Brigitte Zypries 3. DJS
© Wegweiser Media / Simone M. Neumann

„Wir müssen in Deutschland ins Handeln kommen“

Brigitte Zypries im Interview

Kongresspräsidentin des Digital Justice Summit Brigitte Zypries spricht im Interview über die zentralen Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung der Justiz. Dabei macht sie deutlich: Entscheidend ist nicht die Einsicht der Notwendigkeit, sondern das konkrete Handeln.

Verwaltung der Zukunft: Der 4. Digital Justice Summit steht bevor. Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Themen und Schwerpunkte in diesem Jahr?

Brigitte Zypries: Wir werden zu erörtern haben, in welcher Weise und von wem die Verabredungen des Koalitionsvertrages umgesetzt werden. Welche Kompetenzen wird der Digitalminister von der Justizministerin erhalten? Wie wollen BMJ und die Länder die Justizcloud einführen? Wie wird digitaltaugliche Rechtsetzung verbessert? Welche KI-gestützten Verfahren unterstützen die Richterschaft in der Breite? Können den Bürgerinnen und Bürger niedrigschwellige Online-Angebote für den Zugang zu Gericht gemacht werden?

VdZ: Als Kongresspräsidentin begleiten Sie den Digital Justice Summit seit mehreren Jahren. Wie hat sich die Diskussion rund um die Digitalisierung der Justiz seit dem ersten Summit verändert?

Zypries: Ich würde sagen, das Bewusstsein für die Notwendigkeit von digitalen Anwendungen in der Justiz ist breiter geworden. Es ist erkannt, dass digitale Unterstützung für die Richterinnen und Richter erforderlich ist, um den personellen Aderlass der Justiz durch den Ruhestand der Boomer-Generation abzumildern. Aber wie schon beim ersten Summit kann ich mich noch immer nicht des Eindrucks erwehren, dass Bund und Länder nicht hinreichend ins Handeln gekommen sind. Wie auch im Übrigen bei der Digitalisierung: es fehlt nicht an der Erkenntnis, es fehlt an der Umsetzung.

VdZ: Die politischen Rahmenbedingungen haben sich mit dem neuen Koalitionsvertrag geändert. Welche neuen Spielräume und Chancen sehen Sie für die digitale Transformation der Justiz?

Zypries: Sehr positiv ist die Neuauflage des Pakts für den Rechtsstaat. Bund und Länder stellen 500 Mio. Euro für 4 Jahre bereit, für neue Stellen und die Digitalisierung der Justiz. Ergänzend und unterstützend sollen die Zivil- und Strafverfahren durch Modernisierung der Prozessordnung, digitale Kommunikation und organisatorische Verbesserungen schneller und effizienter ablaufen.

Der unermessliche Datenschatz der Justiz
Brigitte Zypries 3. DJS

Der unermessliche Datenschatz der Justiz

Rückblick auf den 3. Digital Justice Summit

VdZ: Im Eröffnungsplenum geht es um den neuen Pakt für den Rechtsstaat. Was muss passieren, damit dieser Pakt nicht nur ein politisches Versprechen bleibt, sondern echte Wirkung entfaltet?

Zypries: Hier gilt dasselbe, wie bereits oben beschrieben: Wir müssen in Deutschland ins Handeln kommen. Echte Wirkung können die Beschlüsse nur entfalten, wenn sie umgesetzt werden, wenn zusätzliches Personal eingestellt wird, wenn die Abläufe einfacher werden und die Kommunikation zwischen Anwaltschaft und Gerichten leichter.

VdZ: Europa setzt ebenfalls Impulse für Effizienz und Digitalisierung. Wie wichtig ist die europäische Dimension in dieser Diskussion?

Zypries: Es ist gut, wenn das Thema überall auf der Tagesordnung ist und manche Tatbestände sind ja auch schon europaweit geregelt - z.B. der europäische Haftbefehl, das Bußgeldverfahren bei Verkehrsdelikten und anderes. Da wäre es natürlich wünschenswert, wenn es auch einen europäischen Datenfluss auf einheitlichen Anwendungen gäbe.

VdZ: Welche Entwicklungen stimmen Sie optimistisch – und wo sind Sie eher skeptisch, ob die Ziele bis 2030 erreicht werden können?

Zypries: Optimistisch stimmen mich die vielen Legal Startups, die den Staat unter Druck setzen, weil sie zeigen, was geht. 2030 ist nicht mehr lange hin. Ob wir bis dahin die Justizcloud haben werden?

VdZ: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Welche digitale Lösung oder Reform würden Sie der deutschen Justiz sofort zur Verfügung stellen?

Zypries: Ich würde die Richterschaft fragen, was sie brauchen und dann entscheiden. Mir scheint, dass ordentliche Anwendungen der künstlichen Intelligenz zum Auswerten von Schriftsätzen und Beweiserhebungen unabdingbar sind.

Brigitte Zypries beim 4. Digital Justice Summit

🗓️ 24.-25. November, Hotel de Rome Berlin
➡️ Hier geht's zum Programm

Brigitte Zypries moderiert die Eröffnung des 4. Digital Justice Summit „Ein Staat, eine Aufgabe, ein Pakt: Bund und Länder im Schulterschluss für eine moderne Justiz?“ und den Dialog mit der Bundesjustizministerin über die Zukunft der (digitalen) Justiz.