Weniger Regeln, mehr Verwaltungskraft
Dr. Christian Ege über Bürokratieabbau, „digitalen Zement“ und erfolgreiche Digitalisierung
Verwaltung der Zukunft: Was hat Sie zur Gründung von BürokratEASY veranlasst?
Dr. Christian Ege: Auslöser war das Erlebnis beim Zukunftskongress 2022. 12 Jahre war ich nicht mehr da und hatte den Eindruck, dass alles noch so war, wie zu meiner Zeit als Innovations-Staatssekretär und CIO im Saarland. Wenig Fortschritt.
Deutschland steckt im Vorschriftendschungel fest. Trotz Digitalisierung verliert der Staat in Teilen seine Handlungsfähigkeit. Besonders betroffen sind Ämter und Behörden auf kommunaler und Landesebene.
Über 200.000 Verwaltungsvorschriften – und 25 % weniger Personal durch die Ruhestandswelle schon ab 2028. Das passt nicht mehr zusammen. BürokratEASY ist eine Antwort darauf. Wir brauchen eine Entrümpelung von innen – wirklichkeitsbezogen, praktisch und humorvoll.
Der Erfüllungsaufwand in Verwaltungen muss bis 2030 im gleichen Maße sinken, wie das Personal weniger wird. Ein Ausweg ist der Verzicht auf 25 % Verwaltungsvorschriften. Nur welche sind die Richtigen?
Bürokratiebefreiung hilft am meisten der Verwaltung. Sie hat es selbst in der Hand.
VdZ: Was genau steckt hinter BürokratEASY?
Ege: BürokratEASY ist zunächst einmal ein Projekt. Eine private Initiative für eine hoheitliche Aufgabe: Bürokratiebefreiung. Dahinter stehen mehrere a.D.s. Als Ex-Staatssekretär, CIO und Unternehmer kenne ich Verwaltung, Wirtschaft und Politik von innen und außen. Meine Vision: ehrliche, machbare Staatsmodernisierung. Mit Humor bei der Sache, Respekt fürs Bestehende und dem Mut, es zu hinterfragen und zu ändern. Zu wenig konnten die verschiedenen Initiativen zum Bürokratieabbau in den letzten 20 Jahren erreichen.
Für den Verzicht auf Vorschriften braucht es neue Argumente: Was ist wirklich verzichtbar?
Dafür kombinieren wir die Möglichkeiten von KI mit der Praxiserfahrung der Mitarbeitenden in Ämtern und Behörden – denn sie wissen am besten, was sich ändern müsste. Doch sie sind mit ihren Argumenten nie auf die Entscheidungsebenen in Bundesministerien durchgedrungen. Danach fragen wir sie.
Die wichtigste Frage ist: Was kann mit dem Personal und der Technik von morgen überhaupt noch umgesetzt werden? BürokratEASY kombiniert Verwaltungspraxis, KI und wirtschaftlichen Sachverstand. Recht hat nämlich einen Preis: den Erfüllungsaufwand.
Im Kern geht es um die Frage: Können die 100 % Vorschriften noch mit dem verbleibenden Personal und den (neuen) digitalen Lösungen erfüllt werden? BürokratEASY fragt nicht mehr: „Warum gibt es diese Regel?“, sondern: „Was passiert, wenn sie weg ist?“
Viele Regeln wurden für eine Verwaltung von gestern gemacht – aber der Staat von morgen hat weder das Personal noch die Geduld der Menschen, um so weiterzumachen.
BürokratEASY fragt nicht mehr: „Warum gibt es diese Regel?“, sondern: „Was passiert, wenn sie weg ist?“
VdZ: Wie reagieren Verwaltungseinheiten auf die Idee, eigene Regeln zur Disposition zu stellen?
Ege: Überraschend offen. Seitdem wir die neue Comic Serie „3 Klammen für Charly“ auf Mission BürokratEASY gestartet haben, steigt das Interesse ziemlich an.
Unsere Comicserie mit Vera, Alex und Klara ist der Einstieg. Kein Zeigefinger, sondern Selbstironie. für Bürokratie von der Perspektive des Schreibtischs der Mitarbeiter aus, die jeden Tag den Laden am Laufen halten. Charly, der gute Geist der Bürokratie-Befreiung hilft ihnen dabei.
Humor kann Türen öffnen, wo Argumente manchmal hängen bleiben. Das ist der Ansatz.
Und siehe da: Praktiker schlagen uns inzwischen selbst Themen vor. Sie wissen genau, wo’s klemmt – sie wurden nur zu selten gefragt. Mit BürokratEASY sagen wir: Ihr seid nicht das Problem, ihr seid die Lösung.
Es ist schon ein dickes Brett, das wir bohren. Die wenigsten ändern sich gerne von allein. Aber das geht so nicht mehr lange gut. Und dann bieten wir einen neuen Weg.
VdZ: Warum ist Vorschriftenabbau die Voraussetzung für erfolgreiche Digitalisierung?
Ege: Weil man keine Jahrhunderttechnologie auf 90er-Jahre-Regelwerke setzen kann. Wer einfach digitalisiert, ohne vorher aufzuräumen, gießt Beton über Probleme. Das nenne ich „digitalen Zement“. Und der kann für den Staat ziemlich gefährlich werden.
Nämlich dann, wenn mit hohen (einmaligen) Investitionsmitteln digitalisiert und automatisiert wird. Dann sind die beteiligten Behörden froh, dass es voran geht. Im Ergebnis wird der Status Quo digital zementiert. Das kann natürlich im Nachhinein alles noch angepasst werden. Doch mit welchen Mitteln. Die Sackgasse entsteht, wenn im Nachgang Vorschriften vereinfacht werden sollen. Dann schaffen Investitionsschutz und Mittelknappheit Fakten. Der Staat sperrt sich ein. Vorschriften müssen vor der Digitalisierung auf die neue Welt angepasst werden.
Warum lernen wir nicht umgekehrt: Was kann die digitale Lösung und welche Änderungen an Vorschriften sind deshalb nötig?
KI wird ja auch nicht mehr auf Diskette ausgeliefert.
VdZ: Gibt es positive Beispiele aus der Praxis, auf die Sie bereits verweisen können?
Ege: Hoffentlich bald! Seit 1,5 Jahren sprechen wir bei Bundes- und Landesministerien vor. Die Uhren ticken langsam. Doch inzwischen gibt es konkretes Interesse an mehreren Stellen. Übrigens auch aus dem Ausland.
Und solange bringen die 3 Klammern für Charly jeden Dienstag eine neue Folge auf: www.Buerokrateasy.de/3klammern. Das ist mehr als ein Comic: ein Reallabor.