4. ZuKo Sozialversicherungen Header
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Mehr als Technik: Vertrauen in den digitalen Sozialstaat

Rückblick auf den 4. ZuKo Sozialversicherungen

Der 4. ZuKo Sozialversicherungen hat einmal mehr gezeigt: Der Sozialstaat ist essenziell für unser Zusammenleben, zugleich jedoch dringend reformbedürftig.
Am 26. November 2025 kamen über 250 führende Vertreter*innen aus Sozialversicherung, Politik, Wissenschaft und Praxis im Berlin Marriott Hotel zusammen, um unter dem Leitthema „Sozialstaat im digitalen Wandel“ über die Zukunft unserer Sozialversicherungen zu diskutieren. Angesichts der aktuellen Debatten im Bundestag hätte der Zeitpunkt für diesen Kongress kaum passender sein können. Im Mittelpunkt standen neben dem Einsatz von Automatisierung und KI, strukturellen Reformen und dem Austausch von Best-Practice-Lösungen auch die politischen und gesellschaftlichen Dimensionen.

Zukunftsfähiger Sozialstaat: Diskussionen am Vorabend

Am Vorabend des 4. ZuKo Sozialversicherungen diskutierten unter anderem Peter Altmaier (Bundesminister a.D./Beirat Wegweiser), Dr. Tanja Machalet MdB (SPD), Dr. Christine Fuchsloch (Präsidentin Bundessozialgericht), Prof. Dr. Raffelhüschen (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) und Albert Stegemann MdB (CDU/CSU) über den aktuellen Stand des Sozialstaats, seine Kosten und den drängenden Reformbedarf.

Die Debatte drehte sich unter anderem um die steigenden Sozialausgaben und die Belastung künftiger Generationen, unterschiedliche gesellschaftliche Interessen, Effizienzpotenziale im Gesundheits- und Sozialbereich sowie die Bedeutung von Transparenz, realistischen Erwartungen und gut abgestimmten Prozessen zwischen Bund, Ländern und Kommunen.


Am Kongresstag selbst setzten die Gespräche mit 90 weiteren Referierenden fort, darunter Simone Borchardt MdB (CDU/CSU), Ralph Brinkhaus MdB (CDU/CSU), Ana Dujić (BMAS), Dr. Matthias Flügge (DRV Bund), Dr. Stephan Fasshauer (DGUV), Christina Ramb (BDA), Prof. Dr. Wolfgang Schroeder (Universität Kassel) und Katrin Willnecker (ver.di).

Sozialstaat im digitalen Wandel

Das Eröffnungsplenum des 4. ZuKo Sozialversicherungen machte deutlich, dass der Sozialstaat weiterhin ein zentrales Element des gesellschaftlichen Zusammenhalts darstellt, gleichzeitig aber vor großen Herausforderungen steht. Historisch betrachtet gilt Deutschland als Pionier der Sozialversicherung, von Otto von Bismarck bis zur dynamischen Rente unter Adenauer, und jede Generation muss das System neu gestalten. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, steigender Lebenserwartung und komplexer Erwerbsbiografien werden Reformen als dringend notwendig erachtet, um Leistungsgerechtigkeit, Bedarfsgerechtigkeit und Finanzierbarkeit in Einklang zu bringen.

Die Teilnehmenden betonten, dass Digitalisierung und KI zentrale Treiber für die Modernisierung sind. Leuchtturmprojekte in der Rentenversicherung und im Gesundheitswesen zeigen, wie Prozesse effizienter gestaltet werden können, während Datenschutz, Rechtskonformität und Transparenz wesentliche Rahmenbedingungen bleiben.

Strukturelle und organisatorische Fragen standen im Mittelpunkt der Diskussion: Das bestehende System ist kompliziert und fragmentiert, mit zahlreichen Schnittstellen zwischen einzelnen Leistungen. Dabei wurden sowohl Effizienzpotenziale in der Sozialverwaltung als auch in der Gesundheitsversorgung angesprochen. Diskutiert wurden unter anderem die Gestaltung von Krankenhäusern, die Nutzung vorhandener Ressourcen und die Notwendigkeit eines bürgerfreundlichen, durchlässigen Teilhabesystems, das Menschen nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert. Verbesserungspotenzial besteht in stärkerer Verbindlichkeit, besserer Arbeitsverwaltung und klaren Strukturen, wobei Effizienz nur im Zusammenspiel mit Generationengerechtigkeit und politischer Steuerung erreicht werden kann.

Der 4. ZuKo Sozialversicherungen auf einen Blick
4. ZuKo Sozialversicherungen

Der 4. ZuKo Sozialversicherungen auf einen Blick

Materialien und Präsentationen zur Veranstaltung

Vom Antrag zur Automatik

In einer weiteren Session wurde der Weg zu einfacheren, medienbruchfreien Prozessen thematisiert. Bürger*innen erwarten unkomplizierte Abläufe, doch hinter den Kulissen läuft ein komplexer Datenaustausch, den die Öffentlichkeit kaum wahrnimmt. Diskutiert wurden unter anderem Optimierungspotenziale bei Datenformaten, eindeutige IDs zur Vermeidung von Dubletten sowie gesetzliche Regelungen wie das Datendoppelerhebungsverbot („Once Only“) und das Ersterhebungsgebot.

Ein zentrales Ergebnis: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Wertschätzung in der Kommunikation und der Fokus auf den Menschen im Mittelpunkt der Verwaltung sind entscheidend, um das Vertrauen der Bürger*innen zu stärken.

Mensch & Maschine: KI in der Sozialverwaltung

Die Diskussion zum Thema „Mensch & Maschine“ machte deutlich, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Verwaltung zunehmend an Bedeutung gewinnt, gleichzeitig aber sorgfältig gestaltet werden muss. Angesichts von rund 46 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland stellt sich die Frage, wie KI künftig in der Breite genutzt werden kann. KI wird in nahezu allen Berufen eine Rolle spielen, weshalb die Vermittlung von KI-Kompetenzen („AI Literacy“) für alle Beschäftigten zentral ist. Niedrigschwellige Angebote, Basiskurse und Labore wie bei der Deutschen Rentenversicherung sollen Mitarbeitende befähigen, KI zu verstehen, anzuwenden und reflektiert einzusetzen, unter besonderer Berücksichtigung sensibler Daten.

Leuchtturmprojekte wie KIRA bei der DRV oder KI-Lösungen zur Unfallvermeidung bei der BG Bau zeigen, dass KI bereits praktisch eingesetzt wird, um Mitarbeitende zu entlasten, Abläufe effizienter zu gestalten und Dienstleistungen für Bürger*innen zu verbessern. Gleichzeitig bleibt die menschliche Entscheidungskompetenz („Human in the Loop“) maßgeblich, um verantwortungsvolle Nutzung sicherzustellen und demokratische Prinzipien zu wahren.

Zudem verändern KI und Automatisierung die Berufsbilder: Hybride Teams aus Mensch und KI-Agenten werden zunehmend üblich. Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle, da sie den Wandel aktiv begleiten müssen. Ein weiteres Ergebnis der Diskussion: KI und Berufseinsteiger*innen müssen gleichzeitig gefördert werden, um langfristig Expertise und Leistungsfähigkeit in der Verwaltung zu sichern.

Reform trifft Realität: Perspektiven für den Sozialstaat der Zukunft
Dr. Wolfgang Zink

Reform trifft Realität: Perspektiven für den Sozialstaat der Zukunft

Exklusive Einblicke in die Studie von PwC und Wegweiser

Verstehen. Vertrauen. Verändern.

In der Abschlusssession wurden die Wertschätzung unseres Sozialsystems und Bürger*innenorientierung als zentrale Themen diskutiert. Ein Schwerpunkt: Viele Menschen haben im Alltag kleine negative Erlebnisse, wenn sie in Kontakt mit Behörden treten. Prozesse sollten daher stärker vom Menschen ausgehen und sich an Lebenslagen orientieren – nicht an den Organisationen. Es ging in der Diskussion auch darum, Lösungen aufzuzeigen, nicht nur bestehende Probleme. Nur so könne das Vertrauen der Menschen in den Staat und damit auch in unsere Demokratie wieder gestärkt werden. 

Ein weiterer Schwerpunkt war die Digitalisierung: Gut funktionierende, nutzerfreundliche digitale Dienstleistungen und One-Stop-Shop-Ansätze können helfen, die Sozialverwaltung bürger*innenfreundlicher zu gestalten. Gleichzeitig wurde betont, dass Veränderungen eine sorgfältige Analyse der bestehenden Strukturen erfordern. Außerdem stand die ungleiche Vermögensverteilung im Fokus, während die Bedeutung des Sozialstaats für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Frieden unterstrichen wurde. Nicht zuletzt zeigte die europäische Vernetzung der Sozialversicherungen Potenzial für den Austausch von Best Practices.


 

Save the Date: Zukunftskongress Sozialstaat

Nach vier Jahren als Satellitenveranstaltung macht der ZuKo Sozialversicherungen 2026 den nächsten großen Schritt: Er findet erstmals als eigenständiger Kongress unter dem Leitgedanken „Soziale Sicherheit und Sozialversicherungen im digitalen Wandel“ im Humboldt Carré statt.

Datum: 25.-26. November 2026

Alle Infos unter: https://www.sozialstaat.info/de

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

 

Weitere Impressionen zum 4. ZuKo Sozialversicherungen finden Sie unter folgendem Link: https://www.zukunftskongress.de/de/zuko-sv-impressionen-2025