sehen. Es zeigt, dass auch in einem streng regulierten Umfeld Raum für Fehler existieren kann, solange daraus gelernt und Verbesserungen abgeleitet werden. Die sogenannten Machgeschichten werden aus einer persönlichen Perspektive erzählt, was das Nachempfinden der Situation für die Zuhörenden erleichtert. Gleichzeitig ermöglicht es den Transfer auf die eigene Situation und motiviert einerseits dazu, ähnliche Ideen aufzugreifen und andererseits grundsätzlich weiter am Ball zu bleiben und das eigene Engagement in der Selbstreflexion zu würdigen.

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Viele berichten, dass sie durch das Teilen ihrer Geschichten nicht nur Selbstvertrauen gewonnen, sondern auch wertvolle Einblicke und Erkenntnisse für ihre Arbeit erhalten haben.

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Bereits durchgeführte GeScheiterWeiter-Events haben gezeigt, dass Teilnehmende oft überrascht sind, wie befreiend die Erfahrung sein kann. Viele berichten, dass sie durch das Teilen ihrer Geschichten nicht nur Selbstvertrauen gewonnen, sondern auch wertvolle Einblicke und Erkenntnisse für ihre Arbeit erhalten haben. Durch diese Erfahrungsaustausche entsteht oft ein neues Verständnis für die Komplexität und Herausforderungen im Verwaltungshandeln, das letztlich zu realen Verbesserungen führen kann. Und ein Netzwerk von Gleichgesinnten entsteht dabei auch.

Voraussetzungen für die Etablierung

GeScheiterWeiter ist ein für alle Verwaltungen zugängliches Format. Es ist aber durchaus auch ein Format, was sich in Organisationen als internes Event umsetzen lässt. Bei der Einführung von Formaten wie GeScheiterWeiter in der Verwaltung ist es allerdings wichtig, einige Fallstricke zu vermeiden. Dazu gehört die klare Kommunikation, dass die Teilnahme freiwillig ist und aus den geteilten Erfahrungen keine negativen Konsequenzen folgen dürfen. Zudem muss das Format gut moderiert werden, um sicherzustellen, dass die Diskussionen respektvoll und produktiv bleiben. Auch die Vorbereitung der Sprecher*innen ist essentiell. Das Format ist im Verwaltungskontext noch ungewohnt und deshalb macht es sehr viel Sinn, bei der Vorbereitung zu unterstützen. Das umfasst die Storyline, die Art des Vortrages bzw. der Präsentation und das Timing.

Die Durchführung einer einzelnen Fuckup Night führt noch nicht dazu, eine konstruktive Fehlerkultur zu haben. Es braucht eine gewisse Regelmäßigkeit. Das bedeutet, wenn die erste Fuckup Night durchgeführt wird, sollten auch schon weitere Termine und Sprecher*innen mitgeplant werden.

Ausblick

Eine etablierte, konstruktive Fehlerkultur kann die Verwaltung nachhaltig verändern. Sie führt zu einer konstruktiven Arbeitsatmosphäre und zu einer verbesserten Offenheit und Anpassungsfähigkeit – insbesondere bei neuen Vorgehensweisen. Veranstaltungen wie GeScheiterWeiter sind dabei nur ein Schritt in Richtung einer umfassenden Kulturveränderung, die letztlich zu einer effizienteren, bürgerfreundlicheren Verwaltung führen kann.

► Mehr Informationen zum Format: www.gescheiterweiter.de